Das ist sprachhistorisch sicherlich korrekt. Es widerspricht aber dem Sprachgebrauch in meinem Umfeld. In der Generation meiner Eltern (zwischen 1930 und 1940 geboren) gab es eine Altenpflegerin, eine Schneiderin, eine Köchin, eine Buchbinderin. Keine von diesen Frauen hätte sich selbst als Altenpfleger, Schneider, Koch oder Buchbinder bezeichnet.
Vor kurzem hörte ich eine Frau (auch in dem Alter), die sagte, sie hätte Schneider gelernt, wäre jetzt aber Rentner. Das klang für mich sehr falsch, weil ich es eben aus meinem persönlichen Umfeld und auch aus den Medien so kenne, dass eine männliche Person mit {-er} und eine weibliche mit {-in} bezeichnet wird.
Und eine Gruppe weiblicher Lehrpersonen ist mit „die Lehrerinnen“ eindeutig bezeichnet, „die Lehrer“ können rein männlich oder gemischt sein. Es fehlt also hier eine Bezeichnung - je nach Sichtweise eine männliche oder eine generische. (Und da halte ich die *_:-Innen-Form nicht für eine gute Lösung.)
Ich kann natürlich nicht über dein Umfeld reden, denn das kenne ich nicht. Ich habe auch nie gesagt, dass Menschen die Ableitungen auf {-in} nicht verwenden sollen oder können. Ich werde zur Beschreibung auch das movierte Wort verwenden, wenn ich eine konkrete Person vor mir habe. Generische Formen sind auch gar nicht dafür da, einzelne Menschen zu bezeichnen (was zum Beispiel die AfD bei Reden im Bundestag nicht rafft, wenn sie die amtierenden Präsidentinnen als "Sehr geehrte Frau Präsident" begrüßen).
Ich habe auch gestern erst einen Podcast gehört, wo eine Strafgefangene von ihrem Leben im Gefängnis berichtete. Da hat sie ausschließlich generische Formen verwendet, wobei immer klar war, dass nur Frauen gemeint sein können, da der Strafvollzug ja nach Geschlechtern getrennt organisiert ist. Ich kann kein echtes Zitat bringen, aber ich meine, dass sie zum Beispiel davon sprach, auch im Gefängnis "gute Freunde" finden zu können.
Dass man männliche Personengruppen nicht gut benennen kann, ist sicher eine Schwäche der deutschen Sprache. Man kann sie schon explizit benennen, zum Beispiel durch ein Adjektiv. Aber ein Morphem dafür gibt es nicht. Ich glaube aber, dass hier die Lösung liegen könnte. Indem man ein Morphem für männliche Personen einführt, würde man das generische Maskulinum von diesem Druck befreien, sowohl Männer als auch Menschen zu bezeichnen. Ohne viel Sprachingenierskunst hätte man dann schnell eine geschlechtergerechte Form.