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Original von Schubbidu
Timm, du hast mich nicht verstanden. Vielleicht habe ich auch zu stark verkürzt. Also nochmal.
Es geht nicht um ein Aufrechnen von Opferzahlen. Das führt zu nichts, da gebe ich dir völlig Recht.
Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist folgendes: Im gesellschaftlichen Alltag empfinde ich rechtsradikale Jugendliche von ihren Werthaltungen her als bedeutend menschenverachtender, aggressiver, beängstigend... als das bei linksradikalen Jugendlichen der Fall ist. Dass es sich hierbei nicht nur um eine subjektive Empfindung handelt, zeigt eben der Verweis auf die Opferstatistik.
Gibt es denn die Möglichkeit, nur "ein wenig" menschenverachtend zu sein?
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Ich habe auch im vorherigen Beitrag bereits deutlich darauf verwiesen, das dadurch nicht die eine Diktatur besser wird als die andere. Es geht einfach um den konkreten Umgang mit Jugendlichen der ein oder anderen Coleur.
Ich machs mal noch etwas plastischer:
Du hast die Möglichkeit uneingelanden auf das Grillfest der lokalen Antifa-Gruppe oder der örtlichen Vereinigung rechter Skinheads zu gehen. Wo gehst du lieber hin? Wo hast du instinktiv mehr Angst?
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„Wie dieser Kampf zu führen ist, welche Mittel notwendig und legitim sind, lassen wir uns weder von diesem Staat, noch von Medien, Pfaffen oder Politikern vorschreiben. (...) Militanz ist dabei ein Mittel unter vielen. Gerade im Kampf gegen die Faschisten lehren uns viele Beispiele, sowohl aus den Erfah- rungen der NS-Zeit als auch aus der aktuellen Situation in vielen Teilen Deutschlands, dass auch ent- schlossener und militanter Widerstand notwendig ist. (...) Dass gerade die zur Gewaltfreiheit aufrufen, die dafür verantwortlich sind, dass den Aufmärschen der Faschisten von Großaufgeboten der Polizei der Weg freigeprügelt wird und dass AntifaschistInnen kriminalisiert werden, kann von uns nicht ernstge- nommen werden. Wir lassen uns auch nicht von den brutalen Polizeieinsätzen bei Naziaufmärschen, von Festnahmen und Gerichtsverfahren einschüchtern.“
(„...über Totalitarismus, Repression und Militanz“. Text der „AG Antifa der Revolutionären Aktion Stuttgart“, des „Antifaschistischen Bündnisses Rems-Murr“ und der „Antifa- schistischen Gruppe Z.O.R.A.“ Karlsruhe, in: Broschüre „Nie wieder Volksgemeinschaft! Keine Zentren für Nazis!“, hrsg. vom „Bündnis für ein Buntes Hall“ und dem „Antifaschistischen Aktionsbündnis Baden-Württemberg (aabw)“, zitiert nach Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2005)
Was ist denn daran bitte sympathisch? Oder ist es in Ordnung, Gewalt gegen staatliche Organe gut zu heißen und Polizisten um Leib und Leben fürchten zu lassen, weil man für die "gerechte" Sache kämpft?
SteffdA
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Deine Beschreibung stimmt nicht mit dem überein, was ich erlebt habe und ich denke, sie ist auch nicht signifikant für DIE DDR.
Allerding, das muß ich einschränkend gestehen, kann ich aufgrund meines Lebensalters die 60iger nicht aus eigener Erfahrung beurteilen.
Ja, die DDR hatte auch ihre guten Seiten. Die Kinderkrippen, der Zusammenhalt... Und im 3. Reich gab es einen Wirtschaftsaufschwung und Arbeit für alle.
Dumm nur, dass das alles systemische Komponenten waren, die nicht zum Wohl der Menschen sondern zum Herrschaftsauf und -ausbau geschahen.
- Die Kinderkrippen wurden nicht von liebenswerten Altruisten eingeführt, sondern von der Einsicht, nur so den Fachkräftemangel zu beheben. Es gab zu keiner Zeit eine Diskussion, welchen Lebensentwurf Familien und Frauen vorziehen. Das ist keine Wohltat, sondern ein Herrschaftsinstrument.
- Der Zusammenhalt wurde aus der systemischen Not geboren. Letztlich ist es der Egoismus und das quid pro quo eines Mangelsystems und nicht der neue, bessere sozialistische Mensch.
Die entsprechenden Erläuterungen zur NS-Zeit spare ich mir.
Nein, es gab in diesen Zeiten nichts Gutes. Selbst der Zusammenhalt und den Mut oppositioneller Gruppen sind systemisch und mit hohen Opferzahlen erkauft.
Ich betone aber nochmals, dass das nicht heißt, dass ich die Lebensentwürfe der Eingerichteten verurteile. Aber es gibt Gott sei Dank auch genügend Menschen aus den beiden deutschen Diktaturen, die nur einen guten Tag dieser Systeme kennen, nämlich den, an dem sie zu Ende waren.
Ich denke, das ist unsere Aufgabe als Pädagoge: Den jungen Menschen zu zeigen, dass Diktaturen kein Baukastensystem sind, aus dem man "Gutes" herauslösen kann. Wenn man diesen Gedanken verinnerlicht hat, hat man m.E. schon viel gelernt und wird allen heilsbringenden Ideologien skeptisch gegenüberstehen.
edit und nochmal Schubbidu:
Kann es sein, dass der Kommunismus deswegen "sympathischer" wirkt, weil seine Grundanalyse einleuchtend wirkt? Besonders den Historikern sind die unhaltbaren Zustände der Industrialisierung, die Marx zum Thema macht, bekannt, nämlich Menschen, die unter elendigsten Bedingungen ausgebeutet werden. Der NS-Ideologie beruht dem hingegen auf der schon per se menschenverachtenden Rassetheorie. Das ist aber in meinen Augen ein akademischen Problem. Er stirbt und leidet sich nicht besser, weil die Grundannahme eines Systems nachvollziehbarer oder menschenfreundlicher wirkt als die eines anderen. Und auch die Anhänger können sich mit diesem Argument nicht frei kaufen. Spätestens nach der französischen Revolution wusste man im abendländischen Bereich, dass aus Terror keine Gerechtigkeit erwächst.