Ich denke, es besteht kein prinzipieller Widerspruch zwischen einer freundlichen Grundhaltung und einem präzisen, konsequenten Verhalten gegenüber den Schülern, remus hat es ja schon angedeutet.
Ich gehe eigentlich davon aus, dass in aller Regel Fehlverhalten von Schülern nicht gegen mich zielt. Deswegen kann ich jemanden freundlich aber bestimmt zurechtweisen und ihm ggf. ohne zu schreien, schmollen, ihn persönlich in Frage zu stellen eine Konsequenz/Strafe aussprechen. Ich frage mich immer wieder, warum das von einem Teil der Lehrer oft als diametral gesehen wird. Normalerweise schreit einen doch auch nicht der Polizist zusammen, wenn er einen Bußgeldbescheid ausstellt... Es kann eigentlich nur damit zu tun haben, dass diese Kollegen erst so spät Konsequenzen ziehen, dass sie selbst schon sehr genervt sind.
Persönlich haben mir die Hinweise auf das unterschiedliche Verhalten als Klassen- und Fachlehrer gut getan. Ich nehme meinen Kollegen in meiner Klasse alles ab, was ich als Klassenlehrer zu tun habe. Das sind z.B. Entschuldigungen, Strafen bei Zuspätkommen (die eingetragenen Zeiten müssen bei mehr als 20min verdoppelt nachgeholt werden), Gesprächen bei Leistungsstörungen usw. Das sind eigentlich normale Tätigkeiten, die leider aber von zu vielen Kollegen nicht (richtig) erfüllt werden. Anfangs habe ich versucht, als Fachlehrer ein Teil dieses Geschäfts mitzumachen, wenn es der Klasssenlehrer versäumte. Ich musste zum einen schnell feststellen, dass bei 1-2 Stunden Unterricht kaum nachhaltige Verhaltensänderungen bei sonstigem Laissez-faire möglich sind und zum anderen man schnell an die persönliche Belastbarkeitsgrenze kommt.
Um damit nochmal auf das Ausgangsthema zurückzukommen: In meiner eigenen Klasse hielte ich ein Verhalten, wie von sinfini geschildert, für völlig unakzeptabel. In anderen, schwierigen Klassen kann es durchaus mal vorkommen, dass eine gewisse Zeit vergeht, bis Unterricht möglich ist (das hat aber oft auch mit tausend Kleinigkeiten zu tun, die man am Stundenbeginn regeln muss). Auch dass ich nicht konstant Schülern mit zu langsamen Arbeitstempo auf die Finger klopfe, kommt in fremden Klassen vor.
Vieles sollte man aber auch relativieren. Ich kann mich noch an den Beginn meines Praktikums erinnern. Ein Kollege, den ich aus meiner eigenen Schulzeit schätzte, hat einen nicht geringen Teil des Unterrichts mit dem Ermahnen von Unruhestiftern, Zuspätkommern usw. zu tun gehabt. Ich fand das damals drastisch, am Rande des pädagogischen Bankrotts.
Heute sehe ich das anders. Nicht nur der Klassenlehrereinfluss, sondern auch prinzipielle Überlegungen stecken dahinter: Will ich denn, dass ich eine vollkommen ruhig gestellte Klasse habe? Ich persönlich nicht, denn die Unterdrückung von "Unterrichtsstörungen" bedeutet auch, dass ich über die Sorgen und die Nöten (seien es persönliche, didaktische [Unterricht nicht gut gegliedert] oder fachliche) nicht mehr informiert bin. Eine vollkommen zur Ruhe disziplinierte Klasse fände ich schrecklich. Hat man nun 31 Schüler vor sich, dann summiert sich natürlich ein mögliches Grundgeräusch.
Die Grenzen aller Toleranz sind aber dadurch gesetzt, dass jeder Schüler eine vernünftige Arbeitsatmosphäre vorfinden und der Stoff weitestgehend bewältigt werden muss.
Ich denke, es wäre spannend, wenn du uns deine Meinung nach ein paar Wochen und vielleicht eigenen Unterrichtsversuchen nochmal schildern würdest.