Tja, du sprichst den wunden Punkt bei robischon an. Sein Menschenbild geht recht statisch vom lernbegierigen Primarstüfler aus.
Ich stimme auch überein, dass Menschen prinzipiell lernbegierig sind. ABER: Die Gesellschaft kann es einem auch austreiben. UND: Das ist oft nicht die Schuld der Schule.
Ältere Schüler wollen nicht nur lernen, um Lernerfolge per se zu haben, sondern wollen einen Nutzen sehen. Bei den moralischen Entwicklungen lassen sich hierzu die so oft von mir zitierten Stufen Kohlbergs anführen.
Warum kann nun Lernen Schülern verleidet werden:
a) Gruppenzwang: Die gesellschaftliche Sozialisation in den peer-Gruppen vermittelt, dass Lernen uncool ist und Chancen im eigenen Milieu damit kaum wachsen. Leider gilt beispielsweise in einigen Stadtteilen eine kriminelle Karriere als aussichtsreicher als eine normale "bürgerliche". Oft sind die Betroffenen nicht mit denen aus b) identisch.
b) Sozioökonomische Perspektivlosigkeit: Ein Schüler, der weiß, dass er trotz an das Herangehen an seine Leistungsgrenzen keine Aussicht auf Arbeit und Ausbildungsplatz hat, wird sich dem Lernen verweigern. Wir wissen, dass eine Suche nach einem Ausbildungsplatz mit einem guten 3er Schnitt im HS-Zeugnis in vielen Regionen fast aussichtlos ist.
c) Entwicklungspsychologische Aspekte, oft kombiniert mit a): Es stehen momentan wichtiger Dinge auf der Agenda als im schulischen Kontext zu lernen. Dabei spielt die Form des Lernens keine Rolle, weil der Inhalt mit der Schule inkompatibel ist. Wir werden unseren Schülern kaum eine Einführung ins Flirten, Petting, Kopulieren, Kiffen oder Saufen/Party machen liefern können. Viele von uns werden sich aber an Zeiten erinnern, in denen das eine oder andere absolute Priorität hatte
Wir, die als Kollegen am Ende der Kette stehen, sehen irgendwann unsere Einflussmöglichkeit als sehr begrenzt. Wir können nur versuchen, das beste, fördernste Lernumfeld zu schaffen und im begrenzten Maße Einfluss auf die Umgebungsparamter zu nehmen.
Ich denke aber, dass so ein forderndes und förderndes Umfeld zumindest einigen Schülern aufzeigen kann, dass es noch andere Möglichkeiten im Leben gibt. Das Wissen, was unsere Schüler beeinflusst und bedrückt, sollte uns neben aller Konsequenz immer auch an ein größtes Maß an Menschlichkeit unseren Schutzbefohlenen gegenüber mahnen.