Ich selbst bin, nachdem ich zunächst extrem froh war "es geschafft zu haben", kein großer Fan des Beamtentums mehr. Das hat verschiedenste Gründe.
Das Beamtentum hat definitiv viele (vor allem bequeme!) Vorteile:
- Der Verdienst ist ziemlich gut.
- Krankengeld wird fortgezahlt.
- Volle Besoldung im Mutterschutz.
- Das "Krankmeldeverfahren" (erst ab drittem Tag krankschreibungspflichtig) ist ziemich nachsichtig.
- Man ist quasi unkündbar. (-)
- Man bekommt eine vergleichsweise hohe Rente (aka Pension), die vom letzten Einkommen abhängt, nicht vom durchschittlichen Gesamteinkommen
- Es gibt Familienzuschläge.
Neutrale Punkte:
- Ich bin privatversichert. Einserseits bestimmt ganz nett, andererseits muss man sich schon fast gegen Überbehandlung wehren und bekommt Chefarztbehandlungen berechnet, obwohl man diesen nie zu Gesicht bekommen hat, bzw. dieser kurz den Kopf zur Tür reinsteckte. Weiterhin muss man häufig in Vorkasse (auch bei einigen tausend Euro) gehen und es gibt keine Familienversicherung. Ein Wechsel von der PKV in die GKV ist häufig (fast) nicht möglich), weshalb auch der Wechsel von verbeamteter Lehrer zu ---> angestellter Lehrer oftmals verwehrt bleibt (finanziell nicht mehr leistbar). Meine längste Wartezeit beid er Beihilfe waren mal 7 Monate, mal ganz abgesehen von den ständigen Ärgernissen, weil dies oder das wieder nicht anerkannt werden soll (und dann aber nach fünfmal Nachhaken doch).
Ist für mich derzeit definitiv kein eindeutiger Vorteil. (--)
Es hat allerdings auch einige Nachteile, die man teilweise zunächst gar nicht als wichtig oder bedeutsam erachtet:
- Man hast fast keine wirksame (!) Möglichkeit die eigenen Arbeitsbedingungen vor Ort konkret zu verbessern, es sei denn, ich investiere mein eigenes Geld (Stichwort: Ausstattung Klassenzimmer mit Regalen, Bildschirm, Malutensilien usw.).
- Das Ansehen Beamter ist so schlecht in der Gesellschaft, dass man gefühlt sich permanent dafür rechtfertigen muss, dass man "ja alles in den Hintern geschoben bekommt", was teils an mangelndem Wissen, und teils an stets gepflegten Vourteilen liegt.
- Als Beamter kann man seine Arbeitsstelle teils nur mit bis zu sechs Jahren Vorlauf (NRW) wechseln und ist extrem abhängig von dem guten Willen der eigenen SL einen gehen zu lassen.
- Das Bundesland zu wechseln (Beispiel: neuer Lebenspartner) kann ein jaaaaaaaahrelanges Unterfangen sein, und wenn du halt Pech hast und da wo du wohnst dir keine größere Wohnung leisten kannst, dann geht deine Familienplanung halt mal flöten.
- Als Beamter verdiene ich gut, aber nicht sehr gut und macht, was mein Einkommen betrifft, kaum große Sprünge. (*)
- Als Beamter darf ich nur dann eine Nebentätigkeit ausüben, wenn 1. meine Vorgesetzten das bewilligen und wenn 2. sehr enge Rahmen (15) der Arbeitszeit, nicht mehr als ~ 10000 € /Jahr) eingehalten werden. (**)
- Engagement und Leistung werden nicht wirklich belohnt, im Gegenteil: Die Aufgabenfelder werden immer mehr, der Lohn bleibt immer (fast) gleich.
- Es ist einem nicht möglich, für mehr Lohn einzutreten, der bitteschön oberhalb der Inflation liegt.
Überspitzt dargestellt: Der Reli- und SoWi-Lehrer, der nur die Klassen 5, 7 und 9 unterrichtet, bekommt genauso A13/A12 wie sein Kollege, der die Abschlussklassen in Mathe und Deutsch unterrichtet und zusätzlich noch für sage und schreibe eine Entlastungsstunde den PC-Raum wartet, Klassenlehrer ist, Vorsitzender der Deutsch-Fachkonferenz ist und das Pech hatte, in die Schulkonferenz gewählt zu werden. Den Posten für A14 (Aufgabe grob "Integration") schnappt sich dann der teilzeitarbeitende Sportlehrer, der innerhalb der Probezeit irgendwelche sagenhaften Projekte anstößt, wodurch Kollege Mathe-Deutsch noch mehr Arbeit hat, um danach in der Versenkung zu verschwinden und sich mental auf A15 vorzubereiten. (***)
- Als Beamter ist meine Meinung zu bestimmten neumodischen, pädagosischen Ansichten/ didaktischen Vorgehensweisen unwichtig. Theoretisch habe ich das umzusetzen, was mir von oben vorgeschrieben wird. Seit Jahren schon wird der Spielraum, der einem selbst als Lehrer bleibt, immer enger. (****)
Fußnoten:
(-) Zu Zeiten des Lehrermangels wird man auch als angestellter Lehrer nicht gekündigt, selbst die absoluten Vollhonks nicht. Habe ich jahrelang erlebt. Was die freie Wirtschaft betrifft: Auch da muss man sich in einem gut laufenden Unternehmen schon arg daneben benehmen, um gekündigt zu werden. EInfach so mal eben geht das nicht. Zitat meines besten Kumpels: "Wenn ich mich in meiner Firma umsehe, was da für Idioten arbeiten und fast das gleiche Geld kassieren wie ich, die nichts können außer dumm rumzusitzen und heimlich Minecraft zu spielen, dann kannste die denken, wie das mit den Kündigungen ist."
(--) Die PKV hat sicherlich ihre Vorteile, allerdings können auch Menschen in der GKV diverse private Zusatzversicherungen abschließen und stehen dann ebenfalls sehr gut da (meine Schwiegermutter hat dies getan.)
(*) Beispiele: In meinem Freundeskreis und in meiner Familie habe ich einige Menschen, die in der freien Wirtschaft arbeiten: Als angestellte (studierte Ingenieure, mehrere BWLer, Produktdesignerin, 3-D-Designerin, Redakteurin beim WDR, Architektin, Biochemikerin, Sozialarbeiterin usw.) Arbeitnehmer und als selbstständige Handwerker (zwei Schreiner, ein Heizungsinstallateur, ein Elektriker, ein Konditor u.a.). ALLE diese Leute verdienen entweder etwa das Gleiche oder aber weitaus mehr als ich, bis auf die Sozialarbeiterin, die allerdings die Möglichkeit hat, aufgrund ihrer Arbeitszeiten nebenher ihr Hobby zum Beruf zu machen und nun mit ihrem Hobby mehr Geld nebenher macht als mit ihrem Hauptberuf. Insbesondere die Handwerker (alle selbstständig, ja, den Schritt muss man dann wohl wagen) schmunzeln nur, wenn sie hören, was man als Lehrer verdient. Und das sind KEINE riesigen Betriebe. Das EINZIGE, was diese Leute mit einem gewissen Neid betrachten ist...drumroll....die Sicherheit. Aber selbst diese Sicherheit konnte keinen dieser Menschen (vier von Ihnen haben vor ihrer Lehrer Lehramt 1. Staatsexamen gemacht) überzeugen, Lehrer zu werden.
(**) Kleines Besipiel: Ein Freund von mir, verbeamteter Lehrer in Vollzeit, wollte auf seinem sehr großen Grundstück ein paar Stell- und Zeltplätze (wir reden hier von ~ 12 Buchten) einrichten. Nachdem sich aufgrund von Corona herausstellte, dass sein Platz ausgebucht war und er, obwohl er die 1/5 Arbeitszeit bei Weitem nicht überschritten hatte, die ~10000 Euro/Jahr sprengen würde, wurde sein Vorhaben zum neuen Schuljahr nicht wieder genehmigt, da man ihm nicht abnahm, dass er für die Verwaltung des Platzes nur ~ 3-4 Stunden braucht. Das sind meines Erachtens nach Eingriffe in private Entscheidungen, die schon ziemlich...frech sind.
(***) Mein Ex verhandelt jährlich, immer irgendwann vor Weihnachten, mit seinem Chef über sein Gehalt. Jedes Jahr kommen dabei etwa 7-8k Brutto oben drauf, weil er gute Arbeit macht. Davon kann ich als Lehrer nur träumen, egal wie sehr ich mich anstrenge. WO bleibt also MEINE Entlohnung für überdurchschnittlich gute Leistungen? Je nach Schule bedeutet das nicht einmal, dass man die A14 oder A15 in absehbarer Zeit sicher hat.
(****) Beispiel: Eine mit mir befreundete Grundschullehrerin erzählte mir unlängst, dass ihre neue SL jetzt alles ummodelt. Alle benutzen die gleichen Arbeitsvorlagen, die gleichen Rituale (Begrüßung, Frühstück usw.), die gleich aufbereiteten Materialien. Dem pädagogischen Spielraum und der eigenen Persönlichkeit wird immer mehr der Hahn zugedreht, auch durch völlig überfrachtete Lehrpläne, die fast automatisch dazu führen, dass man immer durch alles durchhecheln muss und nur sehr selten die Muße hat, mit den SuS bspw. etwas zu lesen, was einem persönlich wirklich am Herzen liegt.
Ich persönlich nehme das Beamtentum immer mehr als "Schlinge um den Hals" wahr, das mich in ein Korsett zwängt, das langsam echt eng wird, immer mit der "rettenden Sicherheit" (Pension etc.) vor Augen. Aber das kann es ja eigentlich auch nicht sein. Wenn ich bedenke, was es für Tricks bedurfte, damit ich die Schule wechseln konnte, wieviel Nerven, Aufwand, Ärger und Geld uns das gekostet hat? Das ist schon verdammt mies.
Ich bin an sich gerne Lehrerin, aber mich ärgert es sehr, dass eine Spaltung innerhalb der Lehrerschaft stattfindet, indem man einige verbeamtet und andere wieder nicht und dass selbst innerhalb der Lehrerschaft selbst so eine seltsame Art von "wir sind viel privilegierter als wir es verdient haben"-Einstellung herrscht. Das kenne ich bei keinem, nicht einem einzigen meiner Freunde und Bekannten aus der freien Wirtschaft, die ihre 100-150k nach Hause bringen, selbst wenn sie "nur im Büro sitzen und Datenbanken managen" (Zitat meines Vaters).
Tatsache ist: Wer die Freiheit seiner Bediensteten derart einschränkt und ihnen derart miese Arbeitsbedingungen vorgibt, muss ihnen wenigstens langfristig etwas bieten. Immer wenn ich die Leute frage, ob Lehrer nicht was für sie wäre (meistens taucht die Frage auf, wenn sie meinen ich hätte "ja schonwieder Ferien"), lehnen sie vehement ab: "Für kein Geld der Welt. "