Beiträge von Ragnaroek

    Das mit dem Burnout ist schon eine schwierige Geschichte.

    Die Potsdamer Studie zur Lehrergesundheit 2004 hat vier „Lehrertypen“ herausgearbeitet: Gesundheitstyp G (ca. 17 %), Schontyp S (ca. 23 %), Risikotyp A (ca. 30 %) und Risikotyp B ( ca. 30 %). Typ B ist der mit dem höchsten Risiko, gesundheitliche Schäden wie z. B. Burnout davonzutragen und Typ A ist stets gefährdet, selber zu Typ B zu werden. Was ich daran so faszinierend finde, ist, dass diese Ergebnisse zwar sowohl im Studium als auch im Referendariat unter dem Thema „Lehrergesundheit“ behandelt werden, aber niemand auf die offensichtliche Botschaft wirklich eingeht: ca. 60% der Lehrer arbeiten am Belastungslimit, ca. 23% schützen sich durch Dienst nach Vorschrift und etwa 17% schmeissen den Laden (wobei dadurch natürlich nicht ausgedrückt werden soll, dass die anderen 83 % nicht auch ihr Bestes geben). Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass alle (100 %) in den Lehrerberuf starten und hoffen, entgegen der statistischen Wahrscheinlichkeit, dass sie zu den 17% gehören, die viele Zusatzaufgaben, guten Unterricht, ein stabiles soziales Umfeld und ausreichend Freizeit, kurzum eine ausgewogene Work-Life-Balance, unter einen Hut bekommen.

    Meiner Meinung nach spricht die Lebenswirklichkeit leider dagegen. Befindet man sich lange genug in der Welt Schule, dann merkt man, dass gerade das Thema „Arbeitsbelastung im Lehrerberuf“ ein sehr sensibles Thema ist. Man lernt bereits im Referendariat, dass eigentlich nur Perfektion erwartet wird und Fehler und Unsicherheiten möglichst nie gezeigt werden dürfen, da es eben keine wirkliche Ausbildung, sondern eher ein großer Belastungstest der bereits erworbenen und vorausgesetzten Fähigkeiten ist. Ich möchte hier jedoch keine Diskussion über den Sinn oder Unsinn des Referendariats aufmachen, sondern auf einen anderen Punkt hinweisen. Nach meiner Beobachtung schützt dich im Referendariat eigentlich nichts davor, deine Stunden perfektionistisch vorzubereiten und auch zu halten. Das große Problem, dass ich dadurch sehe, ist, dass dadurch unrealistische Erwartungen an den eigentlichen Berufsalltag sowohl bei den Referendaren als auch bei den Vorgesetzten (Schulleiter, Fachleiter, Mentoren) entstehen. Man konkurriert im Referendariat als Nicht-Pefektionist dann leider auch mit diesen Leuten und der erwartete Standard ist dann eben ein von den Perfektionisten über die Zeit entstandener und sich immer weiter zuspitzender. So ist es eben und wird sich so schnell auch nicht ändern. Was dann aber im eigentlichen Schulalltag bei voller Stelle vorgefunden wird, ist aber für einen Perfektionisten nun nicht mehr zu leisten (Diskussionen über Perfektionismus finden sich hier im Forum zur Genüge), weshalb diese Leute dann gezwungen sind, Ausweichstrategien zu verfolgen wie z. B. Stellenreduktion, ungesunde Mehrarbeit, Herabsenken des eigenen Anspruchs usw. Gleichzeitig darf sich aber niemand ansehen lassen, dass ihn diese Situation belastet oder überfordert, weshalb man auch vor allem im Lehrerzimmer ständig das Gefühl hat, dass jeder andere Kollege einen Haufen Arbeit leistet und nie Probleme hat und man selbst nur unzureichende und minderwertige Arbeit erbringt. Daraus ergibt sich dann das folgende Phänomen, dass ich die beiden Hauptdisziplinen des Lehrers nenne: sich beschweren und rechtfertigen. Man kann das zum einen beobachten, wenn Lehrer unter sich sind, und zum anderen, wenn Lehrer unter nicht Lehrern sind. Auch dieses Verhalten beginnt bereits im Referendariat und wird über die Zeit kultiviert.


    Dieses Phänomen wird der TE sicherlich nicht nachhaltig lösen können und ich schließe mich der Aussage an, dass die Suche nach Probanden sich schwierig gestalten könnte, da es ein offenes Geheimnis ist, über das niemand gerne spricht, um nicht auch die eigene Fassade in Gefahr zu bringen.


    Doch möchte ich versuchen auch ein paar Anregungen zu machen:

    Schaarschmidt (Leiter der Potsdamer Studie) hat anscheinend auch ein Programm entwickelt, welches die prozentuale Verteilung der Typen im positiven Sinne verändern kann. Vielleicht könnte der TE hier vertiefend nach wirksamen Studien forschen und eine eigene Erhebung in Bezug auf Strategien im Umgang mit Belastung durchführen und auswerten.

    Ich finde es zudem auffällig, dass die Verteilung der Lehrertypen ziemlich genau die Pareto-Verteilung abbildet. Vielleicht kann man da etwas drauß machen 🤷. Irgendwie eine Zusammenhang aus Potsdamer Studie, Perfektionismus, Pareto-Prinzip und Burnout. Man könnte auch noch untersuchen, inwiefern die Big-Five (Persönlichkeit) einen Einfluss auf die Lehrergesundheit haben.


    Viel Erfolg

    Ragnaroek

    Liebe Kollegen, liebe Forumsleser, liebe Spielefreunde


    ich habe lange überlegt, was mein erster eigener Thread sein könnte. Da ich gerade wieder eine Runde "Among Us" mit meinen Freunden beendet habe, schien mir das ein passendes Thema zu sein. Bei dem Spiel geht es darum, dass mehrere Leute auf einer Raumstation sind und sich ein oder mehrere Mörder unter ihnen befinden. Wer Werwölfe oder Mord im Dunkeln kennt, weiß auch, wie das Spielprinzip funktioniert. Die Besatzungsmitglieder müssen eine bestimmte Anzahl an Aufgaben erledigen und die Mörder (Imposter) müssen es schaffen, die Besatzungsmitglieder zu töten. Je nachdem, wer sein Ziel zuerst erreicht hat, gewinnt. Der Clou ist dann aber, dass es auch zu Besprechungsrunden kommt, wo entweder wild oder auch mit Beweisen diskutiert und abgestimmt wird. Ein Ergebnis dieser Abstimmungsrunden kann dann der Rauswurf eines Mitspielers aus der Station sein. Und gerade diese Diskussionen machen dieses Spiel so wertvoll, da man sich hier geschickt verhalten muss, um nicht rausgewählt zu werden... und weder die Lüge noch die Wahrheit sind in jedem Fall die richtige Strategie, was es halt mega witzig macht.


    Ich wollte gerne dieses Spiel erwähnen, da ich zur Zeit im Home-Office mich sehr stark nur auf meine Arbeitskraft reduziert sehe. Ich bin auch gerade aufgrund von logistischen Problemen alleine in der Wohnung und habe außer mit den Kassierern im Supermarkt so gut wie keine direkte Interaktion mit anderen Menschen. Aber durch ein solches Spiel habe ich wenigsten alle paar Tage bzw. Wochen mal Kontakt mit den meisten meiner Freunde, die alle verstreut in Deutschland leben. Vielleicht wäre dieses Spiel oder ein anderes solcher Art auch für jemand anderen, der das hier liest, eine Möglichkeit, etwas aus dem drögen Arbeitsmodus "Schule" im Lockdown auszubrechen. Es ist echt nicht teuer und ich glaube auch bei manchen Anbietern umsonst. Man kann dann entweder über Steam oder Discord miteinander einen Sprachkanal eröffnen, was sehr simpel zum Einrichten ist.


    Spielerische Grüße

    Ragnaroek


    8)*yolo*8)

    Meine Eltern sind beide Lehrer an Schulformen gewesen, die zum Abitur führen. Mein Großvater mütterlicherseits und die Geschwister meiner Mutter waren auch im Lehramt tätig. Ich hatte mich lange innerlich dagegen gewehrt, auch diesen Schritt zu gehen. Während des Studiums und mehreren Praktika habe ich allerdings festgestellt, dass ich sehr gerne Lehrer werden möchte. Schließlich bin ich jetzt als Studienrat an einem Gymnasium tätig. Obwohl das Referendariat sehr hart für mich war und ich noch ein zweites an der Grundschule drangehangen habe (in BaWü ist das möglich), bin ich bisher sehr glücklich an meiner jetzigen Schule und in meiner derzeitigen Lehrerrolle.


    Zu der Gehaltsdiskussion, die ich hier schon öfter verfolgt habe, möchte ich Folgendes beitragen: (1) Das Besoldungssystem im Beamtenbereich weist eindeutig die Schwächen eines jeden planwirtschaftlich aufgebauten Systems auf. Sowohl Minderleistung als auch Höchstleistung wird mit dem selben Sold im Vorhinein abgegolten und ich habe keine Möglichkeit, den Stufenaufstieg zu beschleunigen, da dieser automatisch nach Ablauf einer Frist vonstatten geht. Ich kann mich nicht einmal dagegen wehren, mehr Geld zu erhalten 🙂 es fehlt halt ein großer Teil an Flexibilität und Anreizen, mehr als den „Dienst nach Vorschrift“ zu leisten. Es gibt zu wenige Aufstiegsmöglichkeiten und das Gehalt ist nunmal nicht verhandelbar (da gesetzlich geregelt), wodurch man es sich zweimal überlegt, Extra-Aufgaben oder Fortbildungen auf sich zu nehmen.ich denke, dass durch den bürokratischen Aufbau des Bildungssystems das Potential der Mitarbeiter nicht effektiv und effizient ausgeschöpft wird, da es zu viele Behinderungen und Motivationsbremsen gibt, sodass es höchstens mittelmäßig sein kann.

    (2) Andererseits muss ich auch sagen, dass die Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung zumindest an meiner Schule in hohem Maß vorhanden und auch erwünscht sind. Es gibt auch eine große Zahl an Fortbildungen, die es einem ermöglichen, an der Schulentwicklung aktiv mitzuwirken. Hierbei muss ich natürlich für mich selbst entscheiden, in welchem Verhältnis ich Freizeit und Arbeit haben möchte, um nicht über Gebühr belastet zu sein, da ich nicht einmal mehr Geld für meinen Mehraufwand erhalte.

    (3) Das Geld, das ich als Studienrat mit A13 erhalte, ist sicherlich als gutes Einkommen zu bezeichnen. Ich hatte viele Jobs, bevor ich letztlich meine Stelle erhalten habe, und die waren auch sehr aufwendig, aber natürlich bei weitem nicht so gut bezahlt. In meiner Zeit an der Grundschule habe ich allerdings nur E11 erhalten, obwohl ich schon ein abgeschlossenes Referendariat am Gymnasium hatte, und war am Ende des Monats mit meiner 3/4-Stelle bei nur etwas mehr Gehalt, als ich zuvor im Referendariat erhalten habe. Der Aufwand war aber durchaus vergleichbar mit dem, was ich jetzt am Gymnasium leisten muss. Ich will jetzt auch keine Diskussion über die Besoldung in den verschiedenen Schularten aufmachen, da dies an anderen Stellen schon zur Genüge erfolgt ist. Ich will nur darauf hinaus, dass ich mich unter anderem wegen des Gehalts bei meiner jetzigen Stelle für eine volle Stelle entschieden habe, da ich so zumindest auch gefühlt genug erhalte für die Arbeit, die ich investiere. Ich sehe aber an anderen Kollegen, die nicht das Glück wie ich hatten eine Planstelle zu ergattern und als KV mitunter nur relativ wenige Stunden erhalten, trotz großem Engagement und Aufwand wirklich wenig Kohle für ihre Arbeit erhalten. Die Bezahlung an der Schule ist außer in dem „A-System“ meiner Meinung nach viel zu wenig. Die Arbeit als Angestellter ist bedeutend schlechter bezahlt und daher keine wirkliche Alternative zur Verbeamtung und den entsprechenden Bezügen.

    (4) Als ich bei meiner Bank wegen einer Kreditmöglichkeit nachfragte erwähnte der dortige Sachbearbeiter nur ganz beiläufig, dass ich ja jetzt, wo ich regelmäßig mehr als 3000€ (!) im Monat verdiene, ein kostenloses Girokonto mit kostenloser Visa-Karte erhalten könne und ob ich das wolle. Ich habe natürlich ja gesagt. Auch die Tatsache, dass ich mich privat zu meinen eigenen Bedingungen versichern kann, ist nicht zu unterschätzen. Und das habe ich alles zu Beginn meiner Laufbahn als Studienrat mit A13 herausgefunden. Ich bin gespannt, welche Vergünstigungen und Vorteile mir mein Status und meine höhere Gehaltsklasse noch so bereithalten. Man darf hierbei natürlich nicht die Wirkung der relativen Ungleichverteilung von Vermögen vergessen. Obwohl das eigene Einkommen höher ist als bei vielen oder sehr vielen anderen, gibt es trotzdem noch den Teil der Bevölkerung, der mehr hat. Das kann durchaus für negative Emotionen sorgen. Wobei ich hoffentlich zuvor deutlich gemacht habe, dass ich für mehr marktwirtschaftliche Bedingungen im Bildungssystem wäre, da ich hier das Potential besser ausgeschöpft sehe. Aber das ist eine vollkommen andere Diskussion.

    PS: Es sollte von dem Lehrer auch darüber nachgedacht werden, sich an möglichst hohe Stellen des PR zu wenden. In dem von mir beschriebenen Fall wäre eine sehr kurzfristige Versetzung für die Lehrkraft an eine andere Schule auch ziemlich unbürokratisch möglich gewesen. Es wäre gut herauszufinden, welche Möglichkeiten des Selbstschutzes alle für den Kollegen des TE bestehen sollten.


    Gruß Ragnaroek

    Ich bleibe in meinen Ausführungen absichtlich etwas vage und allgemein, um Beteiligte zu schützen.


    Nach meiner Erfahrung ist es in einem solchen Fall unbedingt notwendig, alles zu dokumentieren und Protokolle anzufertigen. Hierbei sollte die Korrespondenz jedoch hauptsächlich über die Schulleitung erfolgen. Der Kollege des TE sollte jedoch auch möglichst alle Schriftstücke auch selbst haben und ordnen. In einem mir bekannten Fall, bei dem ein Elternteil auch eine Art Hetzkampagne gegen eine Lehrkraft gestartet hat, konnte dann aufgrund dieser Dokumentation eine Anzeige (als Privatperson) gegen dieses Elternteil gestellt werden. So konnte tatsächlich erreicht werden, dass dieses Elternteil zumindest zu einer Sachstrafe (Geld) verurteilt wurde. Was in diesem Fall auch sehr wichtig war und in dem vom TE beschriebenen Fall auch gegeben scheint, ist, dass sowohl die Kollegen als auch die Eltern hinter der Lehrkraft standen. Insgesamt hat dieser Fall jedoch beinahe ein halbes Jahr in Anspruch genommen und der Lehrkraft ist es dabei gelungen, trotzdem weiterzuarbeiten und in den meisten Situationen ruhig zu bleiben. Leider kann man manchmal auch nicht viel anderes machen, wenn sich die Dinge so entwickeln sollten, dass sie sich der mittelbaren Kontrolle entziehen. Was der Lehrkraft geholfen hat, war, sich wirklich auf die Dinge zu konzentrieren, die sie direkt unter ihrer Kontrolle hatte. Das war eben hauptsächlich ruhig bleiben, die Arbeit vernünftig weiterführen und Allianzen mit verschiedenen Stellen aufzubauen.


    Leider kann man wohl (zumindest in meinem Bundesland) in so schwierigen Fällen nicht so wirklich auf die Mithilfe und wirkungsvolle Unterstützung durch das RP vertrauen.


    Gruß und viel Kraft

    Ragnaroek

    Liebe Kollegen (aktuelle, künftige und ehemalige),


    seit ca. drei Jahren bin ich nun ein Teil des Systems Schule und habe schon einiges an Höhen und Tiefen erleiden dürfen (müssen). Nicht selten waren während dieser Zeit viele Beiträge auf dieser Seite sehr hilfreich, ermutigend und auch einsichtsvoll. So sehr, dass ich beschlossen habe, mich nun auch aktiv an der Meinungsbildung zum Thema „Schule und allem, was dazu gehört“ zu beteiligen. Ich freue mich auf viele ertragreiche Diskussionen und erhoffe mir hilfreiche Einsichten.


    Ich arbeite zur Zeit an einem Gymnasium in Baden-Württemberg und bin dort in allen Klassenstufen eingesetzt.


    Gruß

    Ragnaroek

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