Soweit die Theorie. Jetzt ist aber das Problem mit dem generischen Maskulinum: Grammatisch mag es per Definition für alle gelten. Und es mag sein, dass sich auch Frauen davon angesprochen fühlen. Viele psycholinguistische Studien zeigen aber: Bei Sätzen, die im generischen Maskulinum formuliert sind, stellen sich die meisten Menschen vor allem Männer vor.
Fragt man etwa Versuchspersonen nach berühmten Musikern oder Schriftstellern, nennen sie signifikant mehr Männer, als wenn nach “Musikerinnen und Musikern” gefragt wird. Ähnliches zeigt sich, wenn politische Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers genannt werden sollen. Noch handfestere Ergebnisse liefern Studien, die mit Reaktionszeit-Messungen arbeiten. Versuchspersonen bekamen dafür verschiedene Satzkombinationen präsentiert, zum Beispiel:
“Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof.”
“Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke.”
Die Frage war dann: Ist der zweite Satz eine sinnvolle Fortsetzung des ersten, ja oder nein? Gemessen wurde die Zeit, bis die Leute “ja” drückten. Über diese Reaktionszeit versuchen Forschende indirekt herauszufinden, wie gut Sprache und die Bilder, die dabei im Kopf entstehen, zusammenpassen.
Das Ergebnis: Die Reaktionszeit war immer dann länger, wenn im zweiten Satz Frauen vorkamen. Die weiblichen Sätze scheinen also irgendwie zu irritieren. So ist das Resümee: Das generische Maskulinum erzeugt eher Bilder von Männern im Kopf.
Das generische Maskulinum ist nicht generisch
Dieser Male-Bias – also dass Wörter im generischen Maskulinum eher männliche Bilder im Kopf erzeugen – gilt nicht nur für Berufe, die stereotyp männlich besetzt sind, wie etwa Physiker. Selbst bei stereotyp weiblich besetzten Berufen wie Kosmetiker, Kassierer oder Tänzer denken Leute in Experimenten eher an Männer.
Das Fazit aus diesen Studien lautet deshalb: Das generische Maskulinum ist nicht generisch, es erzeugt vor allem männliche Bilder im Kopf. Und somit, so die Kritik, stellt es die Welt nicht so divers dar, wie sie heute ist. Seit den 1970er -Jahren gibt es deshalb Diskussionen darüber, dass die Sprache geschlechtergerechter werden muss.
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