Beiträge von philanthropos

    Ich sehe das Problem nach wie vor eher darin, dass viele Ostbundesländer lange Zeit kaum neue Lehrkräfte eingestellt haben. Und wenn doch, sind diese nicht verbeamtet worden. Natürlich ziehen dann gut ausgebildete Akademiker tendentiell lieber weg. Jetzt wird langsam gegengesteuert und dennoch fehlen mir - im Vergleich zu vielen Westbundesländern - Entwicklungsmöglichkeiten im Schuldienst im Sinne von Beförderungsstellen außerhalb der engeren Schulleitung.

    Zum ersten Punkt: Da muss man auch differenzieren. Sachsen hat die Verbeamtung kürzlich eingeführt und neue Stellen en masse ausgeschrieben, aber auch hier zeigte sich erneut, dass die problematischen Bereiche einfach keine Bewerber finden, urbane Bereiche aber überschäumen. So z.B. Bautzen, das sich ja in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert hat und Leipzig, das unendlich viel an Ruhm besitzt. Selbst für diejenigen, die die neuen Chancen nutzen oder Sachsen auserwählen, bleiben große Teile des Freistaates unattraktiv - es kann also nicht nur an den Bedingungen des Landes per se liegen...


    Hallo,


    die Frage liegt mir sehr am Herzen, und die Reaktionen, die dafür bekommen hast, symbolisieren das Problem. Ich bin selbst ein "Ossi" post Wende.

    Ich habe meinen Dienst in West und Ost verrichtet und war immer sehr offen für verschiedene BL. Naiverweise dachte ich auch als Jugendlicher, dass es keine Unterschiede mehr gäbe in Ost und West. Ach, wie naiv ich war. Ich verstehe sehr gut, warum es viele Menschen aus dem Osten wegzieht und nicht mehr hinzieht.


    Eine Sache, die gern vergessen wird, ist der Einfluss, den die alte Generation auf das System hat. Autoritäre Strukturen und Muster sind immer noch verhaftet, und das macht es gerade jüngeren Lehrern, die die Werte der Bundesrepublik gelernt haben und leben wollen, schwierig. Kollegien in der tiefsten Ostprovinz sind hoffnungslos überaltert (natürlich nicht in den urbanen Gegenden). Dort herrschen Diskussionen darüber, wie überlegen EOS und Ost-Abi gewesen seien, wie schlaff es heute sei, hinterrücks wird doch sehr unangenehm über SuS mit Migrationshintergrund gesprochen, und teilweise herrschen noch hierarchische "Benimmregeln" unter Kollegen, die aus der Kaiserzeit stammen könnten. Natürlich werden sich jetzt ältere Kollegen angesprochen fühlen, aber bitte, graue Haare schützen vor Kritik nicht.


    Für ein sehr gutes Angebot bin ich in eine Gegend gezogen, die man als "strukturschwach" im Osten bezeichnen könnte. Es ist tatsächlich so, dass es hier hinsichtlich Infrastruktur etc. gar nicht so schlecht ist und sogar ein zivilisiertes Leben möglich ist. Aber es ist auch eine Gegend, in der CDU und AFD gleich stark sind. Ich glaube, ich kann gerade deswegen etwas mitreden. Jeder fragte mich, warum ich denn in diese Gegend ziehen wolle, ob ich keine Angst habe - jeder. Das Image, wie Du schreibst, ist schlecht. Und das hat Gründe. Ich habe hier sehr nette Menschen gefunden, aber unter der Oberfläche ist es teilweise "tiefbraun".


    Ich denke aber auch, dass es gerade Input von außen braucht, um die Dinge langsam zu ändern. Ich empfinde es als befriedigende Aufgabe, frischen Wind und andere Ansichten zu bringen. Es gibt hier tolle SuS, die sich politisch einsetzen. Es gibt aber auch SuS, die meinen, dass z.B. Black Lives Matter nicht nach Deutschland gehöre uvm., das ich jetzt nicht anführen will.


    Die neuen BL müssen sich ferner der Kritik stellen und nicht empört darauf reagieren, dass das Image schlecht sei. Es gibt da manche, die sich in sich selbst zurückziehen und sich isolieren, von der Landesregierung bis hin zum Kollegium. Gerade Gegenden, die sehr vom rechten Radikalismus/Extremismus betroffen sind, führen oft die Listen der unbesetzten Stellen an.


    Auch liegst du richtig, dass dem Pessimismus ein Ende bereitet werden muss. Es gibt hier Lebensvorteile, die man im Westen nicht bekommt. Aber das sieht man nicht, da eine traumatisierte Generation am Hebel der Macht sitzt: Das Wende-Narrativ lähmt alles. Die Wirtschaftskrise der 90er war hart, keine Frage, aber sie hat keine Bedeutung mehr für SuS, die 2000 geboren wurden. Sie brauchen eine neue Orientierung jenseits von "alles ist schlecht und verloren", "die Außenwelt ist böse" und "früher war alles besser". Es lähmt, es lähmt...

    Doch, doch, darauf ist der Strangersteller - falls ich damit gemeint sein soll - bereits eingegangen. Die Vermutung der Unzufriedenheit äußerte sich sehr rasch nach dem Eingangsbeitrag in Kommentaren, wonach Lehrer gar nicht "reich" wären (also das vehemente Bestreiten, dass man zu den 10% der am besten Verdienenden gehöre und wenn, dann sei das eben noch lange nicht "reich") und eher zu wenig als zu viel verdienen (wobei ich nie sagte, wir verdienten zuviel, das wird mir immer gerne untergeschoben), weil sie ja diese und jene Ausgaben hätten und er kennt sie aus vielen Diskussionen hier seit 2017 (?), in denen Lehrer sich ungerecht bezahlt fühlten, weil andere Akademiker so viel mehr verdienen würden - naja, und nicht zuletzt aus persönlichen Gesprächen mit Kollegen, die immer wieder über mangelnde Wertschätzung klagen und damit aber nur "mehr Geld/Gehalt" meinen.


    Wertschätzung drückt sich für mich nicht nur und überhaupt in "mehr Geld/Gehalt" aus, wenngleich ich auch gerne gut verdiene - und das tue ich ja.

    Hey,


    naja, aus deiner Sicht magst du ja auf das Problem eingegangen sein, indem du dich der "steilen These" bedient hast, du magst dich auch darin bestätigt gesehen haben, dass dies auch so verstanden worden sei. Aber, wie Du schon selbst feststellst, kam es nie über eine Vermutung hinaus. Und das ist das methodische Problem einer Diskussion, die sich sehr stark an der Schuldidaktik orientiert: Eine "steile These" kann zwar als guter Einstieg dienen, aber gerade bei solch einem Thema muss auch damit gerechnet werden, dass es evtl. auch nur als bewusste Provokation verstanden wird - denn alles basiert nun auf Vermutungen über die Motive der These, die Überleitung lässt sich auch nicht so gut in einem Forum herstellen. Ich unterstelle dir nicht, dass du gerade das evozieren wolltest, ich weise nur darauf hin, dass es mich eher irritierte. Dein jetziger Beitrag ist m.E. das wirkliche Eingehen darauf, was du willst - und ehrlich gesagt auch eine bessere Diskussionsgrundlage.


    Ich kenne die Diskussion, dass Lehrer zu viel verdienten, nicht, wie ich auch kaum Kollegen kenne, die so denken. Im Gegenteil stoße ich oft auf Personen, die zwar keine Lehrer sind, die aber doch schon zu wissen glauben, wie viel ich in Wirklichkeit zu verdienen habe - Nachtwärterstaatsliebhaber oder so. Und nun haben wir verschiedene Erfahrungen, und nun?

    Dass Mieten und Immobilienpreise hoch sind, belegt für mich eher, dass dieser Markt kaputt ist. Davon abzuleiten, dass ich zu wenig verdiene, leuchtet mir nicht so ganz ein.


    Das Kinderbeispiel verstehe ich auch nicht. Klar ist das ein harter finanzieller Einschnitt, aber das wäre es für jedes Mittelstandspaar, egal ob Lehrer oder nicht. Das ist eben eine Lebensentscheidung, die man sich “leistet”.


    Genau so, wie jeder für sich selbst entscheiden muss, ob er 1700 Euro für eine Wohnung an Miete zahlen will.

    Hey,


    es geht hier aber nicht um die Mittelschicht, sondern um die Frage, ob man als Lehrer (z.B. A13, verbeamtet, voll) zur Oberschicht gemäß der Berechnungsmodelle gehört. Und da macht es tatsächlich einen Unterschied, wo man lebt. Warum du ableitest, dass man denken könnte, man verdiene zu wenig, erschließt sich mir aber hier noch nicht ganz. Dass das System von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt in einigen Bereichen längst schon abartige Ausmaße angenommen hat, mag wohl unbestritten sein. Ob das System aber kaputt ist, wäre eine interessante Frage.

    Hey,


    na das lässt sich pauschal so nicht sagen. Ein verbeamteter Lehrer in Vollzeit gehört schon eher zum oberen Teil der Einkommenspyramide, wenn das durchschnittliche Nettoeinkommen einer Gegend sehr niedrig ist, so in einigen ostdeutschen Landkreisen, während er sich in den sich verteuernden urbanen Gegenden vermehrt mit gleichrangigen und höheren Einkommen messen muss. Braunschweig z.B. bringt gut bezahlte VWler in die Stadt, München wurde hier schon erwähnt etc.


    Was Strangersteller allerdings bedauerlicherweise nicht sehr deutlich macht, ist die Frage, worauf die Vermutung der Unzufriedenheit basiere - das wäre doch noch eine interessante Frage.

Werbung