Guten Abend zusammen!
In den letzten Wochen habe ich den Weg in dieses schmucke Forum gefunden – und bevor ich meine Fragen stelle und Gedanken hierhin ergieße, wollte ich einfach mal sagen: Ich habe selten ein so nützliches, gut geführtes, detailreiches Forum erlebt wie dieses. Wenn ich überlege, wie viel Zeit und virtuelle Tinte ihr alle in dieses Forum investiert, helft und Fragen aus der Welt schafft, kann ich nur sagen: Hut ab und vielen Dank!
Man könnte fast meinen, hier seien nur Pädagogen unterwegs
Nun zum eigentlichen Thema. Es geht um einen möglichen Karrierewechsel ins Lehramt. Ich bin 32 und arbeite seit 4 Jahren als Dolmetscher und Übersetzer für Englisch und Französisch in einer öffentlichen Behörde, eigentlich auch mit viel Freude. Ich mag es, als „Rampensau“ vor vielen und für viele Menschen zu arbeiten, öfters auch mal wirklich zu „helfen“. Leider aber bisher ohne unbefristeten Vertrag (der gegenwärtige läuft noch bis Juli 2021). Ein unbefristeter Vertrag ist nur über eine Umschulung auf einen büro- und verwaltungslastigen Job im Backend, also ohne viel menschlichen Kontakt, in Sicht. Seit sich diese Situation vor ein paar Monaten herauskristallisiert hat, bin ich zunehmend auf Alternativen- und Sinnsuche.
Und beim Lehramt gelandet. Nicht völlig zufällig, nicht ohne Peilung. Unterrichtet und mit Kindern & Jugendlichen gearbeitet habe ich schon seit meiner Jugend: Nachhilfelehrer, Jugendgruppenleiter, Tennistrainer, zertifizierte Lehrkraft für Deutsch und Englisch als Fremdsprachen mit Berufserfahrung an Sprachschulen. Aber klar: Regelschulen sind ein ganz eigenes Universum, deswegen habe ich mich schon um die ersten freiwilligen Hospitationen gekümmert, was aber wegen Corona noch schleppend verläuft.
Die BL, die für mich in Frage kommen, sind aus privaten Gründen BW und NRW, da meine bessere Hälfte ab Mitte September eine Stelle an einer Berufsschule in Offenburg antritt und ich meine Wurzeln in NRW habe.
Mich überrascht selbst, wie offen ich bei der Wahl der Schulart bin. Nicht zuletzt nach dem Studium eures Forums und der Befragung des NRW-Chancenrechner-Orakels habe ich den Gedanken an das Gym-Lehramt ad acta gelegt. Ich kann mich aber mit dem Gedanken, Sek I oder BK/BS zu unterrichten, sehr gut anfreunden, und bin gespannt auf die Hospitationen. Natürlich stelle ich mir U-Einheiten zu Shakespeare, Weimarer Republik, demographischer Entwicklung und Camus in der Oberstufe herausfordernd und spannend vor. Aber ich bin auch relativ sicher, dass es mich erfüllen kann, Jugendliche zur mittleren Reife zu führen und zwischendrin kleinere Brötchen zu backen oder am beruflichen Gymnasium Erwachsene mit unterschiedlichstem Werdegang auf dem Weg zum (Fach-)Abitur zu begleiten.
Zur Fächerkombi: Englisch und Französisch liegen beruflich nahe, kombinieren würde ich das gern mit einem Sachfach, wo sich aufgrund meines ersten Studiums Geschichte oder SoWi/Politik anbieten, da ich dort bereits ECTS-Punkte gesammelt habe. Einen Seiteneistieg habe ich nämlich nicht vor (sowieso nur in NRW möglich bei meinen Fächern), ich würde nochmal den Weg an die Uni gehen. Ich habe einen schottischen "Magister" in European Studies und einen MA Konferenzdolmetschen, auf die ich aufbauen kann. Zwei Unis haben mir schon signalisiert, dass ich mir fachlich 2-5 BA-Semester anrechnen lassen könnte, je nach Fächerkombi. Idealerweise würde ich dazu Französisch (die meisten ECTS-Punkte) und eins der Sachfächer belegen und Englisch als Drittfach wählen. Und ich weiß, es liegt euch schon auf den Lippen, aber: ein MINT-Lehrer werde ich leider wirklich erst im nächsten Leben … 😉
Zusammengefasst stehe ich vor folgenden Optionen (glaube ich):
1) BW oder NRW: Lehramt Sek I mit Französisch, Ge/SoWi + Englisch studieren.
2) BW oder NRW: Lehramt BK/BS mit Französisch, Ge/SoWi + Englisch studieren (und optional in BW die Zusatzlehrprobe für GyGe draufsetzen)
3) BW oder NRW: Drauf pfeifen, dass ich in Französisch mehr ECTS-Punkte hab, und die Sprachen umdrehen, um sicherzugehen, dass es auch tatsächlich 3 Fächer werden: Englisch, Ge/SoWi + Französisch (dann aber wohl 2 mehr Semester an der Uni verbringen)
4) NRW: Nochmal was völlig Verrücktes tun und für BK eine berufliche Fachrichtung von Grund auf studieren – in meinem Fall wohl Sozialpädagogik an der TU Dortmund (Tübingen in BW liegt leider zu sehr JWD). Kombiniert mit Englisch dann wahrscheinlich.
5) An der Fächerkombi herumschrauben, damit ich evtl. bessere Chancen habe: Philo als Sachfach z. B. (?!?!). Auch Spanisch hätte ich noch in der Hinterhand. Aber da bräuchte ich euren Input (nein, wirklich kein MINT 😉).
und natürlich 6) Den Karrierewechsel abblasen.
So, nach der epischen Ausbreitung habe ich ganz viele kleine Fragen zu den Optionen und auch im Allgemeinen. Ich freue mich über jede Antwort, Bemerkung, Überlegung dazu (und bin sowieso begeistert, falls ihr bis hierhin noch nicht ausgestiegen seid!)!
a) Scheint euch irgendeine der Optionen oben besonders sinnvoll und überzeugend oder sinnlos und verrückt? Zu welcher würdet ihr spontan raten? (und ich weiß, entscheiden kann nur ich 😉)
b) Wie gefragt ist Französisch an Realschulen (+), Gesamtschulen etc. und an BK/BS wirklich? Kommt man damit überhaupt auf viele Stunden? Wird man wegen oder trotz Französisch eingestellt? Speziell an BK/BS: wird außerhalb von beruflichen Gymnasien und speziellen Fachschulen für Fremdsprachenkorrespondenten/Kaufleute etc. überhaupt Französisch unterrichtet? Das erscheint mir trotz Recherche noch nebulös.
c) Würde sich irgend ein BK/eine BS auch nur einen Deut um meine Berufserfahrung scheren? Macht mich das für irgendjemanden bei der Einstellung interessanter, kommt das irgendwie zum Tragen?
d) Für BK NRW: Werden SoWi und Ge zusammen unterrichtet? Kann ich am beruflichen Gymnasium Prüfungen in beiden Fächern bzw. dem Mischfach abnehmen, auch wenn ich nur eins von beidem studiert habe? In BW scheint das ja der Fall zu sein, zumindest laut Aussage der Studienberatung Uni Freiburg.
e) Wie viel attraktiver ist SoWi im Vergleich zu Geschichte?
f) Bringen Ausbildungen im bilingualen Unterricht, wie etwa der MA (bilingual) an der Uni Wuppertal oder das Europalehramt Sek I an den PHs in BW (jeweils eine Sprache + ein Sachfach), einen echten Vorteil bei der Einstellung? Wird bilinguales Unterrichten überhaupt gebraucht, gibt es da eine realistische Möglichkeit, das im Berufsleben auch zu verwenden? Bringt im bilingualen Profil Französisch etwas oder sollte es doch Englisch sein?
g) Wäre es doch eine sinnvolle Idee, auf GyGe zu studieren, um hinterher alle Optionen (Sek I und BK/BS) zumindest relativ offen zu haben?
h) Wie könnte ich meine Fächerkombi pimpen?
Mein Gott, ist das lang geworden. Wie gesagt, schon jetzt Tausend dank für jeglichen Kommentar! Ich bin sehr gespannt.
Gute Nacht und viele Grüße
Scotsman