Hallo ihr Lieben!
Das Forum ist eigentlich für Lehrer gedacht, aber ich schlittere gerade in eine kleine Sinnkrise und will nun andere Sichtweisen kennenlernen. Ich hoffe mein Thread geht in Ordnung – auch wenn ich keine Lehrerin bin.
Eine Bekannte hat letzte Woche ihre Eltern und Freude im Dorf besucht. Es waren zwei nette Tage, zumindest wenn es nicht um berufliche Themen ging. Sie ist nun seit zwei Jahren Grundschullehrerin und ich seit fast fünf Jahren Erzieherin. Sie hat sich viel Frust von der Seele geredet. Unter anderem: Schlechte Bezahlung hinsichtlich der Arbeitsleistung, Inklusion an Schulen, niedriges Niveau der Erstklässler, immer mehr Anforderungen und Erwartungen und so weiter.
Ich wusste ehrlich gesagt nicht, dass die Lehrer so einen anstrengenden Alltag haben. Jedenfalls haben wir uns auch über meinen Beruf ausgetauscht und ich bin/war eigentlich sehr zufrieden. Natürlich gibt es auch negative Seiten: Das Geld könnte mehr sein, ich arbeite 38 Stunden (eher mehr, bin seit zwei Jahren Gruppenleitung), manche Eltern sind wirklich anstrengend und während der Coronazeit hatte ich das Gefühl, als hätte die Gesellschaft uns vergessen. Mund-Nasen-Schutz ist im Kindergarten beschränkt möglich, in der Krippe überhaupt nicht. Wir haben viele ältere Mitarbeiter die zu Risikogruppe zählen und daher auch wenig Personal, aber immer vollere Gruppen. Mit der Notbetreuung ging es noch, aber der Regelbetrieb war dann schon eine knackige Herausforderung.
Aber ansonsten bin ich zufrieden.
Sie hat dann vielleicht aus Frust? meinen Beruf „schlecht geredet“. Anstrengende Arbeit, die aber theoretisch jeder machen könnte, so lang er mit Kindern zurechtkommt. Wenig Fachwissen, schlechte Ausbildung und und und. Sie meinte dann: Es hat schon seinen Grund, wieso die Qualität in den Kindergärten nachlässt und nur der „Bodensatz“ dort arbeitet. Jeder vernünftig denkende Mensch, der im sozialen Bereich arbeiten möchte, würde entweder studieren (Soziale Arbeit, Kindheitspädagogik, Erziehungswissenschaft oder eben Lehramt) oder sich den niedrigen Ansprüchen unterwerfen und unter Wert verkaufen.
Ich musste natürlich erst einmal schlucken. Kindergarten ist seit vielen Jahren nicht mehr nur ein reiner Aufbewahrungsort. Frühkindliche Bildung ist ein zentrales Thema. Aber davon wollte sich nichts hören. Ihrer Ansicht nach kommen immer mehr verhaltensauffällige Kinder in die Schule und viele wären auch nicht „schulreif“. Ob sie das nach zwei Jahren überhaupt einschätzen kann? Aber vielleicht ist das auch eine grundlegende Sichtweise aus dem Studium. Laut ihrer Aussage sind nicht nur die Kindergärten Schuld, sondern auch die Eltern, die Politik und so weiter, aber da die Kinder oft den ganzen Tag im Kindergarten sind, tragen eben auch Erzieher eine gewisse Verantwortung. Bedürfnisorientierte Pädagogik und Ressourcenorientierung ist ja schön gut, aber in der Schule herrschen andere „Regeln“ und die Anpassung daran fällt vielen Schülern schwer, weil sie eben im Kindergarten viel freier lernen und sich ausprobieren können, keine hohen Anforderungen oder Erwartungen erfüllen müssen. Die Vorbereitung auf die Schule scheint ein großes Problem zu sein.
Ihr Fazit: Eine Akademisierung des Berufes. Vor allem mehr Kindheitspädagogen, die sich auch umfangreich mit wissenschaftlichen Hintergründen beschäftigen und entsprechend ihre Arbeit anpassen.
Ich bin echt gefrustet jetzt. Ich dachte bisher, dass wir gute Arbeit leisten. Aber diese Kritik liest man ja doch öfter. Einfach mal googeln. Mir war nicht bewusst, dass so viele Leute ein so schlechtes Bild von „uns“ haben.
Wie ist eure Meinung dazu? Wie findet ihr das Niveau in den Kindergärten? Sind Erzieher wirklich so schlecht qualifiziert? Wie ist eure Erfahrung mit Erstklässlern? Gibt da es große Lücken?
Mit freundlichen Grüßen