Meine Eltern sind beide Lehrer. Mein Bruder ist Erzieher. Ich bin Lehramtsstudentin und leider hält sich meine Begeisterung ebenfalls in Grenzen.
Meine Eltern nutzen ihre Laptops mit veralteter Software von 2012 und 2013 (das sind ihre Privat PCs.). In der Klasse meines Vaters haben von 28 Kindern nur 9 einen Laptop 6 dürfen das Smartphone ihrer Eltern nutzen und der Rest hat gar keine Möglichkeiten zu kommunizieren. Eine Schulplattform gibt es noch gar nicht.
Bei meiner Mutter (Grundschullehrerin) ist es noch heftiger. Sie stellt Aufgaben auf die Schulseite, kann diese aber kaum kontrollieren, weil die Kinder aufgrund ihres jungen Alters gar nicht in der Lage sind per Mail zu kommunizieren. Mittlerweile erstellt sie Videos, auf denen im Hintergrund unser gesamtes Wohnzimmer zu sehen ist (was ich als extremen Eingriff unserer aller Privatsphäre empfinde, was aber nicht anders geht)
Vereinzelt schicken ihr Eltern Fotos der Texte und Aufgaben ihrer Kinder, aber nur zeitversetzt und auch nur wenige, da niicht alle einen Laptop haben.
Meine Eltern sitzen mittlerweile fast rund um die Uhr vorm PC wenn sie nicht zur Präsenz in der Schule sind. Die Arbeitszeiten verschwimmen völlig und sie haben beide ihre kompletten Privatnummern hingeben müssen (obwohl Datenschutz so groß geschrieben wurde).Selbst auf unserer Privatnummer vom Festnetz rufen ständig Eltern an.
Da sich der Server ständig aufhängt kommuniziert mein Vater mit seiner privaten Mailadresse, auf der er normalerweise auch amazon Bestellungen tätigt oder die er für private Zwecke nutzt. Seine whatsapp Nummer hat er gezwungenermaßen auch hingegeben, was zur Folge hat, dass er jetzt über Messengerdienste mit Schülern und Eltern kommuniziert, die sein Profilbild einsehen können.
Privates und berufliches verschwimmt völlig miteinander und kann nicht getrennt werden, weil wir eben auch nicht über 20 Telefonanschlüsse verfügen.
Meine Mutter telefoniert jeden Tag alle ihre Grundschulkinder in der Klasse ab, weil anders keine Kommunikation möglich ist.
Die Schüler schicken meinem Vater Fotos ihrer fotografierten Textausarbeitungen.
Die Planung ändert sich am Tag 3 bis 4 Mal. Die Kinder kommen zeitversetzt zur Schule. Mal Montag und Dienstag. Die Woche drauf Dienstag und Mittwoch. Dan Mittwoch und Donnerstag usw. Wenn ich Mutter eines dieser Kinder wäre und ich müsste arbeiten, würde ich mich bedanken.
Mittlerweile habe ich das Gefühl ich wohne in einem Callcenter und nicht mehr zu Hause.
Von den Regelungen in der Schule (Hygiene) rede ich lieber nicht erst.
Bei meinem Bruder in der Kita ist es noch schlimmer.
Alle Kinder müssen jetzt völlig neu eingewöhnt werden und sind dementsprechend wehleidig. Der Mindestabstand kann vorne und hinten nicht eingehalten werden. Die Eltern geben ihre Kinder vor dem Gebäude ab, was morgendliche Dramen nach wochenlangem Shutdown wohl für selbstverständlich erklärt. Die Kinder halten keinen Mindestabstand und alles läuft extrem chaotisch.
Von meiner Uniorganisation fange ich nicht erst an. Ich gebe wöchentlich 6 Mal irgendwelche sinnlosen Ausarbeitungen ab, die kein Dozent kontrolliert. Ich habe mittlerweile seit Unibeginn über 5000 neue Nachrichten und bekomme am Tag zwischen 12 bis 20, blicke kaum noch durch.
Ich treffe mich mit Gruppenmitgliedern, die ich noch nie gesehen habe. Die Kommunikation klappt überhaupt nicht.
Ständig streikt die Technik.
Wir alle üben mittlerweile nicht mehr unsere ursprünglichen Jobs aus.
Mein Bruder ist mittlerweile eher Putzmann und Hygienebeauftragter als Erzieher. Er wird den Kindern kaum noch gerecht.
Meine Eltern sind eher Callcenteragenten und Krisenmanager.
Wir alle haben Rückenschmerzen und Augenprobleme von der stundenlangen Sitzarbeit vorm PC oder vom Herumtragen der Kinder, die sich nicht an Abstandsregeln halten (mein Bruder)
Die Unterschiede im Bereich Bildung werden sich somit massiv verschärfen.
Ach ja. Die PCs haben meine Eltern natürlich selbst bezahlt. Gleiches gilt für die Telefonanschlüsse und mein Bruder bekommt von seinem Träger keine Hygieneutensilien gestellt.
Da ich davon ausgegangen war, dass ich an einer Präsenzuni bin, ist meine Technik ebenfalls rückschrittlich. Dafür mache ich als Studentin niemandem Vorwürfe, aber ich finde es traurig, dass Kinder, die noch zur Schule gehen und sich keinen Laptop leisten können von vornherein nicht in den Genuss von Bildung kommen und alles von den Eltern abhängt, die jetzt wo sie froh sind, endlich wieder (wenn auch in Kurzarbeit) arbeiten zu können nach Feierabend noch stundenlang Fotos von Texten zu machen und diese kopieren und verschicken zu müssen.