Also: Große 4000-Kilometer-Tour im Jahr 2019. Viele Flüsse, darunter die Ruhr, der Vennbahnradweg, Luxembourg, die Saar, das Elsass mit Straßbourg und dem Rhein-Marne-Rhone-Kanal, die Mosel, ein Stück Rhein, der Main, die sächsische Saale, die Elbe, Ostfriesland (*palim zuwink*), die Ems und dann zurück in OWL. So sollte es sein.
Es war ein superheißer Tag. Der heißeste Tag des Jahres. Gefühlt. Ich rollte flog von Strasbourg am Rhein-Rhone-Kanal entlang. Abends wollte ich in Mulhouse sein. In Neuf-Brisach machte ich halt. Nette Garnisonsstadt. Vor der Stadt war ein Intermarche Super. Ich sehe ihn noch vor mir. Auch den Parkplatz. Denn den habe ich 2 Stunden später Millimeter für Millimeter abgesucht.
Ich machte Halt, holte was zu Essen, zu trinken. Dann fuhr ich weiter. 20 km später hielt ich an einem Bäcker an, nahm mein Portemonnaie .... Nein, wollte mein Portemonnaie nehmen. Es war weg. Ich wusste genau, wo ich es zuletzt hatte. Neuf-Brisach, am Intermarche Super.
- Hatte ich es dort verloren?
- Hatte ich es auf mein Rackpack gelegt und unterwegs verloren?
Zügig aber kontrolliert fuhr ich die Strecke zurück. Mulhouse war mir egal. Notfalls musste ich mein Zelt an der Straße aufbauen. Irgendwo. Auf dem Weg fand ich es nicht. Kein Grund zur Panik.
Ich kam am Supermarkt an. Sprach an der Info. Die Frau dort ging nach hinten, in einen 2. Raum. Kam zurück. Schüttelte den Kopf. Kein Portemonnaie.
Aber - kein Grund zur Panik.
Ich suchte den Parkplatz ab. Die Mülltonnen. Nichts. Aber: Kein Grund zur Panik.
Ich fuhr zur Gendarmerie. Gab eine Meldung auf. Gefunden worden war nichts. Aber: kein Grund zur Panik.
Ich fuhr zum Supermarkt zurück, ging noch einmal zur Info. Gab dort meine Adresse, meine Handynummer an.
Dann telefonierte ich kurz mit zu Hause und mit meinen Eltern.
Aus Sicherheitsgründen fuhr ich noch einmal zurück zum Bäcker. Aber immer noch: nichts lag auf dem Weg.
Weiterhin kein Grund zur Panik. Ich fuhr schließlich auf Sicht. Mein weiterer Weg war schnell klar. Ich musste rüber auf die deutsche Rheinseite und zu einem Bahnhof. Von dort nach Hause. Denn ohne Portemonnaie, Visa-Karte, Ausweis .... keine Chance. Ich konnte nicht weiter.
Vom Bäcker aus ging es daher nach Mülheim auf der deutschen Rheinseite. Dort war ein Bahnhof. An einer Tankstelle probierte ich das erste mal in meinem Leben GooglePay aus. Ich musste schließlich irgendwie zahlen und wollte mal testen, wie das so ging. Es ging.
Ich fuhr weiter zum Bahnhof. Der nächste sinnvolle Zug nach Freiburg ging am nächsten Morgen. (Nachts um 22 Uhr wäre auch noch einer gefahren. Aber ich wollte nicht in Freiburg auf dem Bahnhof herumlungern.)
Also blieb ich in Mülheim am Bahnhof stehen. Bis es mir ein wenig unheimlich wurde und ich zur Tankstelle zurückfuhr. Die hatten einen Trucker-Ruhe-Sitzeraum. Dort machte ich es mir mit meinem Rad bequem. Morgens ging es wieder zurück zum Bahnhof.
Eine RB kam, die Schaffner waren sehr nett und nahmen mich mit, nachdem ich ihnen meine Situation erklärt hatte.
Bis Freiburg hatte ich auch schon eine passende Verbindung nach Hause. Aber das Zugticket konnte ich (ich glaube wegen des Rads) in der App nicht buchen. Am Bahnhof nahm man auch GooglePay nicht an. (Ist die DB inzwischen weiter?) ich suchte eine Möglichkeit, GooglePay in Bargeld umzuwandeln, recherchierte im Netz. Es gab damals ein paar Läden, die angeblich Geld auszahlen würden. Aber in der Umgebung des Bahnhofs hatte ich keinen Erfolg.
Zurück am Bahnhof fand ich ein junges Ehepaar mit Kind. ich überwies vor Ihren Augen per Handy 100 € auf ihr Konto und sie gaben mir die 100 €. Zugticket war gerettet. So saß ich im Zug.
Hätte das nicht geklappt, hätte ich noch irgendeine Lösung finden können. Seit dem Abend schon stand mein Handy kaum still. Per whatsapp, per Facebook, per Messenger kamen Hilfsangebote rein. Ein ehemaliger Schüler, damals gerade in Australien, meldete sich und schickte mir die Adresse eine guten Freundin in Freiburg. Eine Bekannte aus dem Lehrerforum meldete sich und überlegte, ob man irgendwie beim "nach hause kommen" helfen können. Genial.
Wäre das das Ende der Reise gewesen - es wäre dadurch (durch die Unterstützung) ein schönes Ende gewesen.
Aber: Ich saß nun aber im Zug, Freiburg, Frankfurt, Kassel. Kurz vor Kassel ging der Zug kaputt und wir wurden in einen vorbeifahrenden ICE gepackt. Mein Fahrrad stand in der 1. Klasse mitten im Gang. )
Von Kassel ging es weiter nach OWL. Ich war noch nicht zu Hause, da klingelte mein Handy. Mein Französisch reichte gerade aus, um herauszufinden, was man mir mitteilen wollte. Mein Portremonnaie war im Supermarkt aufgetaucht.
Zurück zu Hause half mir eine weitere Userin hier im Forum mit ihren Französisch-Kenntnissen. (Danke!!!!) Sie organisierte alles, damit ich am Samstag (am Donnerstag war ich von Freiburg aus zurück nach OWL gefahren) in Neuf-Brisach mein Portemonnaie wieder abholen konnte.
Ich stand übrigens dann dort an der Info-Theke im Supermarkt, meldete mich bei der Mitarbeiterin und sie griff in eine Schublade links von ihr, wo die Fundsachen lagen und gab mir mein Portemonaise. Es war alles noch da.
Die Reise ging also weiter. Gute 3000 Km wollten noch gefahren werden.
So viel zu: was ging alles schief.
Und im ernst: jedes Mal wenn Freitags Nachmittag eine Mail vom Ministerium kommt, grinse ich und denke an das Portemonnaie. Volle Fahrt voraus ... auf Sicht.