@ Lehrerseb
Ich kann Meikes Aussagen nur unterschreiben.
Auch ich habe - nach dem Lehramtsstudium und vor dem Referendariat - lange Jahre hauptberuflich in der "freien Wirtschaft" gearbeitet, sowohl einige Jahre fest angestellt als auch einige Jahre selbstständig.
Ich bin deshalb doch noch ins Referendariat, weil ich im alten Job die Sinnkrise hatte, nicht aus Sicherheitsgründen oder Arbeitszeitgründen. Ich wollte endlich etwas wirklich Sinnvolles tun und bereue deshalb meine Entscheidung nicht, obwohl der Lehrerjob bedeutend anstrengender ist, als alles, was ich zuvor gemacht habe (und da waren schon einige sehr anstrengende Dinge dabei, u.a. z.B. Vollzeittätigkeit in einer Werbeagentur, um nur eine Sache zu nennen, die dafür bekannt ist, dass man dort Höllenarbeitszeiten hat).
Im Vergleich zu dem, was ich jetzt tue, war das (für mich!) ein lockerer Job. Warum?
Weil
- ich mehrmals pro Woche tatsächlich Feierabend hatte und abschalten konnte
- ich häufiger mal ein freies Wochenende hatte
- ich immer dann zur Toilette konnte, wenn ich mal musste
- ich etwas trinken konnte, wenn ich Durst hatte
- ich etwas (zuende) essen konnte, wenn ich Hunger hatte
- ich Lob vom Kunden bekam, wenn ich meinen Job gut gemacht hatte
- dringende Arbeit während einer Krankheit von Kollegen übernommen wurde
- ich in meinen Pausen nicht auch noch die Aufsichtspflicht über eine Horde Halbwüchsiger hatte
- nicht ständig 30 Leute gleichzeitig etwas von mir "wollten"
- es selbstverständlich war, dass man einen Schreibtisch im Büro hatte, der Arbeitgeber das Arbeitsmaterial bezahlt hat und der Drucker in der Regel funktioniert hat und wenn nicht, konnte man das schnell in Ordnung bringen (lassen), man also kurzum überhaupt in die Lage versetzt wurde, seinen Job anständig machen zu können
- man in halbwegs sauberen Räumen arbeiten konnte
- die Kunden einem nicht jede Erkältung und Grippe ins Gesicht genießt haben
- man mit Kunden zu tun hatte, die die Leistung auch tatsächlich haben wollten, für die sie bezahlt hatten
- man nicht alle 45 Minuten mit seinem gesamten Arbeitsmaterial den Raum wechseln musste (meist über mehrere Stockwerke und danach wieder zurück)
- man keine Kunden hatte, die der Meinung waren, man hätte doch so viel Urlaub, obwohl man den "Urlaub" durchkorrigiert, äh, gearbeitet hat
- man keine nächtelangen Korrekturen hatte....
Also kurzum:
Meiner Meinung nach bist du auf dem besten Weg, vom Regen in die Traufe zu kommen. In meinen Zeiten in der Werbeagentur hatte ich Arbeitzeiten von ca. 60 Stunden pro Woche, im Durchschnitt gesehen.
Da liege ich jetzt bei Weitem drüber. Und ich mache den Job schon ein paar Jahre. Doppelstunden sind eine Seltenheit, auch bei uns. Parallelklassen hatte ich ab und an mal, der Entlastungseffekt war gering, da die Klassen einfach zu unterschiedlich waren.
Nach meinem Eindruck unterschätzt du die tatsächliche Arbeitsbelastung eines Gymnasiallehrers massiv. Korrekturen, Konferenzen, Elterngespräche, Protokolle, Aufsichten, Vertretungen, schwierige Schüler usw. - das alles kommt in deinen Überlegungen nicht vor.
Das klingt jetzt vielleicht sehr hart, aber ich habe an meiner Schule in den letzten Jahren schon viele Aushilfslehrer und Seiteneinsteiger erlebt, die aus der freien Wirtschaft kamen und allesamt (ja, es gab leider nicht eine Ausnahme) nach kürzester Zeit das Handtuch geschmissen haben, bzw. mit Pauken und Trompeten untergegangen sind. Für die meisten waren natürlich die "blöden, unerzogenen" Schüler daran schuld, die auf schlecht vorbereiteten Unterricht entsprechend reagiert haben und deren Eltern irgendwann Sturm gelaufen sind. Manche haben selbst die Notbremse gezogen, bei manchen ist die Notbremse gezogen worden.
Zudem solltest du dir auch bewusst machen, dass es durchaus auch eine Belastung darstellt, wenn man extrem hohe Arbeitzeiten hat, auch gesundheitlich auf dem Zahnfleisch geht, und einem alle Welt erzählt, dass man doch über den eigenen Halbtagsjob bei Vollzeitbezahlung und so vielen Ferien glücklich sein kann. Wenn einem Beziehungspartner verlassen, weil es doch nicht sein kann, dass man als Lehrer so viel arbeitet, das macht doch sonst keiner, dann ist das ebenfalls keine Seltenheit.
Die Burnout-Raten im Lehrerjob sind extrem hoch. Wenn ein Fußballnationaltorwart unter Depressionen leidet, spricht ganz Deutschland davon, dass im Spitzensport zu viel Druck und unerfüllbare Erwartungshaltung herrscht. Wenn unzählige Lehrer das Pensionsalter aufgrund von Burnout, psychosomatischen Erkrankungen und/oder Depressionen nicht im Dienst erreichen, dann liegt das aber daran, dass die Lehrer ja allesamt ungeeignet sind. Bei denen liegt es selbstverständlich nicht an den Rahmenbedingungen, denn jeder Mensch weiß ja, was für einen lockeren Job wir alle haben. Da muss man natürlich nichts ändern, sondern kann weiter in der Öffentlichkeit alle Lehrer als Deppen hinstellen.
So. Das klingt jetzt so, als wäre ich sehr frustriert. Ich bin es nicht. Ich liebe meinen Job, weil ich einfach saugerne mit Jugendlichen arbeite. Das mochte ich schon in meiner Zeit in der ehrenamtlichen Jugendarbeit. Womit ich in der Tat schwer klarkomme, ist das öffentliche Bild meines Berufes und den damit verbundenen Fehleinschätzungen. Mein größter Wunsche wäre es, dass das, was ich tue, endlich mal von der Öffentlichkeit realistisch wahrgenommen wird und ich mir nicht ständig erzählen lassen muss, dass sie doch genau weiß, wie wenig Arbeit ich doch habe, obwohl es kaum machbar ist, ohne dabei gesundheitlich auf der Strecke zu bleiben. Da braucht man ein hohes Maß an Eigenmotivation, eine feste Überzeugung, warum man seinen Job trotzdem gern macht.
Deshalb kann ich nur nochmals das wiederholen, was zuvor gesagt wurde: Wenn du gerne mit Jugendlichen arbeitest, dann werde Lehrer und kündige den bisherigen Job. Ansonsten lasse -dir zuliebe und auch den Schülern zuliebe- lieber die Finger davon.
So, und jetzt gehe ich mal wieder an meine Korrekturen. Grundkurs 13, danach Leistungskurs 12, vielleicht schaffe ich auch noch die anderen beiden Klassenarbeiten in den "Ferien"....