Zur Klärung:
Es geht in diesem Artikel um die Abschaffung von Noten in einer Pro-Contra-Darstellung, Herrmann übernimmt den Contra-Part.
Zur eigentlichen Frage von kaeferchen:
Es geht im zitierten Abschnitt zuerst um die ursprüngliche Ausrichtung von Noten (Information für Schulleitung und Schulaufsicht über den Leistungsstand der Schüler der betreffenden Schule).
Anschließend wird das bayerische System (4-Augen-Prinzip) sehr kurz dargestellt.
Mit "kollegiumsinterner Gegenkontrolle" ist gemeint, dass es (zumindest an bayerischen Gymnasien, für die anderen Schulformen weiß ich es nicht aus eigener Erfahrung) für jedes Fach je nach Schulgröße einen oder mehrere Fachbetreuer gibt, die die schriftlichen Leistungserhebungen stichprobenweise oder vollständig gegenkorrigieren und damit gewährleisten sollen, dass einheitlich korrigiert und benotet wird (sowohl innerhalb einer Klasse, als auch klassenübergreifend).
Konkret läuft das so ab: Man schreibt eine Klassenarbeit, korrigiert sie, gibt sie an die Klasse heraus, die darf die Arbeit eine Woche behalten und muss sie anschließend wieder abgeben (deshalb gibt es auch in Bayern keine Klassenarbeitshefte, weil alle Klassenarbeiten auf Dokumentenpapier geschrieben werden, damit die Archivstapel nicht zu groß werden). Der Lehrer leitet die Klassenarbeit komplett mit Angabenblatt, Zensurenliste, gegebenenfalls Punkteverteilung, Erwartungshorizont usw. geordnet an die Schulleitung weiter. Die Schulleitung wiederum leitet die Klassenarbeit an den jeweiligen Fachbetreuer weiter, dieser korrigiert gegen und führt anschließend ein Gespräch mit dem Lehrer über seine Korrektur, kritisiert wenn die Aufgabenstellung zu leicht, die Noten zu gut oder die übersehenen Fehler zu zahlreich sind. Der Fachbetreuer hat zwar derzeit keine direkte Weisungsbefugnis, dies soll sich aber in Zukunft ändern.
Gleichwohl dient der Bericht, den der Fachbetreuer über die Korrektur an die Schulleitung weiterleitet, als Grundlage für Beurteilungen und ist damit für den Lehrer durchaus kein "Firlefanz".
Damit gibt es in Bayern also nicht nur im Abitur einen "Zweitkorrektor", sondern eben schon in jeder Jahrgangsstufe bei allen schriftlichen Leistungserhebungen. Fächer ohne Klassenarbeiten schreiben sogenannte Stegreifaufgaben, für die das gleiche Prinzip gilt.
Die schriftlichen Leistungserhebungen müssen übrigens aufbewahrt werden, da auch die Fachbetreuer wiederum durch den Ministerialbeauftragten kontrolliert werden können, der wiederum dafür sorgt, dass an allen Schulen seines Bezirkes einheitlich korrigiert wird (und einheitliche Anforderungen gestellt werden).
Herrmann will also in seiner Aussage darauf hinweisen, dass die Note als Beurteilungsform nicht nur eine Vergleichbarkeit der Schüler ermöglicht, sondern auch eine Vergleichbarkeit der Lehrer, wenn eben durch eine übergeordnete Instanz darauf geachtet wird, dass einheitlich bewertet wird. Dass es also keine Kollegen gibt [geben sollte!], die Noten verschenken und den Schüler denken lassen, er sei sehr gut, beim nächsten Lehrer dann aber das böse Erwachen kommt. (Habe ich allerdings durchaus auch schon erlebt, z.B. bei Schülern, die in der 11.ten eine schlechte Zwei im Zeugnis hatten, das Fach als Leistungskurs wählten und dann schriftlich bestensfalls noch 5 Punkte bekamen - trotz der angeblich ach so einheitlichen Standards!)
Das hört sich in der Theorie zwar auch alles ganz nachvollziehbar an, in der Praxis ist es nach meiner Erfahrung dennoch so, dass es auch bei der bayerischen Notengebung einen pädagogischen Spielraum gibt, der insbesondere ältere Kollegen, die nicht mehr befördert werden wollen/können, dazu bringt, auf Kritik der Fachbetreuung wenig zu geben und weiterhin die Notengebung so zu gestalten, wie sie es für richtig halten.
Derzeit beneide ich diese Kollegen, da ich selbst von der Fachbetreuung immer wieder kritisiert werde, weil ich angeblich zu schülerfreundlich bewerte oder zu leichte Aufgaben stelle.
Außerdem wird meines Erachtens nach bei dieser ganzen "Einheitlichkeits-Diskussion" übersehen, dass die Voraussetzungen, die die Schüler mitbringen, eben auch sehr unterschiedlich sind. Schulen mit hohem Migratenanteil müssen sich in landesweiten Tests mit Schulen messen, deren Klientel ausschließlich aus "höheren Töchtern und Söhnen" besteht. Anschließend wird letztgenannte Schule öffentlich für ihre tolle Qualität gelobt und erstgenannte Schule muss mit Schulleitung und Fachbetreuung im Ministerium Rechenschaft über das eigene Versagen ablegen. Das nimmt zum Teil wirklich groteske Züge an, erhöht den Druck auf Lehrer und Schüler und führt letzten Endes zu einem Mehr an Resignation bei beiden, anstatt dass man sich mal Gedanken darüber machen würde, wie man den entsprechenden Schulen helfen kann.
So - ich hoffe, dass ich zur Klärung beitragen konnte.