Ich versuche noch einmal meine Meinung zu erklären und warum ich eine verbindliche Grundschulempfehlung wie wir sie früher hatten, wichtig finde.
Ich unterrichte seit vielen Jahren bewusst Mathe und Naturphänomene in der Unterstufe (als Ausgleich zu meinen vielen Chemiekursen) und ich merke seit vielen Jahren (seitdem sie bei uns nicht mehr verbindlich ist) immer, wer welche Empfehlung hat. Erfahren, ob mein Eindruck stimmt, tue ich frühestens in der pädagogischen Konferenz (nach einem Vierteljahr) oder bei den Notenkonferenzen zum Halbjahr (unsere SL teilt von sich aus anfangs nicht mit, wer welche Empfehlung hat, erst wenn wir uns entsprechend äußern. Später fragt sie schon konkret nach Schülern).
Woran liegt es?
Sicher nicht an den Noten. Gerade in Mathe üben manche Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern extrem und lernen das Einmaleins (nicht nur das kleine) usw. auswendig. Das reicht in Klasse 5 normalerweise für die Note 3. Aber es fehlt jedes Verständnis, es fehlt an logischem Denken, es fehlt an Problemlösen, die Kinder können den Unterricht nicht folgen. (Ich weiß nicht genau wie ich es erklären soll, sie lernen z. B. Textaufgaben auswendig, verwenden abwechselnd bestimmte Rechenzeichen, verstehen aber nicht, was sie tun, auch wenn ich es erkläre bzw. nachfrage.) Diese Eltern erzählen mir manchmal, dass ihr Kind entgegen der Empfehlung doch für das Gymnasium geeignet sei (weil Note 3) und ich denke nein und habe spätestens in Klasse 7 recht. (Und bevor der Vorwurf aufkommt, ich bin für jedes Kind da, solange es bei uns ist, bin jederzeit bereit, auch nach der 6. Stunde noch einmal grundlegendes zu erklären. Mir tun einfach die Kinder leid, die sich so bemühen und dann doch nur 5 schreiben. Wir hatten schon Kinder, die richtig krank wurden.)
Wir haben in unseren Einzugsbereich sehr verschiedene Grundschulen mit sehr verschiedener Klientel. Und nein, ich stelle da keinen Unterschied der Empfehlungen fest, das dachte ich früher auch, es stimmt aber (bei uns) nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass das es jährlich Gespräche zwischen LehrerINNEn der Grundschulen und weiterführenden Schulen gab, solange die Empfehlung verbindlich war.
Eine Aufnahmeprüfung (auch genannt) halte ich für kontraproduktiv. Ein nervöses Kind versagt, ein anderes wird auf die Prüfung gedrillt. Es ist nur eine Momentaufnahme, die Genauigkeit vorspiegelt und viel weniger aussagekräftig ist als der Eindruck aus dem Unterricht.
Es gibt sicher Grenzfälle. Meine Schwester hat sich bewusst bei einem ihrer Kinder für die Realschule entschieden, damit das Selbstbewusstsein durch Erfolgserlebnisse wächst. Dank beruflichen Gymnasien ist der Zug doch nicht abgefahren. Meine Nichte hat erfolgreich Abitur gemacht halt ein Jahr später als ihre Zwillingsschwester (G9 statt G8).
Ich wundere mich, warum einige hier meinen, sie könnten nach Erprobungsphase nicht entscheiden. Liegt es am Fach (meine Musikkollegin fällt es anfangs auch schwer, Mathe- und FremdsprachkollegINNen dagegen nicht)? Liegt es am Schultyp? Mir fiel ein, dass es an meiner 1. Schule (Gesamtschule) mir auch noch schwer fiel (wenig Erfahrung, wenig gute Schülerinnen und Schüler und die paar mussten sich nicht anstrengen, zeigten ihre Leistung nicht).
Ich sehe halt jedes Jahr wie Kinder mit der falschen Empfehlung bei uns scheitern. Manchmal sehen es Eltern ein und suchen rechtzeitig eine neue Schule. Das Kind muss trotzdem nach Misserfolgen neue Freunde in einer bestehenden Klasse finden. Oft sind aber gewünschte Schulen voll und das Kind muss auf eine andere. (Das 30 Kinder mitten im Schuljahr kommen, um eine neue Klasse zu öffnen, passiert dann doch selten und die Lehrer fehlen mitten im Jahr auch. Nach den Sommerferien wechseln noch mehr, so dass viele Schulen auch dann (bei einigen) ablehnen müssen. Und ab Klasse 9 (und bei 10 Schuljahren dank zweimaliger Wiederholung) wird ein Wechsel (in der Praxis) unmöglich. Die anderen Schulen lehnen ab.
Kurz, die Grundschulempfehlungen stimmen bei uns, Eltern fehlt oft der Vergleich und denken, mit lernen ist das Abitur immer zu schaffen, die Kinder leiden, obwohl auch noch später Abitur (ohne allgemeinbildendes Gymnasium) möglich wäre.