Um hier vielleicht noch meine persönlichen Erfahrungen noch zu ergänzen, weil ich den Eindruck habe, dass ihr ein bisschen aneinander vorbeiredet: meiner persönlichen Einschätzung nach sind die allermeisten Studierenden bereit, ihren Beitrag in der Pandemie zu leisten, sich impfen zu lassen (für meine Hochschule: 94% Impfquote bei den Studierenden) und in kritischen Phasen online studieren, das kriegen wir hin und ist natürlich absolut richtig und selbstverständlich.
Aber: Seit Pandemiebeginn (und da kann ich detailliert nur für meine Uni/ Bundesland sprechen, aber in anderen Unis/ BL sieht es ähnlich aus) haben wir exakt sechs Wochen in Präsenz studieren dürfen und haben ansonsten ausschließlich online studiert. Die mangelnde digitale Infrastruktur (Server etc.) hat im ersten Jahr die Politik nicht interessiert, genauso wenig, wie irgendwelche Vorbereitungen um in Zukunft die Unis sicherer zu machen und Präsenz zumindest perspektivisch oder teilweise im Blick zu haben. Das ist unserem Ministerpräsidenten dann nach über einem Jahr im Mai 2021 auch endlich mal aufgefallen und er hat sich immerhin für sein "Wahrnehmungsdefizit" (Zitat) entschuldigt. Zum jetzigen Semester wurden dann großartig ein Präsenzsemester angekündigt, für das nur leider kaum Vorbereitungen getroffen wurden. Luftfilter existieren genauso rudimentär wie an den Schulen, die einzige Schutzmaßnahme in fenster- und lüftungslosen Hörsälen war 3G und ein Hygienekonzept, das sehr viel Flächendesinfektion, aber keinen Schutz vor Aerosolen beinhaltete. Ungeimpfte Studierende mussten die Tests selbst finanzieren, was zu vielen gefälschten Test- und Impfnachweisen geführt hat, aber wenig Sicherheit brachte. Long story short: nach sechs Wochen wurde vom Land 2G eingeführt, um die Mär vom Präsenzsemester aufrechterhalten zu können. De facto finden aber seither wieder mit sehr vereinzelten Ausnahmen alle Lehrveranstaltungen in Onlineform statt, wobei mittlerweile zumindest Moodle nicht mehr ständig zusammenbricht und viele Dozierende sich on the job nebenher digitale Didaktik drauf geschafft haben.
Ich selbst bin in der Risikogruppe, geboostert, und trotzdem froh, dass ich jetzt gerade nicht in Präsenz in der Uni sitzen muss. Aber dass man uns Studierende auch in den Sommersemestern bzw. entspannteren Phasen maximal ignoriert hat, unseren nicht-EU-Kommiliton:innen trotzdem die irre hohen Studiengebühren aufbürdet, die finanziellen Hilfen nur dann möglich waren, wenn man drei Monate in Folge so wenig Geld auf seinem Konto hatte, dass es nicht mal für die Miete gereicht hätte, Uni-Bibliotheken monatelang zu waren und nicht mal Geld für eBook-Lizenzen zur Verfügung gestellt wurde, hat mittlerweile schon für ziemlichen Frust bei vielen Studierenden gesorgt. Da hat sich einfach viel angesammelt in den letzten Monaten. Und das Gefühl, als billige Aufsichtsperson bei geteilten Klassen im Wechsel- und Distanzunterricht gut genug gewesen zu sein (gab eine "Aufwandsentschädigung" für Ehrenamt, dann muss man nämlich nicht mal Mindestlohn zahlen) aber trotzdem von der Politik überhaupt nicht gesehen zu werden, ist schon ziemlich desillusionierend. Gleichzeitig kann seit mehreren Semestern nicht mehr im normalen Umfang studiert werden - dafür wird zwar die BAföG-Regelstudienzeit regelmäßig um ein Semester verlängert, damit man länger BAföG beziehen kann, aber sein Studium halbwegs normal abschließen kann man trotzdem nicht.
TL;DR: In meinem Umfeld sind Studierende zum allergrößten Teil sehr solidarisch, engagieren sich und sind neutral bis dankbar, dass es (zeitweise) Onlinestudium gibt. Dennoch ist der Frust in den vergangenen Monaten massiv gestiegen, weil selbst einfache Maßnahmen zur Unterstützung/ Ermöglichung des Studiums unterlassen wurden und auch keine Besserung in Sicht zu sein scheint.
Viele Grüße, JoyfulJay