Silvester war für meine Mutter auch ein Trigger. Erzählt wurden bei uns nur wenige Erinnerungsbilder, geweint nie, es gab stattdessen Suizid auf Raten.
Eine ganze Generation wahrscheinlich nicht, aber du siehst ja, wie hoch der Anteil derjenigen allein in dieser Gruppe ist, die mit dem Threadtitel etwas anfangen können. Das trifft auf andere Länder sicher auch zu. Was speziell deutsch ist: Dass unsere Eltern auch aus Täterfamilien stammen. Der Nazi-Opa ist nicht nur unrühmlich, je nach schwere der Schuld macht das Enkel heute noch fertig.
Die Geschichten wie hier wiederholen sich: Der Großvater, der aus russischer Kriegsgefangenschaft traumatisiert heimkam. Manche haben nachts geschrien vor Alpträumen, waren jähzornig, unsere Eltern schon Schulkinder, die plötzlich nicht mehr "Partner der Mutter" waren, sondern sich diesem abgemagerten Wrack gegenübersahen, der sich mit "ich bin dein Vater" vorstellte, herrisch wurde aber nicht mehr arbeiten konnte. Flucht, Vertreibung, sexueller Missbrauch haben viele Mütter und Großmütter erlebt.
Dass Traumata transgenerational weitergegeben werden weiß man noch nicht allzu lange. Übrigens nicht nur durch verkorkste Erziehung sondern auch durch Vererbung. Viele Kinder der Kriegskinder haben mit Beziehungsabbrüchen und Jobwechseln zu kämpfen, schaffen es nicht, Karriere zu machen, manche ziehen immer wieder um, Suchtprobleme, Panikattacken, Alpträume von Feuer, oder Flucht, obwohl man die selbst nicht erlebt hat... Naja, aber alles in allem geben wir ja unser Bestes.
Ich kann übrigens den Kriegsenkel e.V. empfehlen. Ist ja aktuell auch nichts mit Treffen, aber generell sehr spannend.