Mein Tipp an dich ist auch zu hospitieren. Setz dich rein in Berufsschulen, Realschulen, Gemeinschaftsschulen und ans Gymnasium. Wird ja bald hoffentlich wieder unkomplizierter möglich sein.
So erhältst du in jedem Fall einen guten ersten Eindruck. Ich bin Quereinsteigerin (habe BWL studiert) und habe das auch gemacht vor meiner Entscheidung. Die ich übrigens bisher noch keine Sekunde bereut habe. Und bei mir war es sogar "umgekehrt": Ich hatte einen riesen Respekt vor der Berufsschule mit dem "so schwierigen" Klientel. Und muss jetzt sagen, dass es genau das ist, was mich am meisten reizt. Und ich hatte auch Angst davor. Ich bin aus der "freien Wirtschaft", wo ich einen "todsicheren Job" hatte gewechselt. Ich habe den Sinn in meiner Tätigkeit einfach nicht gesehen. Jetzt sehe ich ihn. Am Ende des Schuljahres hat mir die Klassensprecherin der BFII (die in Teilen auch das enthält, was als "schwieriges Klientel" bezeichnet wird) eine Mail geschrieben, in der sie sich für meine Arbeit bedankt. Einer der schwächsten Schüler der Klasse hat es leider nicht gepackt. Und ich habe mich total gefreut, dass der jetzt die BF II wiederholt und eben nicht "irgendwie rumgammelt" und "irgendwas jobbt". Und ich hoffe, ich behalte ihn als Schüler in der BFII, die ich wieder bekomme. Damit ich direkt ein Auge auf ihn haben kann. Klar, in der Klasse gab es auch Rüpel, Schüler, die nichts lernen wollten und nur gestört haben. Es gab aber auch die anderen - und selbst wenn es nur wenige sind, für diese lohnt es sich, jeden Morgen aufzustehen und denen was beizubringen. Und ICH empfinde es als Herausforderung, das bei eher leistungsschwächeren Schülern zu tun. Die "Störer" hatte ich zum Ende hin gar nicht mehr bemerkt, bzw. da waren die anderen Schüler und Schülerinnen schon so weit, dass sie denen gesagt haben, sie sollten doch gleich lieber zu Hause bleiben, wenn sie keinen Bock auf Schule haben.
In der "freien Wirtschaft" hatte ich nicht nervige Schüler, ich hatte manchmal nervige Kunden. Sehr nervige Kunden - und die sind nicht nach einem Jahr weg gewesen. Und die konnte ich nicht irgendwie disziplinieren. Da musste ich dauerhaft nett und freundlich sein - der Kunde ist IMMER König. DAS ist anstrengend.
In jedem Job gibt es Dinge, die einem nicht gefallen. Am Lehrersein stört mich - wie wahrscheinlich alle - das Korrigieren. Daher bin ich froh, dass ich nicht zwei korrekturintensive Fächer habe, sondern nur eines mit Deutsch. Aber im Vergleich zu meinem vorherigen Job überwiegen die Vorteile. Die übrigens bei mir nicht darin liegen, dass ich "nebenbei" ganz gut Geld verdienen kann. Ich hab mich auch vorher nie finanziell abhängig von meinem Mann gemacht. Wozu ich im übrigen keiner Frau mehr raten würde heute.
Ich habe jetzt (gerade im Ref) deutlich mehr Arbeit als in meinem Halbtagsjob in der freien Wirtschaft vorher. Und werde es höchstwahrscheinlich danach auch haben. Um Geld ging und geht es bei mir auch nicht. Aber um eine Sinnhaftigkeit meines Tuns, die ich endlich habe und spüre. Und das hatte ich vorher so nicht. Und dass ich diese Chance noch einmal gekriegt habe, dafür bin ich dankbar.
Als ich zur Entscheidungsfindung hospitiert hatte, ging es nicht so weit, dass ich gesehen habe, dass mich auch "schwierige Schüler" nicht abschrecken würden. Ich habe aber - recht schnell - gemerkt, dass ich mir gut vorstellen konnte, "da vorne" zu stehen. Es ist ein Gefühl, dass du hast oder eben nicht hast.