Wer verbeamtet ist, sollte nicht sein Bruttogehalt mit anderen Bruttogehältern, sondern sein Nettogehalt mit anderen Nettogehältern vergleichen. (War, meine ich, im Ausgangspost auch so)
Ich habe einige Kolleg*innen, die sich sehr regelmäßig beschweren, dass wir viel zu wenig verdienen und es in der Wirtschaft ja so viel mehr gäbe. Mein Güte, sollen sie in die Wirtschaft gehen, wenn es da so viel besser ist.
Natürlich bezahlen wir relativ viel selbst, und ja, von unserem Nettogehalt geht noch die Krankenkasse runter. Dafür sind aber viele von uns doch eher günstig privat krankenversichert. Viele von uns werden später mal eine Pension bekommen, die vermutlich deutlich über dem Renteniveau liegen wird. Niemand von uns (mit Planstelle) musste wegen der Coronakrise um seinen Job fürchten. Wir müssen uns nicht mit unserern Kollegen darum streiten wer wann Urlaub hat (ja, Nachteil Urlaub ist in den Sommerferien teurer, ich weiß), insgesamt haben wir relativ viel freie Zeiteinteilung. Und, das ist aber vielleicht nicht für alle wichtig, war für mich bei der Berufswahl aber durchaus ausschlaggebend: Ich schmeiße mit meiner Arbeit keinem Großkonzern immer mehr Geld in den Rachen, welches der an Steuer vorbeischleusen kann, sondern übe aus meiner Sicht einen Beruf aus, der wichtig für die Gesellschaft ist.
(Natürlich kann man argumentieren: Aber wir schmeißen Verlagen, dem angebissenen Apfel und sonst wem alles Geld zu, weil wir deren Produkte kaufen und unsere Schüler später für genau diese Großkonzerne arbeiten, aber das find ich ein bisschen übertrieben)
Allgemein denke ich, kommt es hier auch auf die Perspektive an: Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und ich habe meine Familie nie als arm empfunden (waren wir auch nicht). Meine Eltern mussten für unsere jährlichen Urlaube sparen, für meine Auslandsaufenthalte war ich selbst verantwortlich, das jüngerer Geschwisterkind und ich hatten keine Markenklamotten. Dafür war ich in der städtischen Musikschule und im lokalen Sportverein. Bei letzterem gab es einen Familienrabatt, also hat mein Bruder dort Fußball gespielt, wo ich getanzt habe. Große Talente waren wir da beide nicht, darum war das auch völlig egal, in welchem Verein wir waren.
Wenn ich das, was meine Eltern hatten und uns geboten haben und was ich nie als "arm" bezeichnen würde mit dem vergleiche, was mein Mann und ich heute haben und unserem Kind bieten können, dann sind wir nicht nur reich, wir sind steinreich. Ich kann mir keinen Porsche leisten, den will ich aber auch nicht. Wir müssen für Urlaube nicht sparen. Wir können privaten Musikunterricht nehmen. Letztes Jahr hatte mein Rechner einen Kurzschluss, da habe ich drei Stunden später einen neuen bestellt, obwohl ich einen gut funktionierenden Laptop habe (aber halt lieber am Desktop arbeite). Ich habe ein iPad und dachte "ein Surface wäre besser", also habe ich mir ein Surface gekauft. Natürlich habe ich mich selbst gefragt, ob das jetzt notwendig war, es war aber keine finanzielle Frage. Diese Liste geht endlos weiter.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Natürlich empfinde ich es als ungerecht, dass ich eine ganze Menge Arbeitsmaterialien selber kaufen muss und es gäbe sicher auch noch eine ganze Liste an weiteren Apsekten, die verbessert werden müssten. Aber global gesehen, finde ich, können wir uns nicht beschweren.