Alles anzeigenHallo zusammen,
ich arbeite seit kurzem als verbeamteter Lehrer in Süden unseres Landes.
Über Bekannte habe ich mitbekommen, was die Lehrer in der Schweiz verdienen und dass das System dort viel liberaler ist. So ist es wohl ohne Probleme möglich ein halbes Deputat zu unterrichten und dafür das gleiche Geld rauszubekommen wie in D bei vollem Deputat. Von meiner Stadt aus wäre es auch kein Probelm täglich zu pendeln. Auch, dass man mal ein paar Monate frei macht, um zB zu reisen, sei wohl dort wohl ohne Weiteres möglich. Meine Fächerkombination ist auch so gefragt, dass ich realistische Chancen habe. Mir ist klar, dass die Bedingungen und das Gehalt je nach Kanton unterschiedlich sind. Aber wenn ich lese, dass man als erfahrener Lehrer in Zürich bis zu 150.000€ pro Jahr verdient, dann ist das schon ne Ansage...
Klar, dort wäre man nicht mehr verbeamtet. Aber es würde wohl einige andere Vorteile mit sich bringen...
Jetzt meine Fragen:
Welche Vor- und Nachteile bringt der Lehrerjob als Deutscher in der Schweiz mit sich?
Ist der Einstieg als in D ausgebildeter Lehrer möglich?
Wahrscheinlich hat man es als Deutscher in ländlich geprägten Gegenden schwer als Lehrer?! In der Regel sind wir dort ja nicht sonderlich beliebt
Ich weiss, das sind jetzt viele Fragen. Aber es wäre nett, wenn jemand Antworten parat hätte
MFG
Hallo an alle,
ich arbeite seit ein paar Jahren in der Schweiz und teile gerne meine Erfahrungen mit allen, die sie interessieren.
Ja, als Lehrer in der Schweiz kann man viel Geld verdienen, das stimmt. Allerdings:
1) Gesucht werden Primarschullehrer und Sekundarschullehrer, keine Gymnasiallehrer. Grundschullehrer dürften relativ unkompliziert eine Stelle finden, Sekundarschullehrer allerdings nicht, denn Schweizer Lehrer sind "allgemein" ausgebildet, d.h. sie können 5 oder mehr Fächer unterrichten, deutsche Lehrer hingegen in der Regel nur 2-3. Deswegen wird man kaum Stellen finden für "nur" 2-3 Fächer.
An Gymnasien gibt es unglaublich viel Konkurrenz, vor allem in beliebten Fächern. Wie immer gilt: Als Mathelehrer hat man vielleicht eher Glück als als Deutschlehrer.
Der Schnitt für eine Bewerbung als Deutschlehrer an Gymnasien sind 80 Mitbewerber. Es ist quasi unmöglich, den Fuß in die Tür zu kriegen.
2) Oft werden nur Teilzeit-Stellen ausgeschrieben
3) Je mehr man verdient desto mehr Steuern werden wieder abgezogen. Es bleibt in der Regel bei 100 % ein Gehalt von ca. 6000 CHF netto. Gleichzeitig muss man mit Lebenshaltungskosten für eine Person von 3500 CHF rechnen, wenn man normal lebt, d.h. eine 3-Zimmer-Wohnung hat und Miete, Versicherungen etc. bezahlt. Bleiben also mit Glück 2000 CHF, die man sparen könnte (sofern man tatsächlich das Glück hat, eine 100 %-Stelle zu finden)
4) Grenzgänger werden doppelt besteuert, d.h. zuerst in der Schweiz und auf das Übriggebliebene dann in Deutschland. Man macht damit einen kleinen Gewinn, aber man wird nicht "reich"
5) Man ist kein "Beamter", d.h. man ist auch nach Jahren mit nur 3-monatiger Kündigungsfrist kündbar
6) Familien mit Kindern oder Menschen, die Kinder planen, sollten sich das gut überlegen. Die Kinderbetreuung für 2 Kinder "frisst" schnell ein Monatsgehalt einer Person und es gibt keine Elternzeit, nur 3 Monate Mutterschutz. Danach muss man wieder arbeiten und das Kind fremd betreuen oder unbezahlten Urlaub machen und die 3500 CHF monatlich vom Ersparten bezahlen. Väter erhalten nur 2 Tage "Vaterschaftsurlaub". Ein Witz.
7) Alles Soziale: Fast alle Deutsche, die ich gefragt habe, und meine eigene Erfahrung bestätigen mir: Es ist sehr schwer, hier als Deutsche/r "anzukommen" und Freunde zu finden. Wer es nicht glaubt, ist eingeladen, es selbst zu probieren. Man rennt oft gegen die "Glaswand", es bleibt eine "Grenze" zwischen Schweizern und Deutschen. Das frustriert. Man sollte Schweizerdeutsch unbedingt mindestens verstehen lernen, sonst hat man es schwer. Im Lehrerzimmer wird man nie ganz dazugehören. Schweizer haben oft Hemmungen, Hochdeutsch zu sprechen und fühlen sich minderwertig. Das ganze Thema ist sehr verkrampft.
Rentenleistungen sind zwar gut und fraglos besser als in Deutschland, werden aber (meines Wissens) auch doppelt besteuert, sobald man als Rentner von der Schweiz nach Deutschland zurückgeht. Wie man es auch dreht und wendet: Es gibt keinen Sack Geld
Ich hoffe, das konnte helfen. Viel Glück allen, die es probieren wollen! Die Schweiz ist ein schönes Land, aber kein leichtes.