(...)Was mich im Bereich der Schulsozialarbeit allerdings stört ist die bereits angesprochene Kuschelpädagogikhaltung, die es im Lehramt nicht derart extrem gibt. Da ist das Nähe- Distanzverhältnis größer. Klar ist ein ressourcenorientiertes Verhalten wichtig und richtig, aber Kinder dauerhaft für Dinge in den Himmel zu loben, die selbstverständlich sind, sehe ich als sehr kritisch und damit hatte ich echte Probleme. ...)
...) Das wäre für einen Lehrer gar nicht realisierbar. Wenn der sich duzen lässt, ist die Sache gelaufen. Als Sozialarbeiter hast du das Ziel tragfähige Beziehungen zu entwickeln. Das machst du als Sozi natürlich nicht, indem du bestrafst, sondern sehr stärkenorientiert arbeitest. Wir schauen auf das, was da ist, nicht auf das, was nicht da ist.
Dass man nicht lobt als Lehrer, hast du missverstanden. Aber man arbeitet leistungsbezogener und konzentriert sich nicht so stark auf die Stärken.
(...)
Ich habe rund 15 Jahre in der außerschulischen Bildungsarbeit auf dem Buckel, mit Kindern, Erwachsenen, mit Migrationshintergrund, schwerst Mehrfachbehinderten- der gemeinsame Nenner war und ist auch jetzt im Ref, dass man mit Lob, Wertschätzung und Anerkennung von eben gerade nicht Selbstverständlichem (zumindest für DIESES Kind in DIESER Situation an DIESEM Tag) fast alle Menschen erreichen und etwas bewirken kann. Gerade Kinder erfahren viel zu selten ehrliche, stärkenorientierte Rückmeldung im Rahmen belastbarer Beziehungen, bei denen sie gerade nicht nur auf Fehlverhalten reduziert werden menschlich und nicht nur als "Leistungsapparate" zu funktionieren haben. Tragfähige Beziehungen zu entwickeln ist die Basis guter Erziehungsarbeit (=Kerngeschäft eines Lehrers), Stärkenorientierung eine natürliche Folge, ebenso wie das Loben erwünschten Verhaltens mehr Raum einnimmt, als das Herausstellen und Strafen unerwünschten Verhaltens. Defizitorientierte Ansätze gibt es natürlich in der Pädagogik, glücklicherweise verlieren diese aber an Rückhalt.
Zumindest bei mir am Seminar könntest du mit Aussagen wie den hier von dir getätigten in Pädagogik nicht punkten oder gar ein 2.Staatsexamen bestehen. Auch wenn dir natürlich noch ein Lehramtsstudium fehlt, würde ich mir da von einer Sozialpädagogin mit ersten Berufserfahrungen mehr kritische Selbstreflexion erwarten.
Ganz nebenbei ist Autorität keine Frage von Duzen oder Siezen; das sind letztlich Äußerlichkeiten. Bis auf eine Klasse, die derartige Gepflogenheiten gerade noch lernen muss, könnte ich mich von allen meinen Schülern problemlos duzen lassen wäre das an unserer Schule (oder im deutschen Schulsystem) so üblich. Das mag mein Urgroßvater der Schulmeister war anders gesehen haben, das ist aber eben auch schon ein halbes Jahrhundert her und die Pädagogik hat seitdem dazugelernt.
Es erfordert eine grenzenlose Selbstaufgabe, die ich nicht mehr bereit bin aufzubringen. Eigener PKW mit dem man die Klienten von A nach B fährt, Überstunden, fehlende Supervision und Nachbetreuung von Fällen, hohe Selbstaufgabe mit dem Dauerargument, man würde den Job nicht wegen des Geldes ausüben.(...)
Das sind nicht die einzigen Gründe, aus denen ich das Arbeitsfeld wechseln will. Vor allem macht es mir Spaß mein Wissen zu teilen. Ich liebe es pädagogisch zu arbeiten, Kinder beim Wissenserwerb zu unterstützen, sie bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten zu begleiten und mit ihnen gemeinsam durch Höhen und Tiefen zu gehen. Ich liebe Englisch, ich liebe die pädagogische Arbeit und ich mag es mein erworbenes Wissen weiter zu geben und zu teilen und man sagt mir, ich habe Nerven aus Stahl und bin sehr geduldig. Wenn man es sich mit mir versaut, muss man schon viel Mist gebaut haben. Und all das kann ich als Lehrerin verwirklichen.
Hmm also in dem ersten Absatz findet man bei genauer Lektüre doch einige Hinweise, die wahlweise auch den Schuldienst beschreiben könnten (wobei man da bei Beamten im Regelfall nicht von Überstunden spricht, sondern einfach nur von einem Beamten der sich mit ganzer Kraft und Hingabe seinem Beruf widmet, um seine staatliche Alimentation zu rechtfertigen ). Grenzenlose Selbstaufgabe ist in keinem Beruf eine gesunde Wahl, gibt es aber auch im Schuldienst (oder anderen sozialen Berufen) vielfach, was gerade bei Menschen mit hohem Selbstanspruch ("Perfektionismus") und hoher intrinsischer Motivation das Risiko eines Burnout birgt. Gesunde Selbstabgrenzung muss man deshalb in all diesen Berufen lernen. Natürlich üben wir alle unseren Beruf auch des Geldes wegen aus (ganz gleich, ob wir Sozialarbeiter, Lehrer, Ärzte oder Altenpfleger sind), aber alle sozialen Berufe verlangen einem so viel ab, das es weiterer Motivation bedarf um den Beruf bis 70 schülerorientiert ausüben zu können.
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Wenn Lehramt dein Weg ist, dann gehst du ihn, egal, was wir dir hier rückmelden. Versuch aber den Weg hin zum Schuldienst mit dafür zu verwenden an deinen teilweise noch problematischen Haltungen zu arbeiten und -Lehrerkind hin oder her- weniger Selbstverständlichkeiten und Gewissheiten im Beruf zu suchen, als Fragen und einen immer wieder auch ergebnisoffenen Weg (was man aushalten lernen muss). Wenn du Glück hast im Leben, dann schenkt dir jede Antwort wenigstens eine neue Frage, damit du dich weiterentwickeln kannst als Mensch, wie auch als Lehrer. Gerade die arbeitsträchtigeren L-S-Beziehungen (mit verhaltenskreativen Schülern, Dauerschwänzern, eklektischen Mitschreibern, Erstellern eliptischer Texte, Sprechern vieler Zungen nur selten einer der gerade vorherrschenden Unterrichtssprachen,...), gerade diese Beziehungen schenken mir zumindest oft die nachhaltigsten Fragen, die berührendsten Antworten und erlauben es mir immer wieder aufs Neue die Welt nicht ganz selbstverständlich zu sehen, sondern mit den Augen "meiner" 10-16jährigen "Kinder".