Grauzonen gibt es in der Arbeit mit Menschen meines Erachtens immer, weil eben nicht alles vorhersehbar ist und auch LehrerInnen nicht alles wissen, bzw. umsetzen können, was sie wissen und auch Lehrpläne und die Uni nicht alles abdecken können... Es gibt Dinge, die man in der Auseinandersetzung mit einer Situation lernen muss, sich aber dennoch stückweit vorbereiten kann, wenn man absehen kann, was die Knackpunkte sein könnten (das versuche ich gerade). Zudem sind Grenzen häufig fließend und wenn man auf einem Gebiet Neuland betritt, könnte es passieren, dass man z.B. die Grenzen der eigenen Zuständigkeit über- oder unterschreitet --> beispielsweise in Überforderungssituationen von LehrerInnen…
Was ist denn z.B., wenn ein traumatisiertes Kind immer wieder in Wutphasen gerät, in denen es z.B. Gegenstände zerstört und andere Kinder oder sich selbst gefährdet, obwohl es die Regeln kennt? Holt ihr euch da immer wieder die Sozialarbeiterin oder Kollegen zur Hilfe? Wie versucht ihr, abgesehen von interdisziplinären Maßnahmen, Regeln und Strukturen zu intervenieren? Und wie verändert ihr die Situation langfristig (insbesondere, wenn ergriffene Maßnahmen nicht fruchten)?
Ist es da nicht besonders schwer das Gleichgewicht zwischen Distanz und Empathie, zwischen Überforderung und Selbstschutz zu wahren? Und dem betroffenen Kind weiterhin so gegenüberzutreten, wie den anderen Kindern?
Dein Interesse ist großartig Caroli, aber die Fragen die du stellst sind viel zu hypothetisch, um am Ende konkrete Lösungen für Situationen finden zu können die dir sagen wir in 5 Jahren einmal begegenen könnten. Dir fehlt völlig nachvollziehbarerweise noch einiges an Wissen aus dem Studium und Ref, aber vor allem auch die praktische Berufserfahrung ab dem Ref, die über ein Praktikum hinausgeht. Das macht es nachvollziehbar, warum du selbst noch keine Lösungen für solche Situationen kennst, warum es dir so schwer zu fallen scheint zu akzeptieren, dass am Ende der Umgang mit geflüchteten Kindern weder per se eine besondere Herausforderung sein muss, noch eine größere Herausforderung sein müsste, als der Umgang mit anderen Kindern der eigenen Klasse, von denen eben auch manche verhaltensauffällig sind, manche traumtisiert sein könnten, manche zuhause vernachlässigt werden, manche liebevolle und aufmerksame Eltern haben, manche Deutsch als Fremdsprache lernen oder als Zweitsprache haben und und und.
So schwer dir das fällt momentan: Akzeptier, dass du erst noch eine Wissens-und Erfahrungsbasis sammeln musst, um zunächst mal von der Idee wegkommen zu können Flüchtlingskinder hätten per se riesige Probleme in der Schule, wären per se eine andere Herausforderung, als der Umgang mit anderen verhaltensauffälligen oder belasteten Kindern deiner Klassen, wären per se traumatisiert und vor allem von dem Aktionismus, den ich deinen Nachfragen ein Stück weit entnehme, die immer wieder deutlich machen, dass dir noch das Bewusstsein fehlt für gesunde Grenzen, die man als Lehrer im Umgang finden muss um selbst gesund bleiben zu können, um tatsächlich helfen zu können, um Mitleid nicht mit Mitgefühl und Empathie zu verwechseln. Wenn du dir sowohl diese Haltung erarbeitet hast, als auch durch Studium und Referendariat notwendiges Wissen in Theorie und Praxis erarbeitet hast (inklusive rechtlicher Regelungen deines Bundeslandes), dann wirst du sehen gibt es erheblich weniger "Grauzonen" (die ich weniger als Grauzonen bezeichnen würde, als als Bereiche, mit einem gewissen Entscheidungsspielraum, um nach einer möglichst professionellen Abwägung eine adäquate Lösung für das betroffene Kind, die Mitschüler, den eigenen Unterricht zu finden- eine Lösung passt niemals für alle Varianten einer Situation) als dir das gerade erscheint mangels Wissen und professioneller Haltung.
Wenn du in einem folgenden Praktikum oder im Ref konkreten Situationen begegnest für die du vom Erfahrungsschatz des Forums profitieren willst, wirst du nicht nur hilfreiche Antworten bekommen, sondern mit diesen auch etwas anfangen können. Bis dahin sind deine Nachfragen zu hypothetisch um für dich irgendwann einmal zielführend sein zu können oder auch um jetzt die Fragezeichen auflösen zu können die du mangels Berufspraxis noch nicht auflösen kannst in dir und zu denen du auch noch keine professionellen Haltungen entwickeln kannst, die erforderlich wären, um deine Fragen tatsächlich aufzulösen.