(...)Eben doch. Die Frage, ob es Religionsunterricht an staatlichen Schulen geben soll, ist sehr wohl in dem Kontext dessen, was Religion ist, was sie ausmacht, welcher Erscheinungen sie hervorbringen, wie sie sich in die Gesellschaft einbringen zu beantworten.
Da Religionen inhaltlich keinerlei Erkenntnisse zu bieten haben, sehe ich eben auch nicht, dass sie etwas zu leifern, was des Unterrichtens wert ist.(...)
Da machst du es dir aber gerade sehr einfach. Wären Religionen derart unsinnig, würden sie nicht in allen Gesellschaften in der einen oder anderen Weise entstehen und eine gewisse Relevanz entfalten. Allein schon dieser Umstand an sich reicht aus, um sich mit Religionen als gesellschaftliches und philosophisches Phänomen auseinanderzusetzen, ganz gleich, wie man am Ende persönlich zu einer oder auch sämtlichen Reliogionen stehen mag. Zu wissen, wie die Religion die die jeweilige Gesellschaft vorrangig geprägt hat "tickt" hilft ganz ungemein, um bis heute fortbestehende historisch bedingte gesamtgesellschaftliche Besonderheiten erkennen und einordnen zu können.
Ich habe fast 10 Jahre lang Bildungsarbeit im Bereich der interkulturellen Arbeit gemacht. Die Mehrheit der Familien mit denen ich zusammengearbeitet habe sind Muslime. Ich kann mich an keine Arbeitswoche aus diesen 10 Jahren entsinnen, in denen ich den Kindern und Jugendlichen nicht in der einen oder anderen Weise etwas über das Christentum, christliche Gebräuche, Rituale oder auch politischen Einfluss als Folge bestimmter historischer Verwicklungen erklären musste, weil die dahinter stehende Religion den Kindern so unfassbar fremd war, sie so komplett anders sozialisiert waren, als das bei vielen von uns hier im Forum der Fall gewesen sein dürfte, dass z.B. manche Texte im Geschichtsunterricht quasi unverständliches Kauderwelsch darstellten.
Ich bin mir nicht sicher, was ich persönlich von konfessionellem Religionsunterricht an der Schule halten soll. Bedenkt man aber, wieviele junge Menschen sich religiös radikalisieren lassen, weil die religiöse Unterweisung neben dem Elternhaus lediglich staatlich nicht weiter kontrollierte religiöse Unterweisung in Kirchen, Moscheen, Tempeln aller Art umfasst, finde ich hat das deutsche System, das eben gerade nicht laizistisch ist durchaus seine Vorteile. Ich fände es tatsächlich begrüßenswert, wenn die auch in BW bestehenden Modellversuche für Islamunterricht ebenso in ein Regelangebot überführt werden würden, wie ein alternatives verpflichtendes Ethikangebot für alle SuS, die an keinem der konfessionellen Angebote der Schule teilnehmen möchten. Manche SuS wird man nämlich ganz sicher nicht mit einem überkonfessionellen Ethik- oder Philosophieunterricht erreichen, evtl.aber durchaus als Religionslehrkraft der eigenen Konfession erreichen können und ggf.auch eine beginnende Radikalisierung frühzeitig aufdecken können.