Beiträge von Conni

    Könnt ihr das bestätigen?

    Nein. Im Gegenteil. Die Anträge werden immer schwieriger, komplizierter und länger. Der IQ, der nötig ist für "Lernen" oder "GE" wurde um 5 Punkte nach unten gesetzt. "Emotional-soziale Entwicklung" wird nur noch bei Selbst- oder Fremdgefährdung vergeben.

    Inzwischen ist der Bereich von 80 - 84 zumindest wieder ein Graubereich, in dem wieder "Lernen" vergeben werden kann, wenn zu Hause niemand ist, der mit dem Kind so viel übt, dass es den Mindeststandard so einigermaßen erreicht und wenn die Lehrkraft entsprechend bettelt und tagelang Ausführungen schreibt. Ich habe vor 2 Jahren für ein Kind aus desolaten Verhältnissen, das in Klasse 3 den Zahlenraum bis 10 nicht sicher erfasst hatte und kaum schreiben konnte, massiv gebettelt. Die Beratungslehrkraft war dann der Meinung, das das Kind innerhalb von 2 Jahren wieder in den Regelschullehrplan hineingeführt werden könnte - ohne zusätzliche Ressourcen.


    An meiner alten Schule wurden die Ressourcen gedeckelt, sodass pro Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Durchschnitt 0,8 Stunden zur Verfügung standen. Und auch mit höheren Hürden wurden es nicht weniger Kinder mit einem IQ im Bereich "Lernen".

    Abgesehen davon, dass es nervig ist, sagt die Arbeitssicherheit, dass das ein ausgesprochen schlechter Standort ist. Abgesehen von den Partikeln kommt es zu einer Erhöhung der Ozonkonzentration.

    Tja, wo sollen die Besprechungen stattfinden? Flur? Schulhof? Hausmeisterraum im Keller? Kleine Besprechungen (max. 4 Leute) finden im Schulleiterzimmer statt, mehr Platz ist da aber auch nicht.

    Ich weiß nicht, wie bei euch die Schulen aussehen. Bei uns kann man sich durchaus mal für das Korrigieren ins Lehrerzimmer setzen, ich muss auch immer mal wieder kopieren oder etwas laminieren. Dann müssen mal Materialien für die kommenden Stunden gesucht werden oder man hat ein Gespräch mit Kollegen. Ich mag natürlich auch keine Freistunden aber man kann sich durchaus in der Zeit beschäftigen. Notfalls setze ich mich mit einem Stapel Hefte, Mappe oder was immer ins Lehrerzimmer und korrigieren. Oder halt mit einem Laptop.

    Bei uns: Kopierraum = Besprechungsraum. Wenn Besprachung, Schulhilfekonferenz, Erweiterte Schulleitung --> kein Kopieren möglich.

    Materialien: Bei mir zu Hause im großen Arbeitszimmer.

    Laptop: WLAN im Lehrerzimmer nicht funktionsfähig. PCs gibt es nur in den Computerräumen, die dauerhaft belegt sind und wo einfach keine funktionierenden PCs übrig sind.

    Mit einem Stapel Hefte muss ich bereits Sachen von Kolleginnen beiseiteräumen, weil mein Platz am Tisch nicht für Stapel + aufgeschlagenes Arbeitsheft reicht - falls ich noch einen Platz habe und der nicht von jemand anderem okkupiert wurde.

    Alternativen: Privates Buch lesen, zum Bäcker gehen und Kuchen essen, Tests und Klassenarbeiten nicht mehr digital erstellen und drucken, sondern per Hand. In meiner Anfangszeit haben Kolleg:innen damit noch gearbeitet und das hat auch unter den heutigen Arbeitsbedingungen durchaus noch Vorteile. Wenn man sehr schlau ist, organisiert man sich die Pläne von Turnhalle und NaWi-Raum, dann weiß man nämlich, welche Klasse Fachunterricht hat und kann einen Klassenraum nutzen. Dann ist wenigstens genug Platz für die Arbeitsheftstapel auf dem Tisch und ich muss die schief singende Lebenskundelehrerin nicht ertragen.

    Selbstständiges Arbeiten: muss geübt und gelernt werden und war in den Kontexten, in denen ich es angewendet habe (Grundschule, 1. bis 3. Klasse, 25 bis 28 Kinder pro Klasse), massiv anstrengend: Differenzierte Pläne vorbereiten, jede Seite kontrollieren (und zwar nicht während der "Lernzeit"), denn während der Lernzeit gibt es permanent eine lange Schlange an Kindern, die Unterstützung braucht: Einmal das Normale, was man eh schon nebenbei mitmacht: Bleistift abgebrochen, Anspitzer funktioniert nicht, weil Mine drinsteckt (nein, kriegen Erstklässler nicht alleine raus, auch Drittklässler nicht unbedingt blutfrei), Tintenroller läuft aus, Wasserflasche umgekippt, Bein gestellt, Schultasche von anderem Kind zu lange angeguckt, Sachen weggenommen, etwas nicht verstanden, Bestätigungswünsche... Dann die Dinge, die durch das individuelle Lernen dazukommen: "Ich weiß nicht, was ich machen soll.", Aufgabenstellung nicht verstanden, die muss mit vielen Kindern einzeln geklärt werden, weil die individuell sind, viele Kinder fühlten sich zumindest in meinen Einzugsgebieten nicht genug gesehen, wenn sie individuell lernen sollten (und zwar Erstklässler, die gar keine andere Variante gelernt hatten) und kamen dadurch ständig an und wollten Aufmerksamkeit. Dann gibt es statt einer Schlange mit permanent 10 bis 20 Kindern halt die Klammern, die nach und nach abgearbeitet werden. In der Zeit können manche nicht weitermachen, weil sie eine Erwachsene bräuchten, die zu ihnen geht, sie darin bestärkt, eine andere Aufgabe zu nehmen. Die Erwachsene ist aber mit den anderen Kindern beschäftigt. Es kommt bei freieren Lernformen auch zu mehr Streit und Zwischenfällen. (Fragt nicht nach der Reihenfolge der Klammern.) Es dauert, bis das etabliert ist. Und dann sitzt man halt abends und am Wochenende und kontrolliert, um zu wissen, wo der Stand der Kinder ist, welches die nächsten Schritte sein könnten und so weiter. Wenn noch Kinder mit speziellen Bedürfnissen dazwischensitzen und mitbetreut werden müssen, wird es noch schwieriger.


    Das braucht Jahre, bis es etabliert ist. Die Selbstständigkeit, wie sie in der SekI da ist, haben die Kleinen einfach nicht.


    An meiner jetzigen Schule läuft es mit 22 bis 26 Kindern in der Klasse 1/2 besser. Allerdings ist es so, dass es dort keine Individualisierung der Pläne gibt, alle machen das gleiche und wer am Ende der 2. Klasse nicht ganz fertig ist, geht trotzdem in die 3. und hat dann ggf. einen Teil der Themen nicht geübt. (Einführungen gibt es trotzdem frontal, die Lernpläne werden in maximal 2 Stunden täglich bearbeitet.) Wer nicht dauerhaft arbeitet, wird durchaus mal angesprochen, aber es geht halt nur manchmal, weil auch bei uns die Lehrkraft immer eine Schlange aus mehreren Kindern bei sich hat. "Tja, dann machen die halt nichts, sie gehen ja trotzdem weiter in die 3. Klasse."

    In meiner letzten 3. Klasse war individuelles Lernen nur mit einer zweiten Erwachsenen drin überhaupt einigermaßen zu händeln, da es permanent zu Gewalt kam. Ich war nach diesen Stunden so fertig (Lärm, Unruhe, ADHS und Migräne bei mir), dass ich damit nach ein paar Wochen wieder aufgehört habe, ich wäre sonst krank geworden.


    D.h. individuelle Lernformen würde ich in der Grundschule nur als sinnvoll ansehen, wenn es Eltern, Praktikanten, Ehrenamtliche... gäbe, die dabei sind und unterstützen und auch am Nachmittag dabei sind, um die Aufgaben zu kontrollieren, die durch die vermehrt zu betreuende Schülerzahl dazukommen. Alternativ den Eltern direkt sagen, dass nur punktuell kontrolliert wird und das an der kompletten Schule so durchziehen, um die noch vorhandenen Kolleginnen nicht noch mehr zu verschleißen.


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    Eine zweite Variante, die es in Berlin gibt, ist Folgende: Die Stundendauer wird von 45 auf 40 min gekürzt. Dadurch stehen mehr Lehrerstunden zur Verfügung, d.h. jede Lehrkraft muss mehr Stunden unterrichten, hat ggf. mehr Lerngruppen, mehr Elternbetreuung etc. Andererseits stehen mehr Stunden zur Verfügung, um die Stundentafel abzudecken. Das ist offiziell auch so erlaubt, die 5 min machen offiziell keine großen Wissensverluste aus.

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