Erziehung in der Grundschule ist eine langwierige Arbeit und das geht nicht von heute auf morgen.
Dem kann ich mich nur anschließen. Besonders wichtig ist es dabei immer konsequent zu bleiben. Mir ging es am Anfang meines Referendariats so, dass ich unter Zeitdruck (man möchte den Lernstoff ja schaffen) oder wenn ich die Geduld verlor, gegen den Lärm angeredet habe. Doch das bringt niemanden etwas. Es kostet anfangs einfach viel Zeit und Kraft die Klasse zu erziehen, was sich später aber auszahlt.
Leider gibt es Schulen, in denen es keinen Rückhalt seitens der Schulleitung oder des Kollegiums gibt. Dort wirst du nicht glücklich werden. Dennoch schadet es nicht Fachlehrer, die die Klasse kennen, um Rat zu bitten. Vielleicht kannst du auch mal in deren Unterricht hospitieren oder sie bei dir?
Hier noch ein paar Ideen von mir, von denen du sicher schon viele selber kennst und ausprobiert hast:
- Du könntest die Sitzordnung und die Sozialformen verändern. Eine frontale Sitzordnung bis sich die Situation in der Klasse verbessert hat, ist sicherlich sinnvoll. Beim Lehrer-Schüler-Gespräch bieten sich Sitzkreis oder Kinositz an, weil die Kinder hierbei meist fokussierter sind als am Tisch. Auch im Sitzkreis bietet sich eine feste Sitzordnung an und eine Reihenfolge, wie die Kinder in den Sitzkreis kommen, beispielsweise grüppchenweise. Auf Gruppen- oder Partnerarbeit würde ich erstmal verzichten.
- Feste Rituale wie beispielsweise eine Klangschale einführen. Diese sollten aber sparsam eingesetzt werden. Wenn man zu oft auf die Klangschale haut, nutzt sich der Effekt ab. Wenn die Kinder beim ersten Mal nicht reagieren, werden sie es auch beim zweiten oder dritten Mal nicht tun. In dem Fall würde ich einfach geduldig warten und evtl. den Leisefuchs machen.
- Beim Zauberknoten verschränken die Kinder die Arme vor der Brust. Das ist ganz nützlich, wenn du gerade etwas erklärst. Das verhindert, dass die Kleinen etwas in die Hand nehmen und damit spielen.
- Wenn es einmal sehr laut ist, kann man einen Rhythmus vorklatschen. In allen Klassen in denen ich das bis jetzt probiert habe, sind die Kinder ohne vorige Erklärung in das Klatschen mit eingestiegen und haben aufgehört zu reden.
- Strafarbeiten würde ich nicht in der Pause machen lassen. Manche Kinder brauchen die Pausen um ihrem Bewegungsdrang nachzukommmen und sich auszupowern. Wenn du ihnen diese Möglichkeit nicht gibst, schneidest du dir ins eigene Fleisch. In den Unterricht würde ich regelmäßig Bewegungs- und Stillespiele integrieren.
(mit Bewegungspausen/Spielen – es dauert aber jedes Mal ewig, bis das Spiel erklärt ist
Es gibt auch Bewegungslieder, die selbsterklärend sind. Da macht man die CD einfach an und los gehts. Ich würde die Lieder/Spiele nicht zu oft wechseln. Meine Kinder mögen aber auch Stillespiele. Zum Beispiel legen alle Kinder den Kopf auf den Tisch und schließen die Augen. Dann verstecke ich einen Gegenstand im Klassenraum. Ohne zu reden oder zu rennen, müssen die Kinder nun im Klassenzimmer herumgehen und den Gegenstand suchen. Wer ihn gefunden hat, setzt sich hin. Kinder die sich nicht an die Regeln halten, dürfen in der nächsten Runde nicht mitspielen. Eine andere Möglichkeit ist Daumendrücken. Auch hierbei legen die Kinder ihren Kopf auf den Tisch und schließen die Augen. Außerdem strecken sie einen Daumen nach oben. Drei vorher ausgewählte Kinder gehen leise herum und drücken jeweils einem Kind den Daumen. Danach stellen sie sich vor die Tafel. Nun müssen die Kinder, deren Daumen gedrückt wurde, erraten, wer von den Kindernihren Daumen gedrückt hat.
- Gerade Kinder aus schwierigen Elternhäusern werden zu Hause oft geschimpft. Das geht dann in ein Ohr rein und ins andere wieder raus. Deswegen ist positive Verstärkung oft wirkungsvoller: "Ich freue mich über X, Y, Z, ..." führt oftmals dazu, dass die anderen Kinder auch leise werden. Auch in Verbindung mit dem Leisefuchs funktioniert das gut. Kinder die von zu Hause nur wenig Erziehung mitbekommen, verstärke ich bei jeder Kleinigkeit. "Schön, dass du dich entschuldigt hast. Es freut mich, dass du dich meldest. ..." Man kann auch Gruppen belohnen. Also die Tischreihe, die als erstes leise am Platz sitzt, bekommt einen Stern. Im Idealfall werden dann die unruhigen Kinder unter dem Druck der Gruppe auch leise.
- Für die sehr schwierige Kinder könnte man einen Verstärkerplan nutzen. Nach jeder Unterrichtsstunde wird gemeinsam mit dem Schüler das Verhalten mittels eines Smiley festgehalten. Wenn 45 min zu lang sind, kann man auch einen anderen zeitlichen Rahmen wählen (z.B. 10 min während der Arbeitsphase). Der Schüler sollte schon das Gefühl haben, dass er es schaffen kann sich einen lachenden Smiley zu verdienen. Am Ende des Tages/der Woche gibt es bei überwiegend lachenden Smileys eine Belohnung. Die Belohnung kann durch den Lehrer erfolgen oder im Idealfall, wenn die Eltern mitziehen, durch die Eltern. In jedem Fall müssen die Eltern den Verstärkerplan unterschreiben.
- In Deutschland gibt es auch den Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung. Wenn ein Kind diesen Förderstatus besitzt, kann es auch Inklusionsstunden dafür geben oder es kann in eine Schule mit diesem Förderschwerpunkt wechseln.
- Ich-Botschaften senden: Dabei kannst du immer erklären, warum du ein Verhalten nicht möchtest. Das hört sich jetzt doof an, aber manche Kinder können wirklich nicht reflektieren, dass es störend ist, wenn sie reinreden.
- Du nutzt ja schon die Lärmampel. Was passiert denn, wenn ein Kind auf rot steht? Ein Möglichkeit wären bereits vorbereitet Zettel mit möglichen Regelverstößen bereitliegen zu haben, bei denen man nur noch ankreuzen muss: "a) Ich habe mich mit einem anderen Kind gestritten. Den Streit mussten wir im Unterricht schlichten. Das hat uns wertvolle Unterrichtszeit gekostet. b) Ich habe im Unterricht reingeredet. Das hat andere Kinder gestört. ..." Den jeweils angekreuzten Regelverstoß muss das Kind bis zum nächsten Tag abschreiben und von den Eltern unterschreiben lassen.
- Der wöchentliche Klassenrat ist ein Instrument, in denen Probleme von den Schülern angesprochen werden können. Beispielsweise könnten die Kinder dort schildern, warum sie sich vom Lärm in der Klasse gestört fühlen oder wie sie sich fühlen, wenn jemand anders ihre Sachen kaputt macht. Danach können Lösungen gesucht werden. Allerdings kenne ich die Einführung des Klassenrats erst ab dem dritten Schuljahr.
- Wenn ein Kind etwas kaputt macht, dann muss es das ersetzen oder bezahlen! Darüber würde ich gar nicht diskutieren.
- Auch über Wiedergutmachungen kann man mit den Kindern sprechen. Ein Kind welches den Unterricht massiv gestört hat, kann am nächsten Tag etwas für die Klasse als Entschuldigung mitbringen. Das muss aber besprochen werden. Dazu kann man ja niemanden zwingen.
- In extremen Fällen kann man ein Kind auch ins Büro der Schulleitung setzen oder von den Eltern abholen lassen. Vor allem letzteres sollte aber wirklich nur im Notfall gemacht werden.
- Du hast ja erst vor zwei Wochen die Stelle angetreten. Gib den Dingen Zeit und versuche dich selbst nicht unter Druck zu setzten. Ich würde den Unterrichtsstoff erstmal hinten anstellen und den Fokus auf das Erlernen der Regeln und Rituale legen. Zurzeit habe ich eine 1. Klasse. Wenn die beispielsweise beim Buch aufschlagen oder beim in den Sitzkreis kommen zu laut sind, dann müssen nochmal alle das Buch zuschlagen oder zurück an ihren Sitzplatz gehen. Dann besprechen wir die Verhaltensregeln und versuchen es nochmal.
Nun habe ich ganz viel geschrieben. Diese Thema hat mich eben auch schon beschäftigt und mit dem Gefühl manchmal überfordert zu sein, bist du mit Sicherheit nicht allein. Das wichtigste ist, dass du auf deine eigene Gesundheit achtest. Wenn du dich auch weiterhin nicht gut fühlst und keine Unterstützung erhältst, dann zieh rechtzeitig die Reißleine. Ich wünsche dir sehr, dass sich die Situation in einigen Wochen verbessert.