Also ich merke momentan, dass mich die Unterrichtsplanung gemäß "handlungsorientiert und kompetenzorientiert" unendlich viel mehr Zeit und Kraft kostet, als "normale" Vorbereitung. Bedeutet: wenn ich mir eine tolle lernsituation aus den Fingern sauge, die für die ganze Reihe von Bedeutung ist und überhaupt sinnvoll, kostet mich das so viel zeit, dass ich dafür 5 andere Stunden komplett sausen lassen muss. Das bedeutet für mich an einem Beispiel ausgedrückt: Beispielthema ist duale Berufsausbildung. Meine Lernsituation beschränkt sich dann darauf, dass Person xy eine Ausbildung anfangen will, aber keine Ahnung hat. Dann arbeite ich einfach die wichtigsten Inhalte ab und schreibe am Ende eine Klassenarbeit. Fertig. Kein "wir leiten uns eine Fragestellung ab" oder "wir entwickeln gemeinsam einen ablaufplan"... Ich stelle immer wieder fest, dass es für die SuS absolut keinen Mehrwert hat, wenn sie aus einer handlungssituation selbst eine Fragestellung ableiten. Die allermeisten können das ohnehin kaum bis nicht. Im ref bekommt man ja eingeimpft, dass die SuS dann ach so motiviert wären und sich ernstgenommen fühlen. Was Pustekuchen ist, da a) die wenigsten Themen für die SuS tatsächlich interessant und motivierend sind und b) das Thema und der Ablauf eh im vorhinein feststehen und es kein demokratisches Verfahren ist die sus so lange raten zu lassen, bis man alle Reihenbausteine an der tafel gesammelt hat. Deshalb sieht mein unterricht so aus: Es gibt eine kleine handlungssituation zu einem Thema, das ich nenne. Bestenfalls frage ich die sus nach möglichen relevanten Inhalten, oder ich gebe sie vor. Dann arbeiten wir die Inhalte Stück für Stück ab. Erfolgreich war das Prozedere, wenn die sus am Ende mehr Ahnung von der Thematik haben als vorher. Was beim Beispiel duale Ausbildung zB bedeutet, dass sie ihre Rechte und Pflichten kennen und eine Idee haben, wie man überhaupt zu einem ausbildungsplatz kommt.
Für die Vorbereitung bedeutet das, dass ich alle wichtigen Inhalte in sinnvoller Reihenfolge aufliste und zu jedem Thema Texte und Materialien heraussuche, die wir gemeindam bearbeiten. Dies geschieht auf Basis des Niveaus, was dem Bildungsgang entspricht. Wer das nicht hinkriegt, bekommt Hilfestellungen. Wer es dann immernoch nicht hinkriegt, der hat dann leider das Nachsehen. An einen Bildungsgang sind nunmal gewisse Anforderungen geknüpft. Ich unterstütze soweit es mir möglich ist, aber man kann nicht alle retten. Leider. Auch wenn man im ref erzählt bekommt, dass man unterricht so gestalten kann und soll, dass jeder auf seinem stand gefördert wird, jeder alles versteht und hinterhet beherrscht und sowieso total motiviert mitmacht, weil man den unterrichtsgegenstand so spannend aufbereitet Es gibt Themen die sind langweilig, es gibt sus die haben einfach keinen Bock und der Tag hat nur 24 Stunden. Deshalb arbeite ich nach der Methode "für alle Beteiligten so schmerzlos wie möglich". Und wenn man auf einer funktionierende Beziehungsebene mit den SuS arbeitet, dann verzeihen sie das und lernen auch was dabei. Die Schüler überleben es, wenn man mal schnöde nach Buch arbeitet. Sie wissen nicht, wie der Unterricht nach Ref Maßstäben auszusehen hat, das sollte man sich vor Augen halten. Es wird kein sus bemängeln, wenn es keinen vernünftigen einstieg gab oder das Blatt nicht schön gestaltet hat. Kollegen oder Ausbilder mögen dies tun. Den SuS ist das wurscht. Klar ist ein vernünftig geplanter Unterricht lerneffektiver und vllt auch abwechslungsreicher für die SuS. Aber die Welt geht nicht unter, wenn man ein paar Schritte kürzer tritt, da sollte man sich als Lehrer nicht zu wichtig nehmen. Was die sus nämlich WIRKLICH unterm Strich am Ende gelernt haben und beibehalten, das zeigt sich erst viel viel viel später. Wenn ich mich an meine eigene Schulzeit erinnere, kann ich mich durchaus an perfektionistische Lehrer und Referendare erinnern. Was ich da gelernt habe? Keine Ahnung, erinnere ich mich nicht mehr. Es war doof, weil Pflichtveranstaltung. So wie Schule für die meisten sus eine Pflichtveranstaltung ist. Was positiv hängen geblieben ist, sind ganz andere Dinge, die sich durchaus auch in total grauenhaft langweiligem Unterricht ereignet haben Das soll kein Plädoyer für mies geplanten Unterricht sein. Aber sehr wohl ein Plädoyer für realistische Vorstellungen von Schule und dem Leistungsvermögen von Lehrern, die neben einer hohen Unterrichtsverpflichtung, tausend Nebenkriegsschauplätzen und herausfordernden Schülern auch noch ein Leben neben der Arbeit haben sollten. Man lebt schließlich nicht für den Beruf.