Was ich immer wieder beobachte: ArbeitnehmerRECHTE, die ganz selbstverständlich in der Gesellschaft akzeptiert sind, werden von Schülern und deren Eltern bei Lehrkräften sehr kritisch gesehen. Beispiele:
Elternzeit: Nimmt eine Lehrkraft ihr Recht auf Elternzeit in Anspruch, wird sie von Schüler- und Elternseite kritisert. "Klasse im Stich lassen" usw. Genauso wenn eine Lehrerin schwanger wird und in Mutterschutz geht.
Krankheit: Kennen wir alle. Wer sich als Arbeitnehmer in der Wirtschaft krank meldet, ist laut öffentlicher Meinung wirklich krank, notfalls liegt's den "schlechten Arbeitsbedingungen". Lehrkräfte neigen dagegen laut öffentlicher Meinung zum "Krankfeiern" (Kollege/-in XYZ ist schon zum dritten Mal krank in diesem Schuljahr). Daraus resultierender Unterrichtsausfall wird der Lehrkraft persönlich angelastet und nicht dem System "Schule" (dagegen: Wenn Unternehmen ABC einen Auftrag nicht termingerecht erfüllen kann, weil z.B. wichtige Ingenieure erkrankt sind, wird das dem Unternehmen angelastet, nicht den betroffenen Ingenieuren).
Ständige Verfügbarkeit: Es wird erwartet, dass Lehrkräfte auch am Abend und am Wochenende für alle möglichen Gespräche und Termine zur Verfügung stehen. Das "Recht auf Feierabend" scheint für Lehrkräfte nicht erwünscht zu sein.
Zusatzaufgaben: Sollen selbstverständlich zur üblichen Arbeit "nebenbei" erledigt werden. Geld- oder Freizeitausgleich gibt's natürlich keinen dafür. Gut, das kommt auch in der Wirtschaft vor, aber i.d.R. nur bei AT-Beschäftigten. Nur: Keine Lehrkraft wird außertariflich bezahlt oder bekommt "Bonuszahlungen".
Motivation: Will man Arbeitnehmer in der Wirtschaft zu besonderen Leistungen motivieren, stellt man ihnen Vergünstigungen in Aussicht (Gewinnbeteiligung, Bonusprogramme, Dienstwagen). Motivation im öffentlichen Dienst, speziell bei Lehrkräften, soll dagegen immer "intrinsisch" erfolgen, d.h. kostenneutral (notfalls soll ein Lob des Schulleiters reichen). Eine Lehrkraft, die sich nicht "intrinsisch" motivieren lässt, ist eine "schlechte" Lehrkraft, da sie offensichtlich nicht für ihren Beruf "brennt" (die Diskussion Lehrkräften sogar das Gehalt zu kürzen, wenn bestimmte Zielvorgaben nicht erreicht werden (PISA et. al.), lasse ich hier einmal außen vor).
Bezahlung: Während in der Wirtschaft (und mittlerweile auch in weiten Teilen des öD) die Aussage gilt, dass man "gute" Leute nur über eine attraktive Bezahlung gewinnen kann, geht die Diskussion bei Lehrkräften in genau die andere Richtung: A12 genüge eigentlich auch, "gute" Lehrkräfte sind schließlich "intrinsisch" motiviert (s.o.) und arbeiten eigentlich nicht für Geld. Im Gegenteil: Eine Lehrkraft, die mehr Geld wünscht, muss irgendwie eine "schlechte" Lehrkraft sein, Argumentation s.o.
Gewerkschaften: Während überall sonst die Gewerkschaften "heilig" sind (Tarifautonomie), sind die Gewerkschaften des öD in der öffentlichen Meinung das Böse schlechthin. Streiks in der Privatwirtschaft erscheinen immer "gerechtfertigt", Streiks im öD nur von der Gier der dort Beschäftigten getrieben.
Warum ist das so? Ich habe eine Vermutung: Die Öffentlichkeit sieht sich gegenüber dem öD als "Arbeitgeber" (da "Steuerzahler") und verhält sich auch dementsprechend. Arbeitnehmer im öD sind also nur "Kostenfaktoren", und solche Kosten muss man minimieren. Jeder will halt gerne "Chef" sein. Steigert wohl das eigene Selbstwertgefühl.
Gruß !