Doch, aber das tun wir (hoffentlich) im täglichen Unterricht, indem wir ein Bewusstsein für Ungerechtigkeiten schaffen, gerechtestmögliche und transparente Bewertungen erteilen, den Ausgleich innerhalb der heterogenen Gruppen zu schaffen versuchen, vermitteln, verbinden, gruppendynamische Prozesse anleiten, sozial Schwächeren zu höheren Bildungsabschlüssen zu verhelfen versuchen, Schüler in die Lage versetzen, politische und soziale Prozesse überhaupt zu verstehen und ihre Rolle darin, usw, usf...
Schön und gut, aber die gesellschaftliche Legitimation von Schule kommt immer noch primär über die Bildungsfunktion. Ich halte die Entwicklung zum "gesellschaftlichen Reperaturbetrieb" für äußert gefährlich. Schule kann nicht alle Probleme der Gesellschaft auffangen und aufarbeiten, dazu fehlen einfach die Ressourcen. Wenn es die Bildungspolitik wirklich ernst meinen würde damit, neben dem Bildungsauftrag gleichwertig(!) einen Erziehungsauftrag umzusetzen, dann bräuchte es dafür viel mehr Freiräume an allen Schulformen (z.B. ausgewiesene Klassen- / Sozialstunden im Stundenplan) und damit eine massive Reduktion der fachlichen Ansprüche in den Fach-Curricula sowie viel mehr nicht-lehrendes Unerstützungspersonal (ich glaube eine Sozialpädagogen oder Schulpsychologen habe ich an unserer Schule noch nie gesehen und ich bin schon eine ganze Weile dabei).
Wenn immer mehr Erziehungsarbeit zulasten der Bildungsarbeit stattfindet, werden die "gebildeten" Schichten die öffentlichen Schulen in Scharen Richtung privater Träger (wozu auch die Kirchen gehören!) oder Schulkonzepte ohne viel Sozialklimbim (z.B. die "charter schools" in den USA) verlassen. Sieht man ja schon sehr schön in allen "Einheitsschulsystemen", die uns so als Vorbild hingestellt werden (Frankreich, USA, Großbritannien). Gerade die Eltern, bei denen die Erziehung in der Familie noch einigermaßen funktioniert, wollen Bildung von der Schule und keine Sozialexperimente auf Kosten ihrer Kinder. Die Ablehnung der sechsjährigen Grundschule in Hamburg per Volksentscheid war ein deutliches Zeichen dafür, was die Bevölkerung wirklich von Schule will.
Kurz: Der effektivste Weg, das öffentliche Schulsystem zu ruinieren, ist es, den Bildungsauftrag zugunsten eines "gesellschaftlichen Reperaturauftrags" zurückzustellen. Das kann Schule nicht leisten, damit ist sie hoffnungslos überfordert und wird scheitern (und auf dem Weg dorthin noch Massen an Lehrkräften in den Burnout treiben).
Gruß !