Beiträge von Frapper

    Ich bin an einer Ganztagsschule und es läuft eigentlich gut bei uns. Wir haben aber auch keine OGS, weil das bei unserem Schülertransport einfach nicht geht. Dienstag und Freitag sind die beiden kurzen Tage mit je sechs Stunden. Das sind auch die beiden Tage, für die wir Hausaufgaben geben dürfen. Montag, Mittwoch und Freitag haben die Schüler sechs Stunden vormittags, eine knappe Stunde Mittagspause und dann noch einmal zwei Schulstunden. Um kurz vor halb vier fahren die Busse ab.
    Da alle unsere Schüler - bei der Vorklasse (4-/5-Jährige) angefangen bis zur Klasse 10 - das machen müssen, sieht das in jeder Stufe anders aus.


    Die Vorklasse sehe ich wie einen speziellen Kindergarten. Neben Förderung ist natürlich genug Zeit zum Spielen und Toben da.
    In der Grundstufe haben sie natürlich weniger Unterricht und mehr Spiel- oder freie Lernzeiten als die Großen. An den langen Tagen haben sie auch fünf statt sechs Stunden Unterricht. Ab Klasse 5 ist man aber durchgängig verplant und wir Lehrer halt auch: ein oder zwei Nachmittage Unterricht hat man als Lehrer bei uns.
    In der Mittelstufe haben sie an den Nachmittagen montags eine AG, mittwochs oder donnerstags ist Unterricht beim Klassenlehrer und der andere Tag irgendein Fachunterricht, meist etwas, was ganz gut nachmittagsverträglich ist. Am Anfang hatten wir mal solche Förder-AGs am Mittwoch für die Hauptfächer, aber das hatte sich nicht so bewährt. Man hatte dann eine Gruppe aus mehreren Klassen und den beiden Jahrgängen, mit denen man schon unterschiedliches machen musste. Das war erstens ein Spagat, zweitens war es zum Teil recht vorbereitungsintensiv. Manchmal hat man gezielt für ein laufendes Thema etwas gemacht, was aber engere Absprachen nötig machte. Die zwei Stunden haben wir dann als zwei Fachstunden umgemünzt. Unsere Schüler haben eine zusätzlich eine Stunde Deutsch in 5/6, eine Stunde Mathe in Klasse 5 und eine Stunde Englisch in Klasse 6. Das hat sich als deutlich besser herausgestellt. In der Klassenlehrerstunde (Klasse 5) bzw. Förderstunde (Klasse 6) kann ich das tun, was meine Klasse halt gerade am dringendsten braucht: Übung für ein Schulfach, soziale Probleme, Hörgeschädigtenkunde, Methodentraining usw.
    In der Haupstufe haben sie montags und mittwochs eine AG. Donnerstags ist in der 7. und 8. Klasse ein Unterrichtsfach, in der 9. und 10. Klasse ist dort die Prüfungsvorbereitung, wo alles gemacht werden kann, was halt so anfällt: Vorbereitungen für die Präsentationsprüfung, die zentralen Abschlussprüfungen etc.


    Klar, auch bei uns läuft so manches nicht reibungsfrei. Unsere Schüler kommen am späteren Nachmittag erst nach Hause und dann sind sie platt. Ein großes Vereinsleben ist da nicht möglich, sondern eher aufs Wochenende oder einen bestimmten Wochentag begrenzt. Dafür haben sie bei uns an der Schule viele Kontakte mit Gleichgesinnten und mit der gleichen Behinderung - sehr wichtig für unsere Kinder.


    Die Ganztagsschule kann schon gut für die Kinder sein, wenn es halt gescheit ausgestaltet wird. Dafür braucht es halt Geld in Form von mehr Lehrern und den passenden Räumlichkeiten.

    Bist du dann an der Schule in Essen? Ich hatte mal eine Vertretungsstelle vor dem Ref an der KME-Schule (habe ich auch studiert) in Bochum und habe meinen Zivi in Kassel an der KME-Schule gemacht. Ich weiß, was du meinst. Ich bin da eigentlich guter Dinge, was das angeht. Ich fand es an der KME-Schule immer nett vom Team her, weil man ja wirklich sehr eng zusammenarbeitet und meist auch die Zeit hat, um Dinge abzusprechen. Ich denke, KME- und GE-Schule sind in der Beziehung recht deckungsgleich. Die Schülerschaft ist auch ähnlich. Viele leistungsstarke Schüler gingen zu meiner Zeit (das sind sechseinhalb Jahre her) in die Inklusion, so dass man hauptsächlich Unterricht für L, GE oder Schwebis macht. Da muss man wissen, ob man das auf Dauer möchte. Meins wäre es nicht und deshalb hatte ich mich auch nach dem Ref dagegen entschieden. Ich kenne auch andere, denen es ähnlich ging.

    Die drei oberen Absätze kann ich direkt so unterschreiben.


    Beim letzten Absatz mache ich bei uns zum Teil andere Erfahrungen. Das, was du beschreibst, sehe ich auch, aber manchmal ist es auch die Schulleitung, die einem die Arbeit aufhalst, wenn man nicht schnell genug und dezidiert Nein sagt. Da sind die älteren Kollegen schon erfahrener oder haben sich - genau wie du das beschreibst - ihre Gebiete "gesichert", die ihnen leichter von der Hand gehen, mehr liegen und deshalb nicht so belasten und aber auch eine gute Begründung sind, warum man das jetzt nicht auch noch machen kann. Ich musste nach zweineinhalb Jahren mit Personalrat zu meinem Schulleiter gehen, um mal zu sagen, dass man mich nicht ständig nach einer Einarbeitung in ein neues Gebiet wieder aus Arbeitsfeldern rausziehen kann, um mir etwas anderes neues zu geben, während viele ältere Kollegen ihre Routine wie seit zehn Jahren abspulen. Man will ihnen zum Teil auch nichts anderes zumuten oder kann das Gejammer nicht mehr ertragen, wenn sie auch mal etwas neues und/oder größeres abbekommen. Mein Stufenleiter kommt deswegen schon gar nicht mehr ins Lehrerzimmer. :teufel:

    Was ist das denn für eine Schule und Einsatzgebiet? Das kann ja eigentlich alles sein von Team Teaching an ener Grundschule bis Klassenleitung Abschlussklasse. Bei den Förderschwerpunkten Hören und Sehen wird die Frühförderung in NRW nicht von ausgebildeten Frühfördern gemacht, sondern von Förderschullehrern. Eine Kommilitonin von mir musste da auch direkt ran an die Säuglinge. ^^
    Ich würde bei den Extra-Aufgaben auch auf keinen Fall hier schreien, sondern mich da schon herausziehen. Es ist ja auch nur eine Vertretungsstelle oder planst du auch dort auf lange Sicht eine Stelle zu bekommen? Das mögliche Aufgabenfeld für Förderschullehrer ist so dermaßen breit geworden, dass man echt aufpassen muss, sich nicht bei den zig Baustellen zu verausgaben, die es gibt. Ich spreche da aus Erfahrung mit meinen guten vier Jahren, die ich jetzt an meiner Schule bin: erst Klassenleitung im Bereich Lernen, jetzt habe ich meine zweite Regelklasse, Unterricht in 9 verschiedenen Fächern (meist fachfremd natürlich) von Klasse 4 bis 10 :ohh: , Beratung in der Inklusion (ein ganz anderes Arbeiten), Aufbau- und Konzipierung eines neuen Unterrichtsfaches und einiges in Sachen Gebärden lernen. Bei den wenigsten Sachen habe ich hier gerufen. :zahnluecke:


    Sieh vor allem zu, dass du dich gut organisierst in deinem Arbeitszimmer und deiner Schultasche (Rucksäcke finde ich persönlich echt unpraktisch, es fliegt alles nur rum!). Du hast ja einen viel größeren Durchlauf als im Ref und musst dich um mehr als nur Unterricht kümmern. Für jeden Kurs, den ich unterrichte, habe ich eine Mappe mit mehreren Ablagen für mehrere Stunden (die von pagna) oder einen schmalen Ringordner (ebenfalls pagna) und einen Ablagekorb im Arbeitszimmer. Nach dem Tag kommen da erst mal alle Sachen in die betreffenden Ablagen rein. Ums Sortieren, Verbessern und gutes Abheften kümmere ich bei ausreichend Zeit, also meist in den Ferien. Mit diesem System fahre ich ganz gut. Wenn ich etwas zum zweiten mal unterrichte, kann ich vieles aus meinem Archiv ziehen, ab in den Ordner für das Fach und dann muss man meist nur am Tag vorher nochmal reinschauen, wo man stehengeblieben ist und wie man die Stunde aufzieht. Da muss man aber erst einmal hinkommen.
    Im Kollegium würde ich mir genau anschauen, mit wem du gut kannst und wer so in deinem Aufgabenumfeld ist. Von denen kannst du viele Ratschläge, Empfehlungen und Material bekommen, die Gold wert sind. ;) Wenn du Glück hast, ist da auch ein Mitglied der (erweiterten) Schulleitung, den du geduldig etwas fragen kannst. Man wird dafür Verständnis haben, dass du in vieles noch keinen Einblick hast.

    Bei uns gibt es noch keine Inklusionsbestrebungen. Durch das neue Schulgesetz und Pilotphasen wird man sich jetzt wohl auch beim „Bildungssieger“ damit auseinandersetzen müssen. Und ich habe durchaus vor, hier mitzumischen und nicht jammernd alles zu beklagen, was nicht ideal läuft.

    Dann bin ich mal gespannt, wie das so läuft; ob man aus den Fehlern gelernt hat, die andere Bundesländer sehenden Auges gemacht haben; ob du dann wirklich etwas verändern kannst, wenn du vor vollendete Tatsachen gestellt wirst in Sachen zugewiesener Stunden, Schüler und anderer Bedingungen - der Teufel steckt immer im Detail. Das stellst du dir doch recht einfach vor ...
    Und wieder kann ich mit einem Beispiel aus der hessischen Entwicklung aufwarten: Ein Lehrer der Förderschule Lernen ist mit 14 Stunden an der Regelschule im Team Teaching in einer Klasse. Das läuft wirklich gut, denn die Hälfte der Stunden ist doppelt besetzt. Weil es so erfolgreich läuft, wird es natürlich im nächsten Schuljahr weitergemacht, aber mit nur der Hälfte an Stunden.

    Bei uns an der Regelschule liegt das Mittel bei 19,5 Schülern pro Klasse. Darunter macht man minus. Allerdings haben wir das Problem, daß wir manche Klassen bilden müssen und das leider auch mit in die Statistik fällt. Konkret rede ich hier von Landesfachklassen. Es gibt also in ganz NRW nur eine Azubi-Klasse für diesen Beruf. Wenn da dann nur 2 Azubis sitzen, müssen wir trotzdem die Klasse anbieten. Entsprechend ist gerade in den Vollzeit-Klassen eine Schülerzahl von 28-30 wirklich die Regel, um im Schnitt dann wieder auf 19,5 zu kommen.

    Das ist bei uns auch so mit dem Bilden von Klassen und ich finde es ungerecht, dass so stur nach Schüler-Lehrer-Schlüssel gerechnet wird. Wir haben oft Haupt- und Realschüler in einer Klasse, wenn sich das von den Zahlen her nicht strikt trennen lässt. Manchmal sind es einfach nicht viele R-Schüler. Letztes Jahr hatten wir dann eine R10 mit vier Schülern. Dieses Jahr haben wir zwei R10-Schüler, die dann zusammen mit den R9ern in eine Klasse gepackt wurden. Zum Glück sind die beiden 10er so ruhige Typen, die echt alleine ackern können und das auch gerne so machen, sonst wäre es echt schwierig. Für manche Fächer wie die Naturwissenschaften und Geschichte ist so eine Truppe aber eine blöde Mischung.
    Dann hatten wir noch eine Willkommensklasse mit fünf gehörlosen Flüchtlingen, die zum Teil gar keine Sprache hatten, und vom Alter her auch von Grundschule bis erwachsen reichten. :sterne: Immerhin blieben sie freitags zu Hause. Nach vier Tagen Schule waren sie eh völlig fertig.

    Moin,
    also um das "wahnsinnig viel" mal grob abzustecken, würde ich sagen, daß dafür dann eine 1:1 Betreuung her muß. Es braucht also jedes Inklusionskind einen eigenen Förderschullehrer in wirklich jeder Stunde. Das wäre zumindest meine ganz grobe Einschätzung. Krankheitsreserven sind da natürlich noch nicht drin und über die Umgestaltung der Schulgebäude und etwaigen Technikeinsatz haben wir auch noch gar nicht geredet. Da Du jetzt von Klassenstärken von 8 Schülern redest, würden sich folglich die Personalkosten verachtfachen.


    Daher auch meine Meinung, daß die Politik das mal schnell machen wollte, um Geld zu sparen ohne auch nur ansatzweise zu erkennen, was das für ein Brocken ist und das es derzeit im Alltag halt absolut nicht läuft.


    Eine 1:1-Betreuung ist sicherlich nicht nötig, denn nicht in allen Fächern muss wirklich jemand zweites dabei sein. Nichtsdetotrotz ist es ein erheblicher Mehraufwand, selbst bei nur 2/3 der zu erteilenden Stunden. Ich habe das Buch "Die Inklusionfalle" von Felten gelesen und dort wird eine Studie aufgeführt, die die Grünen mal in Auftrag gegeben haben. Laut der Studie kostet die komplett inklusive Beschulung der derzeitigen Förderschüler mehr als dreimal so viel wie das derzeitige Förderschulsystem. Das war wohl eine Zahl, die so erschreckend war, dass man sie lieber ignorierte und hoffte, es würde nicht so teuer.


    Unsere Maximalschülerzahl pro Klasse beträgt 11 - da wird es auch in der Mittel- und Hauptstufe in den Räumen sehr eng. Unser Gebäude ist 150 Jahre alt und nicht für so große Klassen ausgelegt. Minimal sind 5 Schüler in einer Klasse. Manchmal wird auch mit 4 Schülern eine Klasse gebildet, wenn es einfach nicht anders sinnvoll ist. Da die Schüler eine gewisse Stundenzahl mitbringen, macht man bei 8 Schülern pro Klasse kein Minus. So habe ich es zumindest immer gehört. Bei Sport sind immer zwei Klassen zusammen. So spart man sich zwei Stunden und man kann immerhin auch mal Mannschaftssportarten machen. Versucht das sonst mal mit so wenigen Hanselns. :D Doppelbesetzungen gibt es bei uns nicht so häufig und dann eigentlich nur in den größeren oder von der Leistungsspanne herausfordernden Klassen. Ich hatte das noch nie. Ich bin immer alleine vor der Klasse. Auch in meinem Ref an einer LH-Schule waren wir eigentlich immer alleine. Wenn sie zusätzliche Stunden verbraten durften, hatten sie eher Kurse für die Hauptfächer gebildet als Doppelbesetzungen.


    Was noch gar nicht ernsthaft diskutiert wird, ist die Öffnung der Förderschulen für Regelschüler. Auch eine interessante Variante, um Kinder mit und ohne Behinderung zusammenzubringen, aber gleichzeitig die Standards zu halten. Ich weiß, dass es auch schon Eltern versucht haben, ihr Kind bei uns anzumelden. Am Pfalzinstitut wird oder wurde das jahrelang betrieben und es lief gut.


    Je mehr ich hier aus anderen Bundesländern lese, umso mehr weiß ich Hessen zu schätzen. :)

    Was bleibt einem teilweise anderes übrig als Jammern? Die Arten der Einflussnahme werden ja auch bewusst eng gesetzt. Das sieht man an Maulkörben, die verteilt werden (z.B. Aachener Schulleiter) oder Lehrer in Artikeln ihren Namen nicht genannt haben wollen aus Angst, da könnte dann von oben etwas folgen.
    Letztes Schuljahr wollte ich mit zwei Klassen in PoWi einen Brief an Landtagsabgeordnete schreiben. So gut wie alle diese Schüler waren an der Regelschule gewesen und haben einschlägige Erfahrungen gemacht. Zum Teil haben sie auch Kritik an unsere Schule reingeschrieben, weil auch bei uns nicht alles perfekt ist. Das muss über den Tisch der Schulleitung und mein Schulleiter wollte zusammen mit mir ein Anschreiben verfassen. Auch wenn es ganz deutlich gekennzeichnet ist, dass es sich um meine Meinung handelt, darf kein Teil des Anschreibens mit Aussagen von mir sein. Ich darf mich nur über den Dienstweg an Landtagsabgeordnete wenden, wenn es um meine Meinung geht. So wie ich es herausgehört habe, kennt er welche, die wegen so etwas schon einmal ordentlich etwas aufs Dach bekommen haben. Völlig absurd, dass die Basis dann nur schön gefiltert über die zig Instanzen bei den Entscheidungsträgern mal etwas los werden können. Leider ist es nicht mehr zustandegekommen - meine Schulleitung ist leider chronisch überarbeitet.


    Ich habe mein Ref an einer Förderschule Lernen in NRW gemacht. Es war ein Pilotprojekt in Sachen Inklusion, um mal zu schauen, was das denn so alles mit sich bringt, bevor es auf das Land ausgeweitet wird. Für unsere Ausbildung hatten die Mentoren kaum Zeit, denn sie waren viel zu sehr mit sich beschäftigt. Das konnte ich auch verstehen, denn ihr ganzes Berufsbild veränderte sich von heute auf morgen. Jeder musste einen oder zwei Tagen an eine oder zwei Grundschulen und sich da einfinden. Es war einfach nur katastrophal. Das Kollegium konnte nicht mal eine Arbeitsplatzbeschreibung für die inklusive Arbeit anfertigen, weil jeder etwas anderes machte. Ich war ab und an auch mal mit in den Schulen, wenn es meine Zeit erlaubte. Es fehlten einem wirklich die Worte für die krassen Missstände. Nach solchen Erfahrungen eines gesamten Kollegiums müsste man doch eigentlich inne halten und einen komplett anderen Weg beschreiten - jeder vernünftige Mensch würde das in seinem Privatleben tun. Nein, es ging so in die Fläche mit den ganzen bekannten Ergebnissen. Der Schulrat des Bereichs - er war mit in meinem Prüfungsgremium - ist radikaler Inklusionsbefürworter und hat wohl auch einiges damit zu tun, dass so etwas gar nicht erst nach oben vordringt.
    In Hessen sieht es ja zum Glück besser aus als in NRW, aber es ist auch fern von wirklich befriedigend. Ich werde nicht die Prüfung meiner Referendarin vergessen. Drei Fachleiter, die einfach einiges mitbekommen, und mein Schulleiter. Inklusion ist natürlich in aller Munde. Sie konnten wirklich nicht verstehen, warum man die Strukturen des Gemeinsamen Unterrichts so komplett gekippt hat. Das lief größtenteils von den Ergebnissen gut, war an den Ressourcen orientiert und setzte bei real erwartbaren Entwicklungen an. Die radikalen Gesetzesänderungen haben uns eher zurückgeworfen als vorangebracht.


    Und die Bedingungen, von denen Frapper berichtet, die mögen durch die Lobby der Eltern von "Edelbehinderungen" ermöglicht werden. Das ist prima, aber eben genauso wenig Realität, wie die brave Durchschnittsklasse mit Durchschnittskindern, die durchschnittlich schnell durchschnittlich viel lernen.

    Eigentlich gestehst du es hier doch ein. Die Bedingungen an der Regelschule werden für die breite Masse nie so gut sein wie an der Förderschule. Das Geld ist nicht da oder es fehlt auch am Willen, es dafür auszugeben. Es ist politisch eine gewisse Bereitschaft da, mehr Geld in die Hand zu nehmen, aber wenn man dann wie ich schildert, wie es für Kinder aussehen müsste, die zu unserer ureigensten Schülerschaft gehören (also nicht die leichteren Fälle), wird klar, was für ein teures Unterfangen eine zu Ende gedachte Inklusion wirklich ist. Es geht nicht nur um ein bisschen mehr, sondern um wahnsinnig viel. Dadurch, dass es nicht in einer Klasse von ca. 8 Schülern gebündelt ist, fallen die Kosten dann mehrfach an. Das wird durch den wegfallenden Schülertransport nicht ansatzweise finanziell aufgefangen.


    Für mich ist es der Kern der ganzen misslungenen Inklusionsentwicklung, dass die Diskussion nicht ehrlich geführt wird. Initiativen wie in Hamburg oder NRW und die Eltern, die mittlerweile immer zahlreicher mit den Füßen abstimmen, haben immerhin etwas mehr Aufrichtigkeit in die Debatte gebracht.

    Danke Frapper, für deinen Bericht. Die Seite der Förderschullehrer hört man ja kaum.


    Bis jetzt habe ich erst einen Schüler inkludiert, was einigermaßen lief, weil die Kommunikation mit Lernbegleitung und Elternhaus gut war. Aggressiver Asperger Autist, der oft ohne Grund seine Mitschüler körperlich angriff, wenn man nicht schnell genug war und von daher gab es verständlicherweise Probleme mit den anderen Eltern und Schülern. Er war ziemlich begabt und bereicherte damit auf seine Weise die Gruppe. Aber anstrengend und verweigerte ganz oft die Arbeit. Alle Kolleginnen, die mit ihm zu tun hatten, waren zwischendurch am Ende. Aber welche Förderschule wäre für ihn richtig gewesen mit einem IQ von 140?


    In der Klasse hatte er trotzdem immer wieder Kinder, die mit ihm zusammenarbeiten oder spielen wollten, auch wenn oft die Fetzen flogen. Die ganze Zeit hatte ich aber Angst, dass wirklich mal etwas Schlimmes passiert, denn die Lernbegleitung stand nur wenige Stunden in der Woche zur Verfügung. Da geht es ja schon los....

    Leider hört man die Seite der Sonderpädagogik viel zu selten in der gesamten Diskussion. Wenn dann Warnungen kommen, dass es nicht so gut ausgeht, wenn man das ganze Förderschulsystem abwickelt, wird das abgetan, man wolle ja nur den eigenen Hals retten. Politisch interessieren vor allem die Zahlen und Quoten, weil das am einfachsten zu ermitteln ist. Dass in Hessen die Auflösung der Förderschulen Hören, Sehen, geistige Entwicklung und körperliche und motorische Entwicklung vom Tisch sind, hat auch mit dem Einschreiten der Verbände zu tun. Teilweise war bei den Entscheidungsträgern überhaupt keine Vorstellung, was hinter den 4% schwerhöriger Schüler im Förderschulsystem steht. Das ist für die doch nur eine Zahl, wo für die nichts konkretes hinter steht. Unser Schulleiter ist da auch unterwegs und hat mal aus dem Nähkästchen geplaudert. Da bekommt man das kalte Grausen.


    Zum Autist: Die sind leider überall und nirgendwo ideal aufgehoben. Man findet sie deshalb auch überall im Schulsystem, es kann es richtig krachen und man muss immer nach Einzellösungen suchen. Für einen Asperger-Autisten mit dem Zeug zum Abitur bringt deshalb auch eine Förderschule meist wenig bis nichts, wenn nicht einmal der angestrebte Schulabschluss passt. Dann ist durch Unterforderung sowieso Stress vorprogrammiert.

    @Krabappel
    Ich versuche das mal nach und nach abzuarbeiten.
    Wir bei uns an der Schule haben in vielem ein System, was früh greift, wenn etwas in eine falsche Richtung abrutscht. Das fängt schon beim Sekretariat an, die bei unseren gut 200 Schülern sehr viele Eltern gut kennen. Da wird dann noch einmal eher nachgehakt. Dann gibt es den Trainingsraum bei uns, der überwiegend gut funktioniert. Wir haben zwei Sozialpädagogen an der Schule, die beide auch unterrichten und einen guten Überblick haben. Dazu kommen einige Erzieher, die vor allem in der Grundstufe tätig sind. Einen Pädoaudiologe haben wir und er kümmert sich um vieles, was bei der Technik und Versorgung ansteht - bei der derzeitigen rasanten Entwicklung im technischen und medizinischen Bereich kann man nicht auf dem aktuellsten Stand sein. Einmal in der Woche ist ein Hörgeräteakustiker da. Wer bei ihm ist, kann Reparaturen in der Schule machen lassen. Zu den Batterien: In der Mittelstufe gibt es ein Methodentraining, wozu auch ein Arbeitsplatzcheck gehört. Da stehen auch die Ersatzbatterien drauf. Sind sie nicht da, kann man sie als Schüler nachliefern. Ist es immer noch nicht da -> Eintrag ins HA-Heft/Anruf zu Hause. Kommt mir mehreres spanisch vor -> Gesprächstermin in der Schule/Hausbesuch, zum Teil mit Sozialpädagogen. In der Regel bringt das etwas.


    Das mit den Gebärdensprachnutzern ist etwas anderes als mit den Schwerhörigen. Das könnte ich hier episch ausbreiten, was da so los ist. Das ist in der Tat eine ganz andere eigene Welt zum Teil. Es ist vor allem die geringe Schülerzahl, die den Ausschlag macht und sich deshalb einer allgemeinen Lösung entzieht. Die meisten Gehörlosen bekommen ein CI, sind somit lautsprachlich orientiert und sind im pädagogischen/didaktischen Sinne schwerhörig. An unserer Schule haben wir folglich auch sehr wenige echte Gebärdensprachnutzer (damit meine ich nicht Schwerhörige, die viele Gebärden kennen und lautsprachbegleitende Gebärden nutzen, sondern echte Muttersprachler). In der Grundstufe gibt es bei uns eine kleine Klasse, in der Hauptstufe eine und unsere Willkommensklasse, wo es überhaupt erst einmal darum geht, eine Sprache aufzubauen. Besonders eingebunden ins Geschehen auf dem Pausenhof sind sie derzeit nicht, weswegen ich auch Eltern verstehe, die sagen, dass sie an jeder Schule recht isoliert sind und dann können sie auch mit Dolmetscher an eine Regelschule gehen. Davon haben wir derzeit einen Fall, der von uns gesondert betreut wird. In Deutschland gibt es knapp 40 solcher Fälle der Einzelinklusion mit Dolmetscher und das läuft teilweise bescheiden. Die Rollen des Dolmetschers ist nicht wirklich klar (reines Übersetzen oder auch ein pädagogischer Auftrag?), die haben keine pädagogische Ausbildung, Verfügbarkeit, Strittigkeiten der Kostenübernahme. In Norddeutschland gab es einen prominenten Fall, wo sich die Behörden weigerten, den Dolmetscher zu bezahlen, weil sie die jeweils andere Behörde in der Pflicht sahen. Es landete vor Gericht, ist immer noch nicht wirklich entschieden und wer leidet darunter? Der Junge jedenfalls nicht mehr, denn die Eltern hatten nach einer gewissen Zeit die Schnauze voll. Jetzt geht er an die Förderschule Hören in Dortmund, wo die Oma wohnt. Herzlichen Dank! In Thüringen gibt es einen neuen Schulversuch nach dem Wiener/Hamburger Modell für Gebärdensprachnutzer an der Regelschule ( http://www.ardmediathek.de/tv/…12912&documentId=46426666 ). Gute Sache. Leider hängt das immer sehr an den Personen vor Ort, so dass es schwierig ist, so etwas in die Fläche gehen zu lassen.


    Frontalunterricht ist schlecht: Ich weiß, dass man das vor allem an Unis eingetrichtert bekommt und es gibt quasi nichts schlimmeres als das - für mich ist das gequirlte Scheiße! Frontalunterrcht hat seine Berechtigung und offenere Unterrichtsformen sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Wer sich Schulen anschaut, die viel auf so etwas setzen, weiß auch, dass es einige Schüler gibt, die dabei hinten runter fallen, auch wenn es das Differenzieren ja angeblich zu einem Kinderspiel macht: jeder sitzt ja vor seinem eigenen Kram. In einer privaten Gesamtschule habe ich das gesehen, weil dort ja Inklusion gelebt wird. Dann war dort der Matheunterricht als Lernbüro angelegt, sprich: bring's dir anhand eines Arbeitshefts selbst bei und der Lehrer geht bei Bedarf von Tisch zu Tisch, um etwas zu erklären. Trockener als der schlimmste Frontalunterricht. Wer profitiert davon? Die Leistungsstarken, weil sie sich das anhand des Arbeitshefts noch irgendwie beibiegen können. Wem bringt es nichts? Den Leistungsschwachen, denn sie bekommen das halt einfach nicht so hin, sich das selbstständig zu erschließen. Sie profitieren davon, wenn eine Lehrperson das auf geeignete Weise einführt und eine recht engmaschige Kontrolle über den Lernprozess hat. Bei Werkstattarbeit/Stationsarbeit - auch sehr beliebt im offenen Unterricht - bin ich zum Teil auch kritisch, wenn es um die Lernergebnisse geht. Ich habe es erst letzte Woche wieder mal erlebt. Meine sonst eher behäbige fünfte Klasse hat mir in Hörgeschädigtenkunde das Zeug förmlich aus den Händen gerissen und die Stationen bemerkenswert motiviert abgearbeitet. Ich habe sie gelobt und sie waren auch stolz, weil sie so viel geschafft hätten. Ich frage am Ende immer zur Reflexion, was sie aus der Stunde mitgenommen haben/was ihnen am deutlichsten in Erinnerung geblieben ist. Von meinen beiden leistungsschwächeren Mädels kam "Keine Ahnung, ich weiß nix mehr." Tolle Wurst. Man kann leistungsschwächere Schüler eben nicht einfach nur Material in die Hand drücken, egal wie selbsterklärend das doch angeblich alles ist, und denken, das wird schon. Die brauchen einfach Struktur, Struktur und nochmals Struktur. Da ist dieses offene Zeugs keine echte Alternative auf Dauer.


    Zu einer gelingenden Inklusion: Natürlich sind wir wieder bei den örtlichen Rahmenbedingen, die vor allem an ausreichend qualifiziertem Personal und recht kleinen Klassen hängen. Ich habe da immer meine Paradebeispiele. In jedem Jahrgang haben wir ein oder zwei Schüler, die so stark schwerhörig sind, dass es keine großen Nebengeräusche geben darf, damit ein Unterrichtsgespräch geführt werden kann, damit eine Partner- oder Gruppenarbeit rein von der Kommunikation her klappen kann. Sind mehr als elf Schüler in einer Klasse (das ist unsere Maximalzahl für eine Klasse an unserer Schule), wird das einfach schwierig bis unmöglich. Es entsteht praktisch automatisch eine höhere Geräuschkulisse und man kann es vergessen. Kommt so ein Schüler an eine Schule oder wird er es, weil einige Schwerhörigkeiten fortschreitend verlaufen, müsste man ohne großes bürokratisches Aufhebens sagen können "In diese Klasse kommen nur elf Schüler statt der üblichen 22.", ohne dass der Schule personell ein Nachteil entsteht, nämlich die Parallelklasse im Gegenzug aus allen Nähten platzt. Da kann man dann aber auch nicht jeden anderen Schüler reinstecken, der einem vielleicht die Klasse auf den Kopf stellt oder dauerhaft zu laut ist, denn sonst ist der Vorteil der kleinen Klasse dahin. Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir einmal so weit kommen. Bis dahin erübrigt sich für mich auch die Diskussion um die Schließung von Förderschulen. Manche Schüler kann man schlicht nicht guten Gewissens an eine Regelschule schicken. Wenn es Eltern trotzdem tun, ist es ihre Sache, was sie ihrem Kind antun. Man kann da nur ehrlich beraten und sagen, was möglich ist und was ganz klare Grenzen sind. Das macht man ja nicht, denn "Wir lassen kein Kind zurück" von Hannelore Kraft klingt ja viel besser. Auch der liebe Verfechter einer radikalen Inklusion und dem Ende aller Förderschulen Herr Wocken war mal bei uns an der Schule, um einen Vorttrag zu halten und hat das Blaue vom Himmel heruntergelogen. Als dann eine Kollegin (selbst hochgradig schwerhörig und weiß, wovon sie redet) es mal mit Kritik beruhend auf unserer alltäglichen Erfahrung probiert hat, wurde sie mit Phrasen abgewürgt: "Gebärdensprache lernen die anderen Schüler doch so schnell und nebenbei." Haha. Jeder Fremdsprachenlehrer bekommt bei solch dummen Aussagen die Krätze, aber im Namen der Inklusion darf man ja alles behaupten. Sich von der Realität zu emanzipieren nenne ich das.

    Du argumentierst an vielen Stellen einfach ideologisch, während Frapper sehr pragmatisch an das Ganze ran geht (ich kann da ehrlich gesagt überhaupt keine Präferenz feststellen), weil sehr deutlich zwischen Inklusion und Inklusion mit der Brechstange unterschieden wird und insbesondere auch der Eltern- und Kindeswille in seiner Argumentation sichtbar wird.

    Dankesehr, denn genau so ist es! Ich habe in dem Zitat etwas verbessert; ich bin nämlich ein Er. ;)
    Der Beitrag von Krabappel enthält so viel von dem, was ich an der derzeitigen Diskussion so unerträglich finde und da kann ich auch nur mich selbst zitieren, weil ich es zeitgleich geschrieben habe, als die Antwort kam:



    In NRW oder MeckPomm will keiner das Rad zurückdrehen, aber das Ende aller Förderschulen ist unrealistisch, wenn man wirklich im Interesse der Kinder denkt und nicht an ein utopisches Weltbild, das man sich ausmalt, aber den Realitätstest nicht besteht. Ich verstehe auch nicht, warum es so schwer ist, das einzusehen.

    Die Antwort, warum man es nicht einsehen will, ist ganz einfach: Ideologie. Es darf einfach nicht so sein.



    Wenn es um die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt geht, läuft bei uns an der Schule sehr viel. Die Betreuung ist deutlich enger als an der Regelschule. Die Inklusionsschüler werden von uns zwar auch betreut, aber nicht im gleichen Umfang wie unsere Schüler. Wie ich schon in einem anderen Beitrag geschrieben habe, legen wir viel Wert darauf, dass sie lernen, mit ihrer Hörschädigung im Alltag klarzukommen - das fängt bei Telefontraining an und hört bei Vorstellungsgesprächen auf. Ich kenne den Unterschied zwischen Schülern, die im Umgang mit ihrer Schwerhörigkeit völlig hilflos sind und denen, die genau sagen und einfordern können, was sie brauchen und ihnen zusteht. Auch wenn wir dieses Schuljahr ein Angebot an die Inklusionsschüler machen wollen, wird das nicht ansatzweise mit den Inhalten im Fach Hörgeschödigtenkunde vergleichbar sein. Hier sind es dann wieder die Eltern der Inklusionsschüler, die den Unterschied machen werden. Interessiert es die Eltern nicht, bringen sie ihre Kinder nicht zu einem Seminar bei uns, während engagierte das noch aufgreifen und privat vertiefen.

    @Frapper Wo bist Du denn tätig in Hessen?

    Das möchte ich ungern preisgeben. Von unserer Art von Schulen gibt es in Hessen insgesamt nur vier. Wenn ich da auch nur die Himmelsrichtung nenne, weiß man schon direkt welche Schule. ;) Ich kann nur sagen, dass ich ähnliche Geschichten von einer anderen Schule höre, wo meine Referendarin mittlerweile arbeitet. Wieso fragst du?



    Mir ging es vor allem darum, mal einen Einblick in meinen kleinen speziellen Bereich aufzuzeigen. Meiner Einsicht nach wäre es fatal, die Förderschulen ganz zu schließen und in manchen Regionen oder Gemeinden gar keine Förderschule mehr vorzuhalten. Für manche Kinder und Jugendliche ist eine Förderschule schlicht und ergreifend besser als die Regelschule und in meinen Augen wird das auch vorerst so bleiben, es sei denn, man steckt auch mehr ins allgemeine System. In NRW oder MeckPomm will keiner das Rad zurückdrehen, aber das Ende aller Förderschulen ist unrealistisch, wenn man wirklich im Interesse der Kinder denkt und nicht an ein utopisches Weltbild, das man sich ausmalt, aber den Realitätstest nicht besteht. Ich verstehe auch nicht, warum es so schwer ist, das einzusehen.
    Wir haben ja auch einiges an Schülern vertreten - von Lernhilfe bis Realschule, eigentlich auch Gym, nur dass wir offiziell diesen Bildungsgang nicht anbieten dürfen, sitzen tun sie trotzdem bei uns - und ich bin froh, dass wir einigermaßen versuchen, sie in leistungshomogene Klassen/Gruppen zu bündeln. Letztes Jahr hatte ich Mathe in einer Klasse mit sieben Schülern. Das hört sich nach sehr wenig an, war aber echt anstrengend vom Unterrichten her. Einer der fünf Regelschüler brauchte Gebärdenunterstützung, dann die zwei LH-Schüler mit jeweils Sonderprogramm. Der eine kann halbwegs alleine arbeiten, wenn man etwas eingeführt hatte, aber Nummer 2 ist derart schwach in Mathe und kann kaum selbstständig etwas bearbeiten. Zum Glück hat er eine Unterrichtsassistenz für die Hälfte der Unterrichtszeit, sonst wäre das gar nicht machbar. Man kann einfach nicht auf drei Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Meine Nachfolgerin in der Klasse hat auch zu kämpfen mit dem Unterschied, dass sie nicht gebärden kann.


    Das ist ja noch so ein weiterer Punkt, der mir sauer aufstößt. Es gibt einfach nicht genug ausgebildete Förderschullehrer in unserem Bereich, und zwar in ganz Deutschland. Wir sind davon etwas mehr betroffen als andere, so dass wir mittlerweile einige Kollegen haben, die nicht aus dem Bereich sind. Bei den Personalengpässen, die wir teilweise hatten, war unsere Schulleitung natürlich dankbar, dass wir sie an der Hand hatten. Für manche ist es die rettende Insel gewesen, sich aus dem inklusiven Unterricht an der Regelschule zu uns an die Schule versetzen zu lassen, aber auf Dauer ist das zu einem gewissen Problem geworden. Wir müssen insgesamt mehr in die Ambulanz/Inklusion geben, wo aber nur Förderschullehrer für Hören reindürfen, während dann andere einen guten Teil des Unterrichts bei uns schmeißen. Letztes Jahr sollte diese Kollegin dort eben nicht Mathe unterrichten, weil sie nicht gebärden kann. Jetzt, wo ich unbedingt in die Ambulanz musste, weil kein anderer dafür in Frage kam, muss sie es doch machen. Ich schätze diese Kollegen und jeder bringt etwas mit, was wir bei uns definitiv gut gebrauchen können, und sie versuchen sich einzuarbeiten in die Materie. Ich will sie nicht schlecht machen, aber in Teilen merkt man aber schon, dass es ihnen an mancher Kompetenz fehlt. Eine Ausbildung lässt sich eben nicht durch guten Willen ersetzen - noch so ein zentraler Kritikpunkt an der derzeitigen Inklusion.

    Vielleicht kann ich auch noch etwas zum Thema beitragen oder interessante Fälle schildern in Sachen Inklusion.
    Ich arbeite seit vier Jahren bei uns an einer Schule für Hörgeschädigte (wir haben auch einen Schulzweig für Sehbehinderte, aber mit denen habe ich in Sachen Unterricht nichts bis wenig zu tun) und seit diesem Schuljahr bin ich auch in der Ambulanz. Ich habe wie meine Kollegen etwa ein dutzend Fälle an allen möglichen Schulen - das kann wirklich alles sein, je nachdem wo die halt sind. Wir decken einen ganzen Regierungsbezirk ab und so bekommt man natürlich unweigerlich mit, was so überall anders los ist. Ich habe ein Deputat von 10 Stunden dafür, um zu beraten, aufzuklären, zu hospitieren, zu dokumentieren und alles, was eben so im Rahmen von Inklusion anfällt. Einen Tag in der Woche habe ich "frei", damit ich mir Termine zu Hospitationen, Sensibilisierungsstunden in Klassen, Gesprächen etc. machen kann. Mein Bereich (fast ein ganzer Landkreis!) ist eine Stunde Fahrtzeit weit weg. Andere Gespräche laufen über Telefon, Mail oder Nachmittagstermine an meinen anderen Tagen, wo keine Konferenz ist oder ich keinen Nachmittagsunterricht habe. Schließlich habe ich auch noch meine eigene Klasse (7 SuS) und unterrichte Hörgeschädigtenkunde bei uns an der Schule.
    Meine Kollegen und ich erleben wirklich alles erdenkliche und ich zähle mal ein paar auf.


    Positives:
    + Mädchen am Gymnasium in einer kleinen Klasse von 15 Schülern. Das Team, das die Hauptfächer abdeckt, und die Schulleitung tun sehr viel dafür, dass sie gut mitkommt. Wirklich rührend und alle sind glücklich. An der Schule (fünfzüigig) sind alle Klassen recht klein. Ich weiß zwar nicht, wie die das hinbekommen, aber es scheint dort allgemein gut zu laufen.
    + Junge, hochgradig schwerhörig, in der 1. Klasse. Die Klassenlehrerin ist recht abwehrend gegenüber allem, was ich so an Empfehlungen anschleppe. Die anderen beiden im Team sind recht offen und setzen vermutlich die wichtigsten Sachen um. So etwas wie eine Lärmampel und strenger auf Gesprächsdisziplin zu achten, bringt ja eigentlich allen etwas. In der Klasse ist ein verhaltensauffälliger Schüler mit Assistenz, der schon einiges an Radau macht. Sie haben aber einen Nebenraum, wo man dann doch in Ruhe arbeiten kann, so dass es noch irgendwie geht. Die Assistenz kümmert sich auch um die anderen Schüler, so dass sie wirklich eine Bereicherung darstellt.
    + Von meinen Kollegen aus dem Sehbehindertenbereich: zwei blinde Schüler sind an Regelschulen (einmal Grundschule, einmal Gym). Beide sind jeweils zwei Tage an der Schule und haben eine Assistenz. Vor allem vom Grundschulkind weiß ich etwas mehr: Die Klassenlehrerin ist sehr bemüht, die Klasse ist klein, die Assistenz hat sich auch eingearbeitet (in ihrer Freizeit wohlgemerkt!), die Eltern sind auch auf Zack und so sind alle glücklich mit der Situation. Für sie ist es so dort definitiv besser als bei uns an der Schule, die weit weg ist.
    + viele Fälle, wo es ganz gut hinhaut, weil zumindest eine der wichtigen Säulen (Elternhaus, Bedingungen in der Klasse) stimmt.


    Jetzt kommen die zahlreichen Abers und vielen fragwürdige Fälle:
    - Mit Gymnasien haben wir manchmal zu kämpfen, vor allem, wenn die Gegend eher konservativ geprägt ist. Da kommen Schüler zu uns an Schule, die meines Erachtens völlig normal sind und durch ihr Arbeits- und Sozialverhalten bestechen, denen auch keine richtige Chance gegeben wurde. Es ist teilweise erschütternd, wie sie von Lehrern (!) erniedrigt wurden, weil sie einseitig taub sind, technische Hilfe benötigen, wegen der Schwerhörigkeit teilweise etwas anders sprechen oder eben keine Höraufgaben im Sinne des Nachteilsausgleichs bekommen sollen.
    - Ein Schüler ist an einer Mittelpunktsschule in der 8. Klasse. Die Schüler sind in H/R-Kurse eingeteilt, weswegen die Klassenlehrerin den Jungen nur zwei Stunden in der Woche sieht. Das ist doch auch für die große Masse an Schülern Bockmist. Das Mikrofon wird nie benutzt, weil der Schüler es nie mit hat. Das Elternhaus interessiert es nicht und man hört immer nur Ausflüchte, warum es gerade jetzt nicht geht.
    - 2. Klasse, Junge ist gehörlos, trägt aber zwei Cochlea-Implantate (CI). Als ich zu Besuch war, waren die Batterien auf einer Seite leer und keine Ersatzbatterien dabei. Die Mutter hat noch nie jemand gesehen und auch ich habe sie noch nie ans Telefon bekommen. Die Vertretungslehrerin ist zugänglich und versucht umzusetzen, was sie so kann. Die eigentliche Klassenlehrerin war länger krank, kommt aber bald wieder und kümmerte sich um fast nichts (ein Mikrofon im Unterricht um den Hals hängen zu haben ist ja wirklich nicht zu viel verlangt!). Das ganze Kollegium sieht, dass sie das absichtlich vor die Wand fahren lässt und zerreißt sich das Maul über sie. Auch die Schulleitung weiß das und lässt sie gewähren.
    - Mittelschule. In der 7. Klasse sind LH/H/R vertreten. Klassenleitung und gleichzeitig Konkrektor ist wirklich bemüht, dass es klappt, aber in der Klasse ist er nicht das einzige Sorgenkind. Trotzdem ist der Schüler sozial isoliert und verfällt in störendes Verhalten, weil es eben auf keiner Front gut für ihn läuft. Ich hoffe, ich kann die Eltern überreden, dass er zu uns an die Schule kommt. Als ich das erste mal da war und nach der Hospitation mit ihm geredet habe, standen ihm die Tränen in den Augen und man merkte ihm seine Hilflosigkeit deutlich an. Als ich bei ihnen zu Hause war, um mit den Eltern zu reden und mir mal einen Überblick zu verschaffen, war er ein recht normaler umgänglicher Teenager.


    Ich könnte diese Negativliste gefühlt unendlich fortsetzen. In meiner letzten Klasse waren 6 von 7 vorher an einer Regelschule gewesen und vor allem am Anfang der 5. Klasse haben sie sich regelmäßig das Herz ausgeschüttet, wie es ihnen an der Grundschule erging.



    In allen Fällen kristallisieren sich ein paar Sachen heraus, die für das Gelingen notwendig sind:
    - Die Lehrer müssen bereit sein (das sind sie meistens) und auch genug Kapazitäten haben, dass sie sich dem widmen können.
    - Ist die Klasse zu groß oder mit weiteren Problemfällen überfrachtet, wird man der Lage auch oft nicht Herr.
    - Das Elternhaus ist eigentlich das wichtigste an der Sache. Die müssen sich letztendlich hinter alles klemmen. Das beginnt mit Streitigkeiten mit der Krankenkasse wegen der Technik, über den Schulträger (schallsanierter Raum), gute medizinische Versorgung und eben auch mit dem Kind das nachzuarbeiten, was im Unterricht nicht geschafft wurde. Das lässt sich auch bei besten Bedingungen einfach nicht komplett vermeiden.
    - Der Schüler sollte nicht zu den ganz schüchternen und zurückhaltenden gehören, denn auch er muss sich darum kümmern, dass er etwas mitbekommt. Dafür braucht man halt ein wenig Biss. Generell wird an einem Kommunikationsverhalten in der Regelschule gar nicht gearbeitet und man schlägt sich irgendwie durch. Bei uns an der Schule wird da viel mehr Wert drauf gelegt, sogar in Form eines Extrafaches Hörgeschädigtenkunde.


    Da das Elternhaus echt entscheidend ist, merkt man natürlich eine soziale Schere. Das ist es, was ich den ganzen radikalen Inklusionsbefürwortern am meisten vorwerfe. Inklusion tritt an als großes emanzipatorisches Vorhaben, erreicht aber das genaue Gegenteil. Viele gut aufgestellte Eltern entscheiden sich dann nach einer gewissen Phase des Scheiterns oder großer Probleme für unsere Schule trotz der teilweise immens langen Fahrtwege mit dem Bus. Eltern, die sich für ihre Kinder nicht sonderlich interessieren, lassen die dann auch auf der Regelschule versauern und es fährt gegen die Wand. Wären sie bei uns, müssten sie sich um weniger kümmern, weil wir das als Fachleute viel mehr im Blick haben. Wie oft habe ich es schon mitbekommen, dass Schüler eine Probebeschulung bei uns machen und dann schon nach einem Tag sagen, dass sie bei uns bleiben wollen, weil es ihnen so gut gefällt.
    Uns wurden ja sinkende Schülerzahlen prognostiziert, was sich aber überhaupt nicht bewahrheit. Es gab mal einen kleinen Knick und vor allem im Grundschulbereich waren die Zahlen stark zurückgegangen, wo auch schon mal eine Klasse 1/2 eingerichtet werden musste, weil es nicht genug für zwei getrennte Klassen gab. Dieses Jahr haben wir so viele Schüler wie noch nie bei uns eingeschult. Darunter sind einige als Quereinsteiger dabei und zwei, wenn auch kleine, erste Klassen. Es scheint sich wohl schon bei Eltern rumgesprochen zu haben, dass es mit der Inklusion nicht so toll läuft und man entscheidet sich direkt für uns. Da bin ich ganz beruhigt, dass Hessen nicht Inklusion mit der Brechstange betreibt wie NRW, Bremen, Hamburg oder Berlin. Ich habe mein Ref in NRW gemacht und es war ein reiner Alptraum dort.

Werbung