Wie ist denn das? für von Geburt an Gehörlose ist Schriftsprache wahrscheinlich immer auch eine Hürde, weil Laute verschriftlicht werden, oder?
Das hast du sehr gut erkannt, wobei ich das nicht nur auf Gehörlose verengen würde, sondern allgemein auf Hörgeschädigte ausweiten würde. Ein Gehörloser mit zwei gut funktionierenden CIs ist mehr wie ein Schwerhöriger zu behandeln. Wie gut da Schriftsprache beherrscht wird, hängt von mehreren Faktoren ab: Grad der Schwerhörigkeit, Zeitpunkt der Hörschädigung und Verlauf und natürlich Intelligenz (höhere Kompensationsmöglichkeit).
Vor allem primäre Gebärdensprachler haben zu kämpfen, weil die Gebärdensprache völlig anders aufgebaut ist als Lautsprache. Lautsprache ist sequentiell (Wort für Wort), während Gebärdensprache auch einiges simultan abhandelt (Handform, Ausführungsort, Richtung der Bewegung, Mimik als grammatikalische Struktur, Körperhaltung, Mundbild). "vier schlimme Jahre lang" (4 Worte) ist eine einzige Gebärde mit der entsprechenden Mimik. Viele Sprichwörter mit dem Wortwitz, wie wir Hörende sie gerne verwenden, gibt es in der Gebärdensprache in diesem Sinne nicht. Die haben einen ganz anderen Modus.
Diese ganze Technik (angefangen bei digitalen Hörgeräten bis eben zu solchen Diensten) ist ein Fluch und Segen zugleich. Vieles wird möglich, aber man ist davon abhängig. Diese Untertitel-App für Kinofilme auf dem Handy ist nur da nutzbar, wo man Empfang oder W-LAN hat und so geht das immer weiter. Außerdem verleitet es auch dazu, zu denken, dass die Technik da jetzt steht und ansonsten ist nichts mehr nötig. Was nützt mir eine Verschriftlichung eines Worts, das ich gar nicht kenne und mir auch nicht herleiten kann? Davon gibt es unter Umständen einige und man fragt nicht jedes nach. Hörgeschädigte haben einen geringeren Wortschatz als Normal-Hörende. Sich dem "normalen" Wortschatz anzunähern, ist harte Arbeit. Als Berufsschüler kann man das Skript nehmen und zu Hause nacharbeiten.
Je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist es, dass da auch jemand etwas erklärt, warum das so ist. Einem kleinen Kind nützt eine reine Übersetzung nichts, wenn es nicht weiß, was das für Hörende eigentlich bedeutet. Da braucht es eben einen pädagogisch ausgebildeten Dolmetscher, der zwischen diesen beiden recht unterschiedlichen Welten vermittelt.