Hallo Morse,
kann es sein, dass vielleicht deine Erwartungen an die Bildungswissenschaftler etwas zu hoch ansetzen und du alles, was nicht eindeutig ist bzw. sofortigen Erfolg/Umsetzbarkeit verspricht, ablehnst?
Was soll falsch daran sein, mit Feedback-Bögen zu arbeiten? Das mache (sogar) ich als Referendar und das kommt bei den SuS sehr gut an. Ich konnte dadurch in Erfahrung bringen, was sie an meinem Unterricht stört und was schon recht ordentlich klappt. Leider wurstel ich aber alleine vor mich hin - weder Seminar noch Schule würdigen meine "privaten" Datenerhebungen; eher im Gegenteil: Es wird eher vermutet, dass ich mich dadurch ggf. taktisch rechtfertigen oder profilieren will. Aber das ist ein anderes Thema.
Hattie möchte, dass Lehrer untereinander kooperieren und als Teams agieren, die das Lernen als solches thematisieren und reflektieren. An vielen Schulen sind Lehrer nach wie vor Einzelkämpfer und die Scham und Hemmung ist groß, anderen davon zu erzählen, wenn es mit manchen Schülern/Klassen nicht so recht klappt.
Das nennt er "Haltungen". Man muss seine Haltung ändern, wenn man die eigene Effektivität als Lehrender wirkungsvoll verbessern möchte: Schluss mit Einzelkämpfertum und keine Angst mehr vor (eigenen) Fehlern. Eigentlich sind das alles alte Weisheiten, insofern hat Hattie hier gar nichts großartig neu erfunden, sondern lediglich mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden starke Evidenz dafür geliefert, weshalb und wie diese noblen Vorsätze erreicht werden könn(t)en und soll(t)en.
Und mit Verlaub: Du wirst diese Evidenz nicht mit einigen flott hergesprochenen Sätzen vom Tisch wischen können; wer die "Hattie-Studie" kritisieren möchte, kann das jederzeit sehr detailliert tun, denn hier liegt nicht irgend ein unzugängliches und schwerverständliches geisteswissenschaftliches Werk vor, sondern eine klare und transparente Methodik. Die wenigsten Kritiker setzen sich damit tiefergehend auseinander. Nicht umsonst wird landläufig vom "Fast-Food-Hattie" gesprochen.
Aber ich stimme dem schon zu: Es ist leicht, Hattie misszuverstehen, wenn man nur die übliche Oberflächendiskussion der deutschen Pädagogik-Tradition als Grundlage hernimmt, die nach wie vor mit völlig ausgefransten Begriffen und Denkschemen wie "Frontalunterricht" vs. "kooperatives Lernen" etc. selbstgenügsam arbeitet und von einer "Bildungsreform" zur nächsten hetzt.
der Buntflieger