Ist dem denn so? Es wird doch immer auf die soziale Selektivität des deutschen Schulsystems hingewiesen? Bestimmt demnach nicht überwiegend der sozioökonomische und soziokulturelle Status, wer ein Abitur bekommt und wer nicht?
Für mich ist ja immer noch interessant, wo der echte Zusammenhang besteht. Der Nachhilfemarkt boomt und wird natürlich hauptsächlich von Familien in Anspruch genommen, die es sich locker leisten können. Die Abstiegs- und Zukunftsangst sitzt vor allem in der Mittelschicht zu tief.
Schaue ich mal in meine Schulzeit zurück, kann ich mich wenig an so etwas wie Nachhilfe bei meinen Mitschülern erinnern. Punktuell in einem Fach vielleicht, aber heute werden häufig mehrere Fächer gebucht, um dem Niveau standhalten zu können. Das war früher nicht so von Bedeutung, denn man hatte keine große Angst, dass man später ohne etwas "Richtiges" dastehen würde. Das ist heute deutlich anders!
Soziale Selektivität wird nie ganz auszumerzen sein, aber sie wird mehr von außen in das Schulsystem hineingetragen als dass sie von innen entstehen würde. Also wieder und wieder innerhalb des Schulsystems anzusetzen, führt logischerweise zu keinen erheblich veränderten Ergebnissen. Man muss sich auch noch einmal zu Gemüte führen, dass Ziffernnoten vor sehr, sehr langer Zeit erfunden wurden, um Leistung möglichst objektiv zu messen und darzustellen. Damit sollten auch Kinder aus einfacheren Verhältnissen die Bildungschance haben und nicht nur der Familienname und Familienstand der Eltern über die Aufnahme entscheiden. Eine Weichspülung des Prinzips der (Ziffern-)Noten ist doch wieder ein Schritt zurück und sorgt dafür, dass andere Faktoren greifen (müssen).
Man schaue mal nach Japan und Korea, wo so viele das Abitur machen und studieren. Die wichtigsten Tage des Lebens sind die Aufnahmeprüfungen bei den Wunschunis - also bei denen, die man sich leisten kann, versteht sich. In den USA sind die staatlichen Community Colleges eh verschrien und es drängt alles auf die kostspieligen Privatunis mit teils sehr renommierten Namen. Von so etwas sind wir noch weit entfernt - zum Glück! Man hat hier in Deutschland nach innen nur eine sehr schräge, sozialromantische Wahrnehmung, wie katastrophal doch alles im System Schule sei. Wäre die Einkommenssicherheit deutlich mehr gegeben, wären einige Eltern wohl deutlich entspannter. Bildungspolitik ist da eher ein Herumwerkeln an den Symptomen als an den Ursachen. Da müsste man andere Maßnahmen ergreifen.