Berufene und Zurückgerufene
Da erkennt man den Unterschied zwischen Beruf und Berufung.
Eben. Mein Beruf ist mein Beruf. Eine Berufung habe ich nicht, die fehlt mir auch nicht. Ich möchte mein Leben genießen, ich habe nämlich nur eines. Arbeit dient der wirtschaftlichen Sicherheit, meine Erfüllung finde ich darin bestimmt nicht.
Nur die die sagen, sie brauchen nachmittags, abends und am Wochenende keine Zeit für Schule, die machen meiner Meinung nach irgendwas falsch.
Ach? Was macht denn jemand falsch, der eine professionele Distanz zu seiner Arbeit hat und es schafft, regelmäßig eine klare Schlusslinie zu ziehen? Ich weiß durchaus, dass wir keine Stechuhr-Fließband-Tätigkeit ausführen, das gibt auch die Besoldungsgruppe her. Und mache Tätigkeiten fallen saisonal an. Alles gut. So habe ich auch nicht den Eindruck, ich würde zu wenig arbeiten oder mich vor der Arbeit drücken.
Aber die Idealvorstellung sind dann doch geregelte Arbeitszeiten an einem geregelten Arbeitsplatz. Morgens kommen, Unterricht halten, Kram erledigen, Feierabend. Ob das dann 16 oder 18 Uhr ist, spielt mal keine Rolle. Aber es wäre ein geregelter Feierabend. Danach ist dann Freizeit. Und am Wochenende ist Wochenende.
Das klappt bei mir auch nicht, und ich buckele so mache Stunde. Das liegt aber sehr viel an strukturellen Problemen. Die kann ich nicht alle lösen, also muss ich sehen, wo ich innerhalb des Systems bleibe.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Bevor man sich überlegt, wie man seine Arbeit verteilt, muss man erst mal überlegen, was wie wichtig ist. Wenn man alles für gleich wichtig hält, hat man vielleicht ein Problem mit der Einschätzung. Oder mit der Selbstwahrnehmung und man hält sich selbst für zu wichtig. Kleine Übung: Beobachtet mal, was passiert, wenn einer der unentbehrlichen Kollegen pensioniert wird. Nach sieben Minuten kennt man dessen Namen schon nicht mehr und der Laden läuft weiter.
Nächste Übung: Beim Schreibtischaufräumen am Schuljahresende schmeiße ich schon mal Kram weg, von dem ich vorher dachte, dass ich mich drum kümmern muss. Musste ich aber nicht. Das, was man nicht macht, wird nämlich genau so wenig wahrgenommen wie das, was man macht. Wenn's was wichtiges ist, meldet sich schon jemand.
Neues aus Absurdistan
Hier fragt jemand an, wie er es schafft, sich einen freien Tag zu organisieren. Dann bekommt er Antworten, dass bis Mitternacht am Schreibtsich auch ganz schön sei, dass man seine Familie in die Unterrichtsvorbereitung einbeziehen kann, um jegliche Grenzen zu verlieren. Oder wie man sich den Sonntag mit Bereitschaft zuballern kann, damit man auch ja noch für Montag früh 'ne Vertretung vorbereiten kann. Aber natürlich per WhatsApp (auf dem privaten Sprechkasten) und nicht per E-Mail, na dann geht's ja.
Lasst ihr euch eure Tagebücher eigentlich von Kafka schreiben?
Wenn ich montags ab 9 Uhr Unterricht habe, kann ich nur dann um 8 eine Vertretung übernehmen, wenn die Freitag bekannt ist. Der Rest ist nicht mein Problem. Die Sicherstellung des Unterrichts ist Aufgabe des Schulleiters. Wenn ihm dafür Personal fehlt, soll er sich an die zuständige Stelle wenden. Die sollen dann einen schicken, der montags früh Bereitschaft macht. Oder es ist doch nicht so wichtig.
Da und bei allem anderen gilt, dass man erst mal prüft, ob einen das überhaupt etwas angeht und wie wichtig es ist. Und das ist auch mein Tipp an den TE.
Mag sein, dass das alles etwas unentspannt wirkt. Aber neben manch anderem ist mir der Eindruck, den anonyme Internetbekanntschaften von mir haben, auch egal.