Auch auf mich wirkt der Artikel zu emotional. Allerdings frage ich mich, ob das journalistisch beabsichtigt ist.
Man gewinnt den Eindruck, dass jemand, der unbedingt diesen Beruf ergreifen wollte, von den Aufgaben überfordert und überrascht ist. Fast sieht es so aus, als wäre er ziemlich unvorbereitet in diesen Beruf gestolpert.
Dass man fremde Schüler begutachten muss, das ist doch auch eine Aufgabe von Sonderpädagogen? Das müsste einem im Vorfeld klar sein, dafür erhält man eine spezifische Ausbildung. Wir an der Grundschule sind froh, dass wir diese Unterstützung haben, denn wir an der Grundschule dürfen gar nicht das testen, was bei uns der mobile sonderpädagogische Dienst darf.
Natürlich haben viele einen Praxisschock, denn man hat oft die Illusion, dass man es hinkriegt - gerade wenn man ein größeres "Sendungsbewusstsein" in den Beruf mit einbringt, ist man besonders gefährdet. Ich weiß nicht, wie praxisorientiert die jetztige Lehrerausbildung ist. Ich hatte, als ich als Lehrerin angefangen habe, einen gehörigen Praxisschock, was die Disziplin betraf und was mein Vermögen dazu darstellte. Die Tipps, die ich im Studium dafür bekommen habe, halfen erst einmal nicht viel.
Im Prinzip hört sich die Schilderung so an, als wäre der Kollege von anderen allein gelassen - von Mitkollegen, die ihm sicher auch einmal Tipps geben könnten und einer Schulleitung, deren Verhalten bei mir nur Kopfschütteln hervorruft. Ist man nicht gerade in einer Förderschule besonders aufeinander angewiesen? Das kann doch nicht sein, dass man da so in der Luft hängt, wie ich zwischen den Zeilen herauslesen kann. Oder ist das wieder ein journalistischer Trick, dass positive Aspekte weggelassen werden, damit die Enttäuschung so klar herauskommt?
Dass man in den Schulen mit dem Problemen von oben her (Doppelbesetzung, wie angesprochen) alleine gelassen wird, ist überall und das halte ich in Förderschulen als besonders gravierend.
Gibt es überhaupt einen Lehrerverband, der sich einmal für die Belange der Förderschullehrer einsetzt? Wenn es in der Schule so schlimm ist, warum setzen die Kollegen sich nicht einmal zusammen und überlegen, was sie tun könnnen? Alles hinnehmen, Dienst nach Vorschrift machen ist keine Lösung auf die Dauer, dadurch wird sich nichts ändern und eine Berufszufriedenheit wird sich dadurch nicht einstellen. Bei Lehrern merkt man manchmal, dass sie nie aus der Schule herausgekommen sind und viel zu sehr in den Mühlen des Obrigkeitssystems mitmachen. Warum so ängstlich? Wenn nie einer etwas sagt, ändert sich nichts. Ich bin schon länger im Schuldienst - in Vorinternetzeiten, da haben Lehrer - so mein Eindruck - mehr den Mund aufgemacht und zwar persönlich denjenigen gegenüber, die es betraf. Ein "Mundaufmachen" mit Maß hat übrigens meiner sg. Karriere nie geschadet.
Es gäbe auch weitere Lösungsmöglichkeiten, mit schlechten Bedingungen umzugehen. Bei uns werden z.B. immer mehr kostenlose Supervisionsangebote gemacht. Nur gibt es damit ein Problem: Es scheinen sich viel zu wenige zu trauen, ein solches Angebote anzunehmen. Dass Supervisionen der Professionalisierung des Lehrerberufs dienen und keine Schwäche darstellen, das muss erst auch einmal in viele Köpfe hinein.
Ansonsten sehe ich es auch so, dass wir mit zu vielen Aufgaben überfrachtet sind. Bei den zusätzlichen Aufgaben können wir gerne einmal "Dienst nach Vorschrift" machen.