Davon mal abgesehen, dass die Bilderbuchvorstellung und der reale Schultag von inklusiven Lerngruppen sich dann doch öfter mal unterscheiden. Die Vorstellung von dem mit- und voneinander Lernen und der Freundschaftsbildung von Kindern mit und ohne Behinderung (vor allem, da in den Werbemitteln meist Rollstuhlkinder genommen werden, nicht solche mit Down-Syndrom o.ä.)... Klingt alles super, aber wie oft ist das der Fall?
Moin,
ich kann Dir aus eigener Erfahrung sagen, daß es alles andere als super ist. Bin als Kleinkind im Freibadabgesoffen, wurde nach einigen Minuten rausgezogen und reanimiert. Ergebnis war eine spastische Lähmung dank Sauerstoffmangels. Nun ja, hab mit 5 Jahren das zweite Mal Laufen und mit 14 Radfahren gelernt, fragt aber bitte nicht, wie das ausgesehen hat. Dazu gabs dann noch an 5 Nachmittagen in der Woche Krankengymnastik, Logopädie, Koordinationstraining, ... das komplette Programm halt.
Die haben mich auch ganz gut wieder hingebogen, habe auch die normale Grundschule und das Gymnasium besucht. Nach dem Abitur stand die Musterung an (gab ja noch die Wehrpflicht). Dort habe ich meinen Behindertenausweis verwiegen, weil ich tauglich gemustert werden wollte. Hab dann auch den Wehrdienstabgeleistet und bin anschließend mit Musterungsbescheid, Stellungsbefehl und der Bescheinigung über den abgeleisteten Wehrdienst zum Versorgungsamt gegangen, um den blöden Behindertenausweis loszuwerden. die wollten mich daraufhin erstmal zum Amtsarzt schicken, ob ich wirklich gesund wäre... Mein Verweis darauf, daß so ein Musterungsbescheid doch wohl amtlich genug wäre, hat sie dann aber doch überzeugt.
Die haben mich da sogar so gut wieder hingebogen, daß es anschließend für das Tauglichkeitszeugnis beim Fliegerarzt gereicht hat.
--> http://www.lehrerforen.de/inde…on-wieder-falsch-gemacht/
Warum ich das alles schreibe? Nun, ich bilde mir ein beurteilen zu können wie das in der Regelschule aus Sicht eines Behinderten läuft. Und da muß ich rückblickend feststellen, daß es mir gut getan hat im Hinblick auf "Rückschläge ertragen lernen". Insb. die Grundschul- und Sek. I-Zeit war heftig. Ja, Kinder können grausam sein und glaubt mir, alle Vergünstigungen, die da der Behinderte bekommt, kriegt er in durch die Lehrkräfte unbeobachteten Momenten wieder reingewürgt. Ab der Sek. II wurde es dann besser. Wenn da aber dann noch das Gefühl dazu kommt komplett zu versagen, weil man die Schulabschlüsse der anderen Schüler aber auch nicht bekommt sondern da nur als Punching-Ball in der Klasse sitzt, quasi wie ein Anschauungsobjekt im Zoo, ist der Regelschulbetrieb eigentlich nur noch negativ.
Dann lieber die 5 in Sport kassieren, auch im Abitur, als eine Freistellung, die dann dazu führt, daß man im Schulleben eh nur der Aussetzige ist, auf dem alle rumhacken können. Und je mehr Lehrer meinen in diese schülerinternen Streitigkeiten eingreifen zu müssen, desto schlimmer wird es, weil sie den Ärger, der von den Lehrern kommt, quasi weitergeben.
Aber nun zum Positiven: Nachdem ich all die Jahre durch diese "Schule" gegangen war, konnte mich auch das Referendariat und die Widrigkeiten (angedrohte Nichtzulassung zum BDU usw.) nicht mehr schocken. Wenn sie mich da fertig machen wollten, kam bei mir immer nur der Gedanke hoch: "Was bilden sich die da (Schulleiterin, Seminar, ...) eigentlich ein, wer sie sind? Meinen die, daß sie alles mit dir machen können? Du hast schon ganz andere Schlachten geschlagen! Jetzt erst Recht! Sollen sie dch rauswerfen, freiwillig weichst du nicht, nicht einen Millimeter!" ... oder, um Churchill zu zitieren: "We shall never surrender!"... und mit dem Zitat habe ich dann auch das Referendariat durchgestanden.
Zusammenfassend würde ich sagen:
Wollt ihr Behinderte, die sich später auch durchsetzen können, schickt sie in die Regelschule. Beschwert euch aber nicht, daß dabei einige auf der Strecke bleiben werden. Wollt ihr sie vor dem Terror der Mitschüler (und ja, der ist bereits am Ende der Grundschule extrem ausgeprägt, eben genau dann, wenn kein Lehrer hinguckt) bewahren, kommt nur eine Beschulung in Sonder- bzw. Förderschulen in Betracht.
Und ja, Churchill hatte doch Recht: "What is our aim? [...] Victory at all costs and in spite of all terrors; victory, however long and hard the road may be, for without victory there is no survival."