Verdammt! Ich wusste, dass ich was liegengelassen habe...
Äh... ich fürchte, so einfach darf man es sich nicht machen...
Ich habe nirgendwo gesagt, dass das irgendwie einfach ist. Ich denke, mit dem Ziel, Lerner handlungsfähig in einer reinen L2-Umgebung zu machen, sind sehr komplexe Kompetenzfelder verbunden und es ist ein gerüttelt Maß an didaktischem und pädagogischem Handwerk nötig, bei den Lernern Fortschritte in diesen Kompetenzen zu erzielen.
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Ich unterrichte Englisch in Franken und das ist als gebürtige Westfälin ohnehin eine Herausforderung.
Ich kann mir vorstellen, dass da auch ein grundsätzlicher Mentalitätsunterschied im Schulsystem beiträgt. Ich sage mal ganz neutral, dass das bayerische Verständnis schulischer Leistung sehr mit Fragen von Präzision in der Reproduktion von Inhalt und Methode durchdrungen ist und mit dem Streben nach curricularer Vollständigkeit.
Das kann man sicherlich ausführlich und mit gutbegründetem Für und Wider diskutieren, was ich hier nicht tun will. Ich unterrichte allerdings seit 15 Jahren Englisch mit Lernern unterschiedlichsten Leistungstandes z.T. in einem Kurs; und dabei rede ich von einer Bandbreite von ausgebildeter Fremdsprachensekretären bis zum Russlanddeutschen, der ein Jahr Englisch in der Schule hatte. Und dabei beobachte ich seit langem und immer wieder, dass das Primat von Richtig und Falsch unter gleichzeitiger Zurückstellung von Kommunikation die beschriebenen Effekte hervorruft. Ich befrage meine Eingangskurse ganz regelmäßig nach der Art und Weise ihres bisherigen Englischunterrichts und vergleiche das mit meinen diagnostischen Beobachtungen von Ausgangslage und Entwicklung.
Für mich ist die Sachlage eindeutig - und eben dieser Thread hier zeigt doch genau das gleiche Bild. Akademisch gebildete Teilnehmer mit jahrelangem Englischunterricht sehen bei sich selbst große Defizite in Rezeption und Kommunikation. Ich denke, da muss man sich als Sprachlehrer mal zurücklehnen und sich fragen, woran das liegt. Nun ist Englisch in der Regel die erste Fremdsprache - aber bei der Zweitsprache ist der Effekt noch viel dramatischer. Wortwörtlich Millionen von Deutschen haben jahrelang Französisch in der Schule gelernt und kaum jemand kann hinterher in der Sprache kommunizieren. Was ist da eigentlich los? Ich sage nicht, dass es jetzt einfache Kochrezepte gibt (so wie in meinem Referendariat die Methode der Ziegesars halbwegs als Wundermedizin fürs Grammatiklernen verkauft wurde.) Aber ich habe mit meinem Ansatz gute Erfolge.
Wohlgemerkt: ich rede ganz und gar nicht von "Grammatik, Aussprache und Wortschatz sind doch egal" sondern von etwas anderem:
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Während ich in den Eingangsklassen aber bewusst die Freude an der Fremdsprache fördere und z.B. gemeinsam mit den Schülern über den britischen "Singsang" im Satz lache, muss ich spätestens ab Klasse 7 auf Sprachrichtigkeit achten, denn es ist nun einmal ein Unterschied, ob der Schüler sagt: "He's writing a letter" oder "He's riding a ladder". Letzteres könnte zu irritierenden Situationen führen, sollte der Schüler doch einmal auf einen native treffen. Da, wo die falsche Aussprache eine Bedeutungsveränderung zur Folge hat (super Beispiel: das berühmte "th" in path vs. to pass), kann ich nicht mehr ein schmunzelndes Auge zudrücken.
Du beschreibst sehr genau mehrere sprachliche Beispiele, die für misslungene Kommunikation ursächlich verantwortlich sind. Und solche Beispiele sind als Grundlage für das, was im Sprachunterricht vermittelt werden muss, sehr wichtig, denn sie verhindern die ultima ratio des Unterrichts, nämlich, dass sich der Lerner mit einem native speaker ohne eine gemeinsame andere Sprachbasis erfolgreich austauschen kann.
Und diesen Gedanken versuche ich, in meinem Sprachunterricht umzusetzen: Grammatik und Phonetik haben für mich immer in erster Linie die Funktion eines Werkzeuges zur Kommunikation. Ich sehe sie im Englischunterricht niemals als Selbstzweck. Ich versuche dadurch den Effekt zu vermeiden, denn wohl jeder Sprachlehrer kennt: das, z.B. der Unterschied zwischen Simple Past und Present Perfect, was auf dem Arbeitsblatt gerade noch zu 100% gelang, gelingt in der freien Anwendung nicht mehr. Woran liegt das, ist m.E. eine Folge eines Grammatikunterrichts, der nicht an die Kommunikation gebunden ist. Ich glaube auch, das führt hier allerdings zu weit, dass das ein Problem der Blickrichtung bei der Grammatikbetrachtung ist. So wird das höchst elegante Zeitsystem des englischen Verbs in der Schulbuchgrammatik vom semantischen und syntaktischen Kontext des Satzes heraus gedacht und man gelangt zu der seltsamen Vorstellung von gefühlt tausend Tenses, für die man tausend unterschiedliche Signal Words lernen muss. Denkt man von der Kommunikation her, wird die Sache viel einfacher. Es gibt nur zwei Zeiten - Gegenwart und Vergangenheit. Will ich die Aussage variieren, schalte ich Funktionen über Aspekt und Modalverben hinzu: Perfekt, wenn es um "Vergangenheit, die mit Jetzt zusammenhängt" geht, Progressive, wenn ich ein Andauern ausdrücken will, die Zukunft als Modalaussage oder als Aussage im Progressive...
Das ist mein Gedanke hinter allem, mit dem ich zeigen möchte, dass es mir nicht um ein "Runterdummen" geht, sondern um einen pädagogischen Gedanken der Ermutigung, der über eine sinnvolle didaktisch gestaltete Vermittlung der sprachlichen Mittel verfolgt wird. Einfach ist anders.
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Grundsätzlich stimme ich dir aber zu, dass der Englisch-Lehrer tatsächlich ganz easy peasy die Freude am Englischen kaputt machen kann.
Ich denke, das ist ein grundsätzlicher Gedanke, gegen den keiner was haben kann, und eine Gefahr, die in allen Schulfächern droht. Woran man m.E. arbeiten muss, ist, dass diese Überlegung und das Bewusstsein, dass der Schulabschluss nicht das Ende sondern der Anfang der Bildung ist, bei zu vielen KollegInnen nicht ausreichend verankert ist.