Ach, du gute Güte, so lange habe ich das hier liegengelassen!
Ok., dann frisch an die Tastatur.
7. Was ist Moodle? Wo ist das Problem bei Moodle?
Ich möchte darüber nicht so viel schreiben, was Moodle eigentlich ist, die meisten hier wissen zumindest theoretisch, wie Online-Lernplattformen funktionieren, auch wenn sie keine Erfahrung in Onlinedidaktik haben, die eine komplexe Angelegenheit ist und wo man für sinnvollen Einsatz viel praktische Erfahrung braucht. Oder keine Vorstellung von den technischen Gegebenheiten haben.
Falls jemand Interesse an detaillierteren Erklärungen hat, sagt einfach Bescheid ich kann gerne alles mögliche dazu berichten, auch von den technischen Hintergründen.
Moodle wird uns abitur-online Schulen des zweiten Bildungsweges in einer durch das Rechenzentrum verschränkten Variante bereitgestellt: die Benutzerverwaltung geschieht über Logineo - Klassenverbände und angemeldete User werden automatisiert an Moodle weitergereicht, so dass man in der Schulpraxis einfache Möglichkeiten hat, nicht nur Kurse, sondern auch Lehrerarbeitsgruppen, Fakos etc. zu verwalten und für Moodle bereitzustellen. Das ist für die Organisation der Schule sehr hilfreich.
Die Funktionen von Moodle überschneiden sich mit denen von Logineo; es gibt ein Nachrichtensystem auf Moodle und Moodle-Kalender, die aber ungenutzt sind, weil wir die gut eingeführten Funktionen von Logineo verwenden, die oben beschrieben habe.
Moodle ist extrem mächtig und lässt sich, anders als oft gesagt, auch mit visuell ansprechenden Oberflächen gestalten. Ich bin eigentlich noch keiner schulischen Aufgabe begegnet, für die sich Moodle als Online-Werkzeug nicht geeignet hätte. Damit ist aber ein Problem verbunden, nämlich die technische Komplexität. Man kann gefühlt 5000 Einstellungen vornehmen, wenn man die Schreibrechte z.B. in einem Moodlekurs hat. Die sind aber auch gleichzeitig alle sichtbar, was eine sehr große Einstiegshürde für Erstbenutzer bietet. Ich kann etwas selbstgefällig von mir sagen, dass ich 41 Jahre Erfahrung im Umgang mit Computern habe, aber ich habe mehrere Monate gebraucht, bis ich die Oberfläche einigermaßen flüssig bedienen, gestalten, geschweige denn administrieren konnte.
Wenn man in der Schulorganisation Moodle verwenden möchte, ist man darauf angewiesen, dass eine größere Zahl von KolegInnen mit der Plattform mehr als rein rezeptiv umgehen kann. Das heißt, dass kontinuierlich und zeitnah ein Helpdesk und ein First-Level-Support bereit stehen muss. Bei uns übernehme für die Moodle-Seite ich diese Aufgabe für zwei Entlastungsstunden.
Außerdem ist dafür ein großer Bedarf an Schulung notwendig. Wir sind als abitur-online Schule zumindest in der vorteilhaften Position, dass durch das Landesinstitut für Schule in Soest regelmäßig Einführungen für zukünftige abitur-online Lehrer gegeben werden und dass unsere Schulleitung diese Möglichkeit nutzt, um das entsprechende Know-How im Kollegium möglichst breit zu verteilen. Gleichzeitig muss bei der Überlegung, wie Moodle bei der Schulverwaltung eingesetzt wird, immer mitbedacht werden, dass kontinuierliche Begleitung und Hilfe bei technischen Problemen ein sine qua non ist. Der Helpdesk ist eine extrem wichtige und extrem zeitaufwändige Funktion in der Schule. Bei uns übernehme ich, wie gesagt, diese Aufgabe primär für Moodle und sie wird sehr gut angenommen. Aber dafür muss es aus zeitlichen Gründen Entlastung geben: ich bekomme zwei Entlastungsstunden, die bekannermaßen nur symbolischen Wert haben, aber ich halte mich auch aus allen anderen schulischen Aufgaben zurück. Das Arrangement funktioniert bei uns.
8. Moodle im Unterricht
In abitur-online ist Moodle ohne Frage Selbstverständlichkeit, gut funktionierende Selbstverständlichkeit. Im Normalbetrieb arbeiten wir daran, Moodle auch im Unterricht der Präsenzschule zu etablieren; einerseits, um den Unterricht hin zur "digitalen Schule" und "Mediendidaktik 4.0" zu entwickeln. Andererseits, um eine Möglichkeit zu finden, Unterrichtsausfälle und langfristige Vertretungen leichter zu kompensieren und das Kollegium darüber zu entlasten. In der Erwachsenenbildung ist das ein realistisches Ziel, weil selbstorganisierte Arbeit in höherem Maße von den Studierenden erwartet werden kann.
Ich setze Moodle regelmäßig in meinem Unterricht auch im Präsenzunterricht ein. Meine Kurse dienen der Kommunikation und der Bereitstellung von Links und Materialien. Ebenfalls verwende ich vorbereitete Eintragungen als Unterrichtsmedien und sammle Unterrichtsergebnisse direkt auf der Plattform.
Es gibt zwei Hauptkritikpunkte, die von KollegInnen geäußert werden:
a) Dass die Sammlung von Materialien und das Führen der Kurse Zusatzarbeit verursacht. Das ist ganz bestimmt richtig, wenn man den Moodle-Kurs als etwas versteht, was man zu Hause zusätzlich zur üblichen Durchführung und Nachbereitung seines Unterrichts macht. Ich spare mir diese Arbeit, indem immer in der laufenden Stunde meinen Laptop oder mein Ipad mit dem Präsentationsboard verbinde und direkt in die Moodle-Seite Eintragungen, Links, Materialverknüpfungen mache. Für die Studierenden meiner Kurse ist diese Form der Dokumentation und Arbeit mitlerweile selbstverständlich geworden und wenn ich als Lehrer die Stunde beende, ist die Online-Arbeit getan, weiterer Arbeitsaufwand ist nicht notwendig.
Das Problem bei der Sache ist offensichtlich, dass an der Schule ein funktionierendes WLAN zur Verfügung stehen muss oder aber Klassenraumcomputer mit Internetzugang. Damit steht und fällt dieser Einsatz. Ein Außengebäude unserer Schule hat kein Wlan, so dass ich dort meine persönliche Smartphone-Bandbreite zur Verfügung stelle. Das ist natürlich ein Unding, aber die Arbeitsersparniss wiegt für mich die Kosten auf. Geht aber langfristig trotzdem nicht.
b) Die Lerner ignorieren die Plattform und nutzen sie nicht. Das ist ganz bestimmt ein großes Problem. Online-Plattformen, egal in welchem Zusammenhang, leben immer von ihren Usern. Das gilt genau so für die Moodle-Plattform einer Schule. Deshalb muss die Plattorm erstens für die Lerner-User ständig sichtbar sein. Und sie muss zweitens motivieren, sich einzuloggen und die Plattform zu nutzen.
Um das umzusetzen, wähle ich zwei Strategien. Erstens, das, was ich oben unter a) gesagt habe, dass ich die Plattform im Unterricht als Live-Mitschnitt nutze. Wenn ich Bemerkungen der Studierenden untereinander höre - "Warum schreibst du das mit, das ist doch auf Moodle" - oder selber Anfragen entsprechend beantworte - "Stellen Sie das auch auf Moodle?" "Schauen Sie doch mal, was mache ich gerade?" - dann habe ich in der Hinsicht Erfolg. (Man kann darüber diskutieren, ob es tatsächlich einen Lernwert darstellt, wenn die Schüler die Tafelanschrift abmalen. Will ich hier nicht.) Dadurch wird jedenfalls den Lernern kontinuierlich die Plattform als Teil des Unterrichts und der Möglichkeit der Wiederholung bewusst und sie entwickeln ein Interesse, sich Zugang zu dem Unterrichtsverlauf über das Online-Angebot zu verschaffen.
Die zweite Strategie kann man wohl als eine Art von wohlmeinender Erpressung beschreiben. Dass Lerner ihre Arbeitsblätter verlieren, ist unter Lehrern wohlbekannt. Ich stelle meine Arbeitsblätter online zur Verfügung und weigere mich, nach der betreffenden Unterrichtsstunde weitere Materialien auszuteilen. "Laden Sie es sich herunter". Ansagen, Termine und sonstige Informationen nenne ich nur einmal in der betreffenden Unterrichtsstunde. Wer nicht da ist, muss sich online informieren oder hat Pech gehabt. Diese Form der Erpressung funktioniert gut, so lange die Schule auch Computer bereitstellt, für den Fall, dass die Lerner nicht über eigene Hardware verfügen. Das kann bei uns im 2. Bildungsweg durchaus der Fall sein. Andererseits nimmt dieses Problem gegenüber der Situation von vor 10 Jahren, als ich mit Online-Unterricht begonnen habe, zunehmend ab. Es ist heutzutage eigentlich Standard, dass Lerner Internetzugriff haben.
Ganz generell ist es schwierig, eine Lernplattform wie Moodle oder andere als Selbstverständlichkeit in der Unterrichtsarbeit zu etablieren. Die pädagogische Freiheit ist in unserem Schulsystem ein hohes Gut und das bedeutet, dass man Lehrer kaum zwingen kann, diese Möglichkeiten zu nutzen. Aus Schulleitungs- und Koordinationsperspektive kann man nur über die Schiene arbeiten, dass den KollegInnen die Online-Plattform nicht als Bürde erscheint sondern als Mehrwert in ihrem Interesse. Das heißt, der "didaktische Mehrwert", ohnehin ein fragwürdiger Begriff!, ist nicht relevant, sondern nur der individuelle Nutzen zur Arbeitsersparniss. Dies ist aber nicht über Druck möglich sondern nur über den Zug durch produktive Beispiele. In anderen Worten, man braucht eine Kerngruppe von KollegInnen, die über Beispiele die Vorteile immer wieder im Kollegium demonstrieren und kommunizieren.