Ich bin ja wie Humblebee an einer BS und unterrichte ab Klasse 10 von "Hauptschulabschlussnichtgeschafft-Klassen" bis zu Leistungskursen. Vorher war ich an allgemeinen Gymnasien und kann ohne Romantisierung sagen, dass das Niveau im Beruflichen Gymnasium identisch mit einem allgemeinen Gym sein sollte (u.a. auch wegen des Zentralabiturs in Hessen, mehr dazu später).
Zwischen Humblebee und mir gibt es aber einen enormen Unterschied: Ich befürworte absolut das mehrgliedrige System.
Ich unterrichte gern meine BFS- und BVJ- Klassen und gebe mir mindestens genau so viel Mühe bei Förderung etc. wie in den BG-Klassen. Aufgrund sozialer und/oder sprachlicher Probleme sowie oft mangelnder Arbeitshaltung und eben auch kognitiver Einschränkungen sind die fachlichen Inhalte aber stark begrenzt. Ja, was absolut richtig ist: wären einzelne Schüler dieser Klassen in einem Arbeitsumfeld aufgewachsen, in dem Hausaufgaben gemacht werden, ein Leistungswille der Klasse vorherrscht, Eltern sich um die schulischen Belange kümmern würden etc., wäre evtl mehr möglich. Aber, und jetzt kommt das große ABER, bin ich mir sehr sicher, dass bei einem Zuviel an Desinteressierten, sozial Auffälligen, weniger kognitiv Fähigen in einer Klasse auch einige nicht in einem Leistungskurs auf gymnasialen Niveau säßen.
"Die Stärkeren können ja den Schwächeren helfen und lernen dabei selbst etwas" halte ich für eine Alibiaussage. Selbst innerhalb meines Leistungskurses ist das schon grenzwertig, über noch größere Heterogenität hinweg wäre das für mich unvorstellbar. Markus' Horizont endet nunmal am nächsten Fußballspiel, Mia interessiert sich nur für die neuesten Videos ihrer Lieblingsinfluencerin, während Peter tief in die Mathematik versunken ist und Gabi Lyrik toll findet. Markus erreiche ich ganz anders als Gabi, ich kann in unterschiedlichen Schulformen ganz anders auf beide eingehen und das finde ich auch gut so. Ich will beide so gut es geht unterstützen.
Was passiert, wenn Schüler die nicht für sie geeignete Schulform wählen, erlebe ich leider auch jedes Jahr und das möchte ich auch gerne an Midnatsol richten: Wir als BS sind mittlerweile eine große Konkurrenz für Gymnasien, achte also bei deiner Idee auf BS in der unmittelbaren Umgebung. BS können die Oberstufe eines Gyms enorm reduzieren: 1) treten einige Gymnasiasten, deren Laufbahn am allgm Gym eher steinig war, zu uns über, weil sie denken, dass es am BG einfacher sei 2) wechseln Schüler mit Realschulabschluss eher an eine BS als an ein Gym, wenn sie Abitur oder ihre Fachhochschulreife machen möchten.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre (Corona ausgeschlossen, da andere Versetzungs- und Übergangsregelungen) sind allerdings ca. 30 -40 % der Schüler für höhere Schulformen nicht geeignet. 20% merken dies auch im ersten Jahr und verlassen die Schulformen wieder, und ich gebe zu, erst dann ist ein Arbeiten auf entsprechendem Niveau möglich