Klingt in der Theorie nett. Ich frag mich halt, ob das auf ein entsprechend größeres System wie Deutschland übertragbar wäre. In der Schweiz scheint es ja so zu sein, dass nur sehr begabte und leistungsbereite Kids aufs Gymnasium kommen. Entsprechend wenige dürften das dann sein in einem so kleinen Land.
Ja, eben die begabten und leistungsbereiten. Das sollte in Deutschland auch so sein. Es ist ja auch nicht schlimm, wenn man die Voraussetzungen nicht erfüllt. Bildung ist keine Sackgasse, weder in Deutschland noch in der Schweiz. Wer ein Spätentwickler ist oder auch erst später weiss, was er möchte, hat immer noch genug Chancen.
Ich war auch ein Spätzünder, dazu noch aus einem "bildungsfernen Umfeld" wie man heute sagen würde, mit 10 Jahren hätte ich nie am Gymnasium mithalten können und auch in den unteren Klassen der Realschule war ich ein eher mittelmässiger Schüler. Aber in der 9./10. und in der Ausbildung war es dann anders und als ich mit Anfang 20 wusste, dass ich eine Uni von innen sehen möchte, habe ich das Abitur nachgeholt, danach studiert und promoviert. Das einfach mal als Argument gegen die Schicksalsgläubigen auch unter den Politikern und Eltern, die meinen, dass der Lebensweg schon im Kindesalter festgelegt wird. Ja, es gibt Bildungsungerechtigkeit – aber ein Schicksal ist das noch lange nicht. Wenn man erwachsen ist, kann man seine eigenen Entscheidungen treffen. Dass man auch eine gewisse Begabung mitbringen muss, logisch… aber man muss vor allem eines: wollen!
Ach und was war nun eigentlich mit dem schlechten Ruf hessischen (=dezentralen) Abiturs? So richtig überzeugen kann mich das nicht und das hat m.E. auch nichts mit „Vertrauen“ in die Lehrer zu tun, sondern mit Gerechtigkeit ggü. Schülern, die nicht von der Willkür Einzelner abhängig sein sollten. Schule ist nunmal ein Staatsapparat und kein System von privaten Bildungsträgern.
In der Schweiz sind die meisten Schulen auch öffentlich, aber weit unbürokratischer. Für mich hat es übrigens sehr wohl etwas mit Vertrauen zu tun – Vertrauen, dass ein Lehrer ein Profi in seinem Fach und seiner Vermittlung ist und seine Entscheidungen fachlich und pädagogisch-didaktisch begründen kann. Das ist für mich das Gegenteil von Willkür. Dass Schüler A bei Lehrer X nicht genau das Gleiche lernt wie Schüler B bei Lehrer Y empfinde ich nicht als ungerecht – denn wenn man sich mit Kollegen vergleicht, stellt man fest, dass die meisten sowohl was den fachlichen Kanon als auch das Niveau angeht, sehr ähnliche Vorstellungen haben. Klar, wie schon @Wollsocken80 schrieb, schwarze Schafe gibt es in jedem System, aber davon geht die Welt doch auch nicht unter.