Beiträge von tibo

    Ich finde es gibt einige gute Argumente gegen die bindende Schulformempfehlung und diese wurden hier auch schon genannt. Mit dem Fokus der Bildungsgerechtigkeit kann man auch für die bindende Schulformempfehlung argumentieren - dann aber mit einem Haken: Die Herkunftseffekte beim Übergang zeigen laut Aladin El-Mafaalani, dass die Empfehlungen der Lehrkräfte insgesamt fairer sind, als die Entscheidungen der Eltern aus benachteiligten Familien oder Familien mit Migrationsgeschichte. Möchte man eine bindende Empfehlungen für bessere Bildungschancen einführen, muss die Empfehlung auch wirklich bindend in alle Richtungen sein. Kinder aus benachteiligten Familien werden entgegen der Gymnasialempfehlung häufiger an Realschulen angemeldet, während Kinder aus privilegierten Familien häufiger am Gymnasium angemeldet werden, obwohl sie eine Realschulempfehlung haben. Beides sollte dann nicht mehr möglich sein.


    Zitat von Aladin El-Mafaalani: Mythos Bildung

    Die Entscheidungen der Eltern verstärken nämlich die herkunftsbedingten Unterschiede weiter. Genau genommen ist das Lehrerurteil sogar fairer als das Elternhandeln. (...) Interessanterweise stellt die Übergangsempfehlung selbst dort, wo sie verbindlich ist, lediglich eine Obergrenze dar. Kinder mit einer Realschulempfehlung dürfen nicht auf das Gymnasium, Kinder mit einer Gymnasialempfehlung können aber an einer Realschule angemeldet werden. Dieses Nach-unten-Abweichen wird von Arbeiterfamilien tatsächlich häufig praktiziert, von akademisch gebildeten Eltern nicht.


    So oder so müsste es mehr Sensibilisierung für das Thema Schulformempfehlung und -beratung bei Kindern aus benachteiligten Familien geben. Im Buch Mythos Bildung wird zum Beispiel auch erklärt, dass weiche Kriterien wie Einstellung zum Lernen und Familienhintergrund Bildungsungerechtigkeit beim Übergang verstärken und das vermeintliche Leistungsprinzip dabei konterkarieren:


    Zitat von Aladin El-Mafaalani: Mythos Bildung

    Selbst das KMK gibt vor, weiche Kriterien wie Fleiß und Einstellung zum Lernen in die Empfehlung einfließen zu lassen, sodass nicht allein die Leistung entscheidet. Das entspricht aus habitustheoretischer Sicht dem Matthäus-Prinzip: 'Wer hat, dem wird gegeben' bzw. 'wer es schwieriger hat, dem wird noch weniger gegeben'.


    Spannend auch die Perspektive, die El-Mafaalani bezüglich der Unterstützung in der Familie gibt: Nehmen wir den hypothetischen Fall von zwei Kindern mit gleich guter Leistung an der Schwelle zwischen Realschul- und Gymnasialempfehlung, wobei ein Kind aus einer Familie mit weniger und ein Kind aus einer Familie mit mehr Unterstützung kommt. Dann neigt man vielleicht erstmal dazu, dem Kind mit mehr Unterstützung aufgrunddessen eher die Gymnasialempfehlung zu geben. Die andere Perspektive ist aber eben, dass das Kind mit weniger Unterstützung zuhause mehr unausgeschöpftes Potenzial besitzt, als das Kind mit Unterstützung, das in der vierten Klasse schon Nachhilfe in Deutsch und Mathe bekommen hat, um es auf das Gynasium zu schaffen.


    Das Buch kann ich insgesamt wirklich sehr empfehlen. Die Bildungsexpansion, die vermeintlich zu einem Niveauverlust geführt hat, wird darin als eine der erfolgreichsten Maßnahmen für mehr Chancengleichheit beschrieben und das Paradox, das zu dieser Bewertung des Niveauverlusts führt, dass alle schlauer werden und keiner es mitbekommt, erklärt.



    Bezüglich des Erziehungsauftrag möchte ich ergänzen, dass Schule und Eltern nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon - je nach Definition des Wortes - gemeinschaftlich verantwortlich für die Erziehung sind:

    Im Bereich der Schule treffen Erziehungsrecht und Erziehungsverantwortung der Eltern auf den Erziehungsauftrag des Staates. Dieser Auftrag ist dem elterlichen Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet. Soweit die Kinder Schulen besuchen, ist ihre Erziehung gemeinsame Aufgabe von Eltern und Schule. Sie ist in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen. Der Staat muss daher in der Schule die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der Erziehung ihrer Kinder achten und für die Vielfalt der Anschauungen in Erziehungsfragen so weit offen sein, wie es sich mit einem geordneten staatlichen Schulsystem verträgt. Die dafür notwendige Abgrenzung von elterlichem Erziehungsrecht und staatlichem Erziehungsauftrag ist Aufgabe des Gesetzgebers

    Das finde ich vor allem wichtig bei der Aufgabe der Schule, Kindern verschiedene Weltanschauungen zu eröffnen bzw. Aufklärung betreiben zu können. Den Zusammenhang zur Schulformempfehlung verstehe ich aber nicht.

    Dass usführliche Korrekturen sind im Sinne der Arbeitszeit und unter Berücksichtigung derer Wirkungen für das Lernen nicht sinnvoll sind, kann auch die Bildungswissenschaft bestätigen:

    Externer Inhalt open.spotify.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Der Lehrplan im Sachunterricht ist da sehr offen. Wir hatten im Studium ein ganzes Seminar zum Thema Nationalsozialismus in der Grundschule und es gibt dazu einige Theorie- und Praxisbeiträge, wenn man Nationalsozialismus im Sachunterricht googlet. In der vierten Klasse habe ich jetzt schon dreimal Ausschnitte aus der Graphic-Novel-Ausgabe des Tagebuchs der Anne Frank im Rahmen einer solchen Unterrichtsreihe vorgelesen. Entsprechend würde ich empfehlen, mich in die Richtung Graphic Novels mal umzuschauen, ich meine, es gibt auch eines zu Sophie Scholl. Zu Inhalt und Eignung könnte ich da allerdings wenig sagen.

    Mit deinem vehementen Fordern der richtigen Einstellung erwischst du auch diese Lehrkräfte. Und sie fühlen sich verhöhnt.


    Deswegen habe ich mehrfach geschrieben, dass ich die Bedingungen ebenso kritisiere und nicht schönreden möchte. Deswegen habe ich mehrfach geschrieben, dass nicht alle sich den Schuh anziehen müssen. Deswegen habe ich mehrfach geschrieben, dass ich an genau einer solchen Schule und solchen Bedingungen arbeite und ein solchen Idealismus einbringe und mir diese Kritik deswegen aus der Perspektive herausnehme. Deswegen habe ich mehrfach geschrieben, dass ich am Anfang dieser Diskussion sehr konkret diejenigen kritisierte, die Inklusion ablehnen und Separation zugunsten der Mehrheitsgesellschaft offen befürworten, weil sie nichts ändern wollen oder Inklusion und die Förderung von ressourcenärmeren Kindern weniger wichtig als die Forderung der leistungsstärksten finden. Diese Einstellungen sind zu verbreitet und deswegen sind wir als Lehrkräfte Teil und Faktor eines trägen Systems - nicht nur bezogen auf Inklusion.


    Größer gedacht sind wir auch Teil der Gesellschaft und auch in der Gesellschaft ist Inklusion leider noch nicht so weit, wie sie sein sollte. Es ist unwahrscheinlich, dass ein so großer Berufsstand wie der unsere da eine Ausnahme bildet. Das ist bei ähnlich großen Systemen wie bei der Polizei ähnlich: Berechtigte Kritik wird da schnell reflexhaft zurückgewiesen.


    Und ich habe auch schon gesagt, dass man sich insbesondere hier im Forum nicht beschweren darf, dass es auch mal Kritik gibt, ist man da doch sehr schnell vorne mit dabei, wenn es um Kritik an Richter*innen, der QA, Bildungswissenschaftler*innen, Schüler*innen oder Student*innen geht. Da es hier ein geschlossenes System ausschließlich für Lehrkräfte ist, bildet man dahingehend eine gewissermaßen perspektivenbeschränkte (rein deskriptiv gemeint) Bubble. Auf der anderen Seite ("in der freien Wirtschaft") fließt dann schnell Milch und Honig.


    Ja, bestimmt bedingen sich a) und b) auch gegenseitig, dennoch finde ich, dass man die Ablehnung hinterfragen muss und es zu leicht ist, sich darauf zu berufen, dass die Einstellung der Lehrkraft positiv zu sein hat.

    Ich finde die Differenzierung gut und stimme zu, dass a) und b) sich bedingen und dass man die Ablehnung hinterfragen muss, aber auch Lehrkräfte ihre Ablehnung reflektieren müssen. Das war genau eine meiner Eingangsfragen, inwiefern diese persönlichen Einstellungen nicht auch auf die professionelle Arbeit ausstrahlen. Die Einstellung zur Inklusion hat nämlich Auswirkungen auf Unterricht und Schulentwicklung. Und auch auf die eigene Belastungswahrnehmung.


    Das sind aber Sachen, die hier von mehreren User*innen negiert bzw. meine Aussagen dahingehend absichtlich falsch verstanden oder falsch dargestellt oder ins Lächerliche gezogen wurden.

    Schön, schön, internationale Studien,

    die darf es dann auch gerne mal zu den Bedingungen des inklusiven Unterrichts geben.

    Man müsste jetzt jede Studie einzeln nachlesen und gucken, wie die Daten erhoben wurden, wie die Bedingungen des Unterrichts in den Schulen sind und insgesamt im System.

    Ähnlich einem Sozialindex für die Schülerschaft bräuchte es zusätzlich einen Personalindex, wie die Versorgung mit Lehrkräften ist - oder zumindest die Versorgung der Schule.

    Genau das wurde doch in einer der Studien gemacht. Die Ressourcen waren vergleichbar, trotzdem gab es Unterschiede bei den Ergebnisse. Da wurden u.a. die Haltung als Unterschied zu den Schulen herausgearbeitet, an denen Inklusion besser funktioniert:

    Zitat

    Im Rahmen der qualitativen Teilstudie zeigt sich, dass sich die Schulen mit durchschnittlich hohen bzw. niedrigen Leistungs- und Wohlbefindenswerten – wobei alle über eine vergleichbare Ressourcenausstattung verfügten – in einigen Punkten systematisch voneinander unterscheiden. In allen drei Schulmodellen zeichnen sich die Schulen mit hohen Leistungs- und Wohlbefindenswerten durch folgende Merkmale aus:

    • ein hohes Maß an etablierten Kooperationsstrukturen und gemeinsam entwickelten Konzepten zur adaptiven Unterrichtung und Förderung von Kindern mit heterogenen Eingangsvoraussetzungen
    • geteilte inklusive Werte der Lehrkräfte
    • gemeinsame didaktisch-methodische Prinzipien bezüglich Individualisierung und Herstellung von Gemeinsamkeit
    • grundsätzliche Akzeptanz von Heterogenität als Normalität verbunden mit einer adaptiven Leistungsorientierung; Verfolgung unterrichtsintegrierter und flankierender Maßnahmen, die an den jeweiligen Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler angepasst sind


    Dazu kommt, dass in einigen BL die Wahl der FöS besteht und dann ggf. die fitteren Kinder an der Regelschule landen und die schwächeren in der FöS … oder umgekehrt oder entsprechend Sozialindex.

    Um darstellen zu können, ob Kinder in der Inklusion besser beschult sind, müsste man das persönliche Profil in jungen Jahren erstellen, eine Prognose geben und später schauen, ob diese erreicht wurde - oder warum nicht.

    Ich habe hier ja schon für ausgewählte Studien herausgestellt, dass z.B. die Unterschiedlichkeit der Lernvoraussetzungen der Kinder und ein Selektionseffekt bei den Schulformen durchaus dort berücksichtigt wurde. Außerdem finde ich, dass man von Wissenschaftler*innen erwarten kann, dass die Ergebnisse eingeordnet werden. Ich gehe insbesondere bei profilierten Wissenschaftler*innen erstmal davon aus, dass ihre Ergebnisse den Qualitätsmerkmalen Validität, Reliabilität und Objektivität entsprechen. Meine Darstellung kann vielleicht diese Einordnung nicht richtig wiedergeben, denn ich habe natürlich auch nicht die Zeit, ganze Studien zu lesen. Gerne lasse ich mich dann aber wie bei der Studie zu den Gelingensbedingungen an den Jakob-Muth-Preisträgerschulen mit einer Einordnung eines besseren belehren. Dann erwarte ich aber auch mehr als wischiwaschi-Aussagen, dass Studien ja gar nicht die Realität abbilden würden oder die eigenen Erfahrungen einfach anders seien.


    Der Eindruck, man würde nur das halbleere Glas sehen, mag stimmen. Meiner Meinung nach zeugt aber gerade der von Haltung: Es ist die Haltung, dass man für alle SuS an allen Schulen gute Bildung verlangt und entsprechende Ressourcen erwartet.


    Stattdessen sehen viele im Alltag, was fehlt, und sprechen es deutlich an, weil es täglich alle an der Schule beeinträchtigt.

    Denn dann bedeutet das halbe Glas eben auch, dass nur halbe Ressourcen gegeben sind, man dieses aber als „voll eingeschenkt“ vertreten oder verkaufen oder gut darstellen soll.

    Ja, ich habe nie etwas anderes behauptet. Der Frust ist absolut verständlich und die Forderung nach mehr Ressourcen richtig und wichtig. Worum es mir ging, ist, dass Frust zu negativer Einstellung zu Handlungsunfähigkeit führen kann. Professionalität bedeutet dann, das Beste aus den Ressourcen zu machen. Dazu muss man negative Erfahrungen reflektieren. Wenn ich nicht daran glaube, dass Inklusion für einen großen Teil der Kinder funktionieren kann, obwohl es Studien gibt, die bezüglich Lernerfolg und Zufriedenheit durchaus dahingehend Hinweise geben, dann kann das zu einer self fulfiling prophecy werden.


    Inklusion funktioniert an Schulen des Gemeinsamen Lernens für viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Sicher nicht für alle gleich und ganz sicher nicht perfekt, aber es reicht ja schon, mindestens so gute Leistungen wie an der Förderschule zu erzielen. Das können Studien für einen großen Teil der Schüler*innen eben belegen. Hier sind aber einige der Meinung, dass Inklusion gar nicht funktioniere, gescheitert sei oder man es gar nicht probieren sollte. Hier wird von falschen Vorannahmen ausgegangen, nicht nur was die Leistung, sondern zum Beispiel auch was die Notwendigkeit der Inklusion aus Menschenrechtsperspektive angeht. Das habe ich aufgezeigt und nie geleugnet, dass die Bedingungen schlecht und die Belastung hoch ist.


    Der Frust kommt also auf, weil die Getränkelieferung für die große Hochzeit leider nur für eine kleine Familienfeier reicht. Man versucht es zu retten, wird hinterher sagen, dass es trotzdem ein sehr schönes Fest war, aber mit dem Getränke-Lieferer bleibt man unzufrieden.

    Wir als Lehrkräfte sind an irgendeiner Stelle Teil dieser Lieferkette und dieser verpflichtet. Unsere Aufgabe ist es also, die Lieferung weiter so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Hier wollen manche aber, dass die Lieferkette dann einfach so lange unterbrochen wird, bis die Bedingungen erstklassig sind. Vielleicht aus dem Grund, dass man meint, diese Feier sei von einem anderen Unternehmen besser zu beliefern. Andere meinen aber auch, dass man sich lieber auf den Großabnehmer, die Mehrheitsgesellschaft, konzentrieren und nur diesen weiter beliefern sollte. Andere finden es nicht in Ordnung, auf die Bedürfnisse eines kleinen Abnehmers Rücksicht zu nehmen und möchten ihr Angebot an Getränken nicht anpassen. Und dabei geht es um ein Menschenrecht einer Minderheit und nicht um einen Wunsch.

    Bei meiner Einschätzung der Arbeit der Förderschulen in BW verlasse ich mich auf die Aussagen der KuK, die dort tätig sind und die zumindest stundenweise bei uns und an anderen Realschulen im Einsatz sind, so dass sie anders als ich vergleichen können. Mir ist bewusst, dass das keine Vergleichsstudie ist. Die von dir genannten Studien haben aber bereits hier im Thread benannte Schwächen, so dass diese leider nicht aussagekräftig genug sein dürften.

    Ich habe zwei Kritikpunkte an meinen aufgeführten Studien im Kopf:

    Die erste Bezog sich auf die Merkmale (guter) inklusiver Schulen, bei der die Stichprobe in ausgezeichneten Schulen mit evtl. anderen Bedingungen bestand. Das war eine berechtigte Einordnung. Die zweite kam von DFU und war die Frage, ob die Selektionseffekte bei Förderschule mit evtl. schwierigeren Fällen vs. Regelschule mit evtl. ressourcenreicheren Schüler*innen berücksichtigt wurde. Das wurden sie in dem Design der Studie von z.B. Lütje-Klose et al., die zum Ergebnis gleich guter Lerneffekte an Förder- und Regelschulen bei der Lese- und Rechtschreibfähigkeit in Klasse 3 / 4 kommt, durchaus insofern, als dass diese benannt und diskutiert wurden und es eine Testung zu drei Zeitpunkten gab (Längsschnittstudie). In der Studie werden dann die Einflussfaktoren auf Schul- und Klassenebenestatt betont und diese sprechen übrigens einmal mehr durchaus für die Relevanz der Haltung und Einstellungder Lehrkräfte:


    In allen drei Schulmodellen zeichnen sich die Schulen mit hohen Leistungs- und Wohlbefindenswerten durch folgende Merkmale aus:

    - ein hohes Maß an etablierten Kooperationsstrukturen und gemeinsam entwickelten Konzepten zur adaptiven Unterrichtung und Förderung von Kindern mit heterogenen Eingangsvoraussetzungen

    - geteilte inklusive Werte der Lehrkräfte

    (...)

    Sowohl im GU- als auch im KsF-Modell herrschten an den Schulen mit niedrigen Leistungen und geringem Wohlbefinden eine stärkere Aufteilung der Zuständigkeiten und eine abwertende Haltung der Grundschullehrkräfte gegenüber der Arbeit der sonderpädagogischen Fachkräfte vor. Dies geht zum Teil auch mit wenig wertschätzenden Äußerungen über die Schülerinnen und Schüler mit SPF-L sowie mit einer negativen Einstellung gegenüber der inklusiven Beschulung einher.


    In diesem Forum wird oft betont, dass wir Lehrkräfte Wissen und Erfahrungen in unserer Profession haben, die berücksichtigt werden muss. Pepe betont nicht nur in diesem Thread seine langjährige Erfahrung. Vielleicht berücksichtigt man dann auch die Profession als Bildungsforscher und die fünfzigjährige Erfahrung als solcher bei Prof. Dr. Klaus Klemm und seiner Einordnung:

    Eine Durchsicht der vorliegenden Untersuchungen (vgl. dazu auch die Übersicht bei Klemm und Preuss-Lausitz 2008a und 2008b) führt zu der Feststellung, dass Förderschülerinnen und -schüler in integrativen Settings gegenüber denen in institutionell separierenden Unterrichtsformen einen deutlichen Leistungsvorsprung aufweisen. Allerdings beziehen sich die Studien, die sich mit Fragen der Leistungsentwicklung befassen, überwiegend auf Schüler und Schülerinnen des Förderschwerpunkts „Lernen“ (in der älteren Terminologie auf „Lernbehinderte“), obwohl in Deutschland in allen Förderschwerpunkten Gemeinsamer Unterricht praktiziert wird (vgl. Tabellen 1a und 1b). Die entsprechenden Ergebnisse von älteren Studien in Deutschland wurden aktuell durch Wocken (2007) bestätigt. Auch seine Arbeiten beziehen sich allerdings nur auf die Förderschulen mit dem Schwerpunkt „Lernen“. Seine Befunde sprechen „…unzweifelhaft gegen eine kompensatorische, rehabilitative Wirksamkeit der Förderschule…“ (2007, S. 55). Bestärkt wird dieses Urteil durch internationale Studien: Haeberlin u.a. fassen in einer älteren Arbeit die englischsprachige Literatur zusammen und ziehen das Fazit, dass alle Daten und Studien „…bezüglich der Entwicklung der Schulleistungen eine tendenzielle Unterlegenheit der Sonderklassenschüler nachweisen“ (1990, S. 114). In die gleiche Richtung weist eine neuere norwegische Untersuchung, in der die Ergebnisse von Sonderklassen in Regelschulen mit integrativem Unterricht verglichen werden (Myklebust
    2006). Auch der Autor einer Schweizer Untersuchung kommt in einer vergleichenden Langzeitstudie zu dem Schluss, dass angesichts seiner Erkenntnisse „…(zumindest für die sogenannten „lernbehinderten“ Schüler) eine konsequente Integration bis ans Ende der obligatorischen Schulzeit gefordert werden…“ müsse (Riedo 2000, S. 200). Ergänzt werden die hier zusammen getragenen Befunde durch eine Reihe von Untersuchungen (zuletzt Feyerer 1998 in Österreich), die zeigen, dass sich die Leistungen von Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in Klassen mit Gemeinsamem Unterricht nicht von den Leistungen der Schülerinnen und Schüler in anderen Klassen unterscheiden. Nach Feyerer gilt dies gleichermaßen für leistungsstarke wie für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf im Gemeinsamen Unterricht ein positiveres Leistungsselbstkonzept und ein höheres Selbstwertgefühl entwickeln als Gleichaltrige, die nicht gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen.


    Da finde ich es unwissenschaftlich zu sagen, diese Ergebnisse seien leider nicht aussagekräftig genug. Es sind nicht einzelne Studien, sondern es ist der Forschungsstand.

    Du liest offenbar nicht richtig:

    Ich schrieb vom Leistungssport im Behindertensport. Dort wird nämlich auch nicht inkludiert, weil es eine Auswahl nach Leistung im Behindertensport selbst gibt. Daran erkennt man, dass sinnvolle Inklusion in bestimmten Bereichen nur da möglich ist, wo es ein Mindestmaß an Leistungshomogenität gibt.

    Stimmt, das habe ich falsch gelesen.



    Versuchen wir es mal so:


    Es braucht die materiellen, räumlichen und personellen (ich ergänze: finanziellen) Ressourcen für eine erfolgreiche Umsetzung der gewünschten Inklusion. Bevor diese Rahmenbedingungen nicht gewährleistet sind, bleiben alle Förderschulen bestehen. Die Schulen der anderen Schulformen entscheiden selbst, ob sie in der Lage sind, Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf aufzunehmen und erfolgreich zu unterrichten, ohne andere zu benachteiligen und ohne die Lehrkräfte übermäßig zu belasten.


    Wenn alles in der richtigen Reihenfolge geschehen wäre, hätten die meisten Kolleg*innen wohl kaum Probleme mit einer positiven Haltung zum Thema, und tibos nervende Dauerschleife wäre uns erspart geblieben.

    Ich bin geneigt zu sagen - auch wenn ich weiß, dass es übertrieben ist - dass wir Schule dann komplett schließen könnten. Das ist doch für fast alle Bereiche oder Ziele des Bildungsbereiches utopisch, auch wenn ich mir das natürlich auch wünschen würde. Dass Schulen sich entscheiden dürfen, ob sie Kinder mit Behinderung aufnehmen oder nicht, ist rechtlich außerdem nicht mit der UN-BRK vereinbar und angesichts der Fehleinschätzung der Wirksamkeit von Förderschulen mMn offensichtlich auch nicht richtig. Denn demnach funktioniert Inklusion im Vergleich zu Förderschulen ja unter den aktuellen Rahmenbedingungen bereits, unter denen die verschiedenen Studien zum Lernerfolg an Regel- vs. Förderschulen erhoben wurden. Bis jetzt ist aber nur DFU auf die Studienergebnisse wirklich eingegangen.


    Ich habe deine Beiträge mit dem Suchwort Inklusion vom 21.11.2013, 20.02.2014, 01.06.2014, 05.06.2014, 13.06.2014, 07.06.2014, 18.06.2015, 18.06.2015, 10.02.2018, 07.07.2018, 04.07.2020, 04.07.2020, 05.05.2020, 26.06.2021, 29.12.2021, 02.01.2022, 30.01.2022, 26.07.2022, 25.09.2022, 11.10.2022, 04.12.2022, 15.04.2023, 09.05.2023, 11.07.2023, 18.09.2023, 03.10.2023, 06.12.2023, 06.12.2023, 10.12.2023, 19.12.2023, 09.02.2024, 10.02.2024, 10.02.2024, 10.02.2024, 11.02.2024, 11.02.2024, 12.02.2024, 17.02.2024 doch gerade mal aufgeholt - tut mir leid, dass ich deiner 'Dauerschleife an negativer Einstellung zu Inklusion' auch mal etwas entgegensetze ;)



    CDL

    Danke für deine Einschätzung! Der Förderschwerpunkt ist sicher einer von verschiedenen differenzierenden Faktoren. Mindestens für den Förderschwerpunkt Lernen gilt die Aussage, dass diese an Regelschulen mehr lernen, aber sowohl national und über die letzten 30 Jahre als auch international. Wie erklärst du dir die Abweichung von deiner Einschätzung? Woher kommt die Einschätzung, dass die Förderschulen in Baden-Württemberg gut sind? Dann müssen sie ja besser sein als jene in den Vergleichsuntersuchungen.

    Meine Beiträge sind inhaltslos, wenn man Studien, meine Meinung aus der Praxis, die Meinungen von Menschen mit Behinderung oder die Aussagen der GEW als inhaltslos sieht.

    Allmählich drängt sich mir der Eindruck auf, hier gebe jemand in unterschiedliche KIs die Schlagworte Inklusion + mangelnde Haltung bei Lehrkräften ein und präsentiere hier die unterschiedlichen Ergebnisse... 8o

    Dafür, dass du mir hier vorgeworfen hast, ich ginge gar nicht auf die Aussagen hier ein, ist das jetzt ein sehr inhaltsloser Beitrag.


    Tut mir leid, dass ich ein Zitat eines Bündnisses, deren Mitglied die GEW ist, anbringe, das zeigen soll, dass die Aussage von chemikus08 anscheinend eine Meinung innerhalb der GEW, aber nicht die Mehrheitsmeinung ist. Die Haltung und Meinung der GEW ist, das zeigt finde ich das angebrachte Zitat, anscheinend meiner sehr ähnlich:


    Es braucht Haltung und Einstellung der Lehrkräfte und die materiellen, räumlichen und personellen Ressourcen. Beides sind Rahmenbedingungen, die noch nicht optimal sind.


    Ich habe in der Diskussion verstanden, dass der Zusammenhang von schlechten Erfahrungen bei der Inklusion und Haltungen dabei eine Rolle spielt und sich bedingt. Das kann ich gut nachvollziehen und ich weiß, dass ich das aus einer idealistischen Sicht sehe. Damit diese schlechten Erfahrungen aber keinen Einfluss auf mein professionelles Handeln haben, komme ich immer wieder darauf zurück, dass man sich reflektieren muss, um nicht in eine erlernte Hilflosigkeit zu verfallen (Das sehe ich auch in der Praxis immer wieder, das 'halbleere Glas'). Und dazu kommt, und den Schuh muss sich gar nicht jede*r, anziehen: Es gibt viele Schulen und Lehrkräfte, für die es viele Ausreden gibt, Inklusion aus Prinzip gar nicht umsetzen zu wollen. Das zeigte sich hier in einzelnen Aussagen ebenfalls und war der Anlass, warum ich überhaupt in die Diskussion eingestiegen bin.


    Das sagt die KI übrigens dazu, falls es dich interessiert:

    Man hat an verschiedener Stelle hier versucht, mir in den Mund zu legen, dass es nur an der Haltung der Lehrkräfte läge und mit der richtigen Haltung auch alle Probleme gelöst wären oder Lehrkräfte sich einfach ausbrennen lassen müssten. Das ist aber nicht richtig. Ich habe auch immer wieder versucht zu betonen, dass unser Handlungsspielraum natürlich durch die Rahmenbedingungen und unsere sowieso viel zu hohe Belastung begrenzt ist. Es ist aber auch ein Fehlschluss, Satsuma , dass ich Faulheit kritisiere. Die Arbeitsbelastung von Lehrkräften ist, das zeigen eben die Erhebungen deutlich - aus der Erhebung dreht man mir jetzt anders als aus anderen Studien vermutlich keinen Strick -, deutlich über dem, wofür wir bezahlt werden und was wir ohne Kosten für unsere Gesundheit leisten können.


    Die GEW zeigt, dass es sich nicht ausschließt, sich für bessere Arbeitsbedingungen und für Inklusion einzusetzen. Vielleicht macht sie es besser als ich, die Rahmenbedingungen anzuprangern und trotzdem eigene Handlungsspielräume und Verantwortung der Lehrkräfte zu betonen.

    Aber könnte mir jemand einfach mal erklären, welchen Sinn es hätte, inklusiv beschulten Jugendlichen (mit entsprechendem Förderbedarf) Differenzialrechnung, Binomialverteilung und lineare Algebra zu vermitteln, so wie ich es in der SEK II machen muss? Einfach die SuS dazu setzen, damit sie räumlich inkludiert sind? Mir reicht es, die schwachen Regelschüler:innen zu inkludieren.

    (...)

    Im Sport wird auch nur dort inkludiert, wo es möglich ist. Leistungssport gibt es dann ganz ohne Inklusion der schwächeren Spieler:innen auch z. B. beim Rollstuhl-Basketball u. ä.

    Da gibt es sogar Punkte zur Bewertung der unterschiedlichen Behinderungsgrade, damit das entsprechend gewertet werden kann …

    Das kommt ja nun ganz auf den Förderschwerpunkt an. Im Förderschwerpunkt Lernen haben die Kinder und Jugendlichen einen Förderplan und darin sind Ziele definiert, die für das Kind realistisch sind. Inwiefern und ob es das in der SEKII so gibt oder geben kann, weiß ich nicht.


    Thema Leistungssport: Auch da sind wir meilenweit von Inklusion entfernt. Ein Punktesystem könnte man beispielsweise auch zum Vergleich zwischen nicht-behinderten und behinderten Menschen etablieren. Es ist nicht so, dass es die Forderung dort nicht gibt. Ganz davon abgesehen sind einige Wettbewerbe bzw. betreiben einige Sportler*innen mit Behinderung ebenfalls Leistungssport.


    Eine Anekdote zu dem, dass Inklusion eigl den "zusammenhalt" zwischen den Menschengruppen fördern soll. Ich habe mit einigen Schülern gesprochen. Und insbesondere den ESE und Lernen Kindern fällt es auf, dass sie anders behandelt werden (Um ihrem Förderbedarf gerecht zu werden) Sie empfinden das eher als negativ, wenn sie andere oder garkeine Leistungsnachweise schreiben müssen. Oder Sie dadurch, dass sie sozial auffällig sind, den kritischen und lästernden Blicken der "normalen" schülern ausgesetzt sind. Und da können wir noch so oft gegen ansprechen und für Akzeptanz werben.

    Das Ziel, wenn man das so sagen will, der Inklusion ist die Inklusion der Menschen - sicher auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Wünsche. Von daher ist es natürlich auch sinnvoll, die Meinungen, die du hier darstellst, zu berücksichtigen und sich derer bewusst zu sein. Inklusion bedeutet aber eben auch "Reibungen und Dissenz" und sind insofern ebenso ein Prozess der Inklusion:

    Zitat von Raul Krauthausen

    Wenn man sich in Räumen wie dem öffentlichen Park befindet, dann kann man gar nicht anders, als sich mit der menschlichen Vielfalt auseinanderzusetzen: Verschiedene Menschen sind einfach Teil dieses Raumes, Teil dieser Welt. Dabei geht es nicht um irgendeine zauberhafte Vorstellung des Inklusionslands, in dem Milch und Honig fließen und alle Menschen komplett gleich sind. Wir sind unterschiedlich - das ist unbestritten- aber all diese unterschiedlichen Personen müssen gemäß ihrer Menschenrechte als gleichwertige und gleichberechtigte Teilnehmende am gesellschaftlichen Zusammenleben akzeptiert und respektiert werden. Dieser Prozess der gegenseitigen Annahme bedeutet auch, dass wir als Gesellschaft mit problematischen oder unangenehmen Situationen umgehen müssen. Inklusion ist ein fortlaufender Prozess der Auseinandersetzung mit anderen - und dazu gehört neben dem produktiven und neugierigen Austausch auch der Dissens und die Reibung.


    Und zum Thema Leistungsnachweise: Es sollte normal sein, dass Leistungsnachweise ebenso wie der Unterricht differenziert werden. Das gilt ja nicht nur für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Das ist auch ein Bereich, der nur zum Teil zu dem engen Inklusionsbegriff im Sinne eines festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs gehört. Auch da sehe ich immer wieder, dass das System Schule noch nicht so weit ist, wie es ein sollte. Und das ist übrigens ein Bereich, in dem die Politik die letzten Jahre durchaus einiges ermöglicht hat und in dem die Handlungsspielräume an vielen Schulen noch nicht genutzt werden. Auch da spielen Haltungen und Werte eine Rolle. "[Es müssten] die Inhalte flexibler gestaltet werden, müssten Rücksichtnahme und individuelle Förderung statt benotete Leistung das übergeordnete Ziel sein", wie es im Artikel von NRW-Lehrerin heißt.




    Selbst wir von der GEW Fraktion sagen ganz klar, Inklusion ja, aber die personellen, materiellen und baulichen Voraussetzungen müssen stimmen.

    Die GEW gehört zum Bündnis "Eine für alle – Die inklusive Schule für die Demokratie". Dieses hat ein Bündnis-Statement "zur Aufgabe der Schulen und der Pädagog*innen" herausgegeben, in dem es heißt:

    Es ist nicht nur „die Bildungspolitik“, die mit vordergründigen, scheinheiligen Bekenntnissen zur Inklusion verbirgt, wie sie in Wahrheit clever und vielfältig die Inklusionsentwicklung zu bremsen weiß (Beispiel ‚Elternwahlrecht‘). Es sind auch wir in der Schulpraxis Handelnden selbst, denen Haltung und innere Bereitschaft oft fehlen, Unterricht, Schulleben, normiertes Lernen, Wahrnehmung der Schüler*innen in ihren Bedürfnissen, sture Zensurengebung zu verändern, auch radikal zu verändern. Wir selbst gehören zu den ungenügenden Rahmenbedingungen für das gemeinsame Lernen aller Schüler*innen mit- und voneinander. Wir ducken uns weg oder glauben es sogar, wenn eine Kultusministerin und KMK-Präsidentin die unsägliche Behauptung aus der Luft greift, negative Bildungstrends seien Folge des inklusiven Unterrichts in Grundschulen.

    !

    Ich finde deinen Enthusiasmus für Inklusion großartig, aber du musst dir bewusst machen, dass du im Vergleich zu den meisten anderen Schulen durchaus Traumbedingungen für Inklusion hast deiner Schilderung nach. Das verfälscht den eigenen Blick ganz enorm

    Hmm, also ich habe ja mit Praxisphase und Referendariat und meiner jetzigen Schule auch schon intensive Einblicke in drei Grundschulen und durch meine Arbeit als Medienbeauftragter gewisse Einblicke in die Grundschulen unserer Kommune - da sind die Bedingungen durchaus ähnlich bei sehr viel besserem Sozialindex. Und alleine die zwei Standorte sind eine unglaubliche Mehrbelastung, welche die wenigsten Grundschulen haben. Es gibt also sicher (Grund-)Schulen mit schlechteren Bedingungen, aber ich kenne viele Grundschulen mit besseren Bedingungen und der Sozialindex 7 zeigt ja deutlich, dass die Voraussetzungen der Kinder an den meisten Schulen besser ist.


    Du setzt Inklusion in dem Rahmen um, wie du es kannst. Hast du das Gefühl, die inklusiv beschulten Kinder lernen bei dir abweichend von den Ergebnissen der Studien zu dem Thema weniger als an Förderschulen?


    Denn diese Haltung, dass man erstmal davon ausgeht, dass inklusiv beschulte Kinder mindestens so gut wie an Förderschulen lernen, ist ja schon von den Studienergebnissen abzuleiten.


    Dann haben wir hier im Thread doch schon mindestens die Posts von z.B. @NRW-Lehrerin lesen dürfen, die zeigen, dass Inklusion an Schulen umgesetzt wird, einige GL-Kinder erfolgreich und mit wenigen Problemen inkludiert werden, aber die Kinder, bei denen das nicht erreicht wurde, den Eindruck dahingehend verfälschen, dass Inklusion gar nicht funktionieren würde.


    Bekommst du da nicht das Gefühl, das auch der Bildungsforscher Rolf Werning hat, dass wir als Lehrkräfte - auch wegen eines ja lobenswerten hohen Anspruchs - manchmal nur 'das halbleere Glas sehen'?


    Sicherlich gibt es also Schulen, an denen die Bedingungen noch schlechter sind als bei mir und an denen man vielleicht wirklich gar keine Erfolge bei der Inklusion hat, aber die Haltung, auch die Erfolge der Inklusion zu sehen, ist doch an den meisten Schulen möglich, weil die meisten Schulen eben doch gute Arbeit leisten und Erfolge haben. Ich plädiere hier eben dazu, diese Erfolge im Sinne der eigenen Selbstwirksamkeit und damit auch mehr Resilienz wahrzunehmen. Das ist die Reflexion, die ich u.a. meine und weshalb ich ja auch dein tolles Zitat aus dem anderen Thread hierher gebracht habe.



    tibo: Wie haben sie bei den Studien sichergestellt, dass die Vergleichsgruppen an der Förderschule und an den Regelschulen in der Inklusion gleiche Voraussetzungen hatten? Denn damit es vergleichbar wird, dürfen in der Gruppe der Inklusionskinder an den Regelschulen ja nicht im Schnitt leistungsstärkere Kinder sein als an der Förderschule. Oder umgekehrt.

    Denn die Elternentscheidung für Förderschule oder inklusive Beschulung in einer Regelklasse hängt ja auch von der Leistungsfähigkeit ihrer Kinder ab. Das sind ja keine unabhängige Größen.

    Das ist ein wichtiger Hinweis. Es gab im Fall der Studie zum Lesen in Klasse 3 / 4 drei Messzeitpunkte. Dadurch konnte man auch den relativen Lernzuwachs messen. Du hast schon Recht mit der Annahme, das wird in der Studie benannt und berücksichtigt, dass die Bedingungen wie IQ unterschiedlich und in der Breite zu Gunsten der Kinder an Regelschulen waren.



    @NRW-Lehrerin

    Ja, den Artikel finde ich auch gut. Er zeigt neben den mangelhaften Rahmenbedingungen und der berechtigen Förderung an die Politik, mehr Ressourcen zu schaffen, aber auch, wo wir jeweils an unserer Schule Inklusion als Ausgangspunkt der Schulentwicklung nehmen können.


    Zitat

    Experten warnen: Um Kinder wie Lalon zu „inkludieren“, müsste ein enormer Betreuungsaufwand mit einem Schulsystem zusammengebracht werden, das bislang vor allem auf Leistung ausgerichtet ist. Verbindliche, unbedingt einzuhaltende Lehrplaninhalte, Prüfungen und Klausuren können bei inklusiver Beschulung nicht mehr im Mittelpunkt stehen.


    Stattdessen müssten die Inhalte flexibler gestaltet werden, müssten Rücksichtnahme und individuelle Förderung statt benotete Leistung das übergeordnete Ziel sein. Schulen müssten viel mehr als Lebensort begriffen werden, an denen es auch Räume für Pflege und Entspannung gibt und an denen Schüler auch mal Auszeiten nehmen können. Solche Auszeiten könnten den Raum dafür schaffen, sich den Mitschülern mit Handicap zu widmen – ohne Zeitdruck, ohne das Gefühl, dass die Beeinträchtigungen mancher Kinder den Unterricht ausbremsen.

    Mit der Haltung, Inklusion als Weg und nicht als Endzustand zu sehen, können wir uns schon in unserem Rahmen und unter den gegebenen Bedingungen der Schulentwicklung um angepasste Leistungskonzepte oder eine stärkere Bedürfnisorientierung zum Beispiel kümmern.


    Und ganz abseits der Inklusion finde ich eben auch die Erkenntnis und Haltung wichtig, dass es aktuell und in unserer Lage mit den Ergebnissen aktueller Lernstandserhebungen wichtig ist, die schwächsten und benachteiligsten Kinder mehr und gezielter zu unterstützen. Diese Haltung vermisse ich auch an mancher Stelle. Und auch den Schuh mögen sich jetzt bitte auch nur jene anziehen, denen er passt. Aber der Widerspruch gegen meine Beiträge zur Inklusion waren dann doch sehr hoch im Vergleich zu den Reaktionen auf die Beiträge, in denen eigentlich auch sehr offen gefordert wird, prinzipiell lieber die stärkeren und privilegierten Kinder zu fördern und andere Kinder zu separieren. Da passt auch die Debatte zum dreigliedrigen Schulsystem und der mangelnden Einbindung des Gymnasiums im Vergleich zu anderen Schulformen bei der Inklusion zu.

    Vielleicht reden wir insofern aneinander vorbei, als dass manche sich hier selbst einen Schuh anziehen, die ich gar nicht meinte. Auch bei dir hört es sich so an, als würdest du bzw. würde eure Schule einen (sehr erfolgreichen) Weg zur Inklusion finden, wenn du alle Kinder mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf ohne große Probleme inkludierst.


    Deswegen betonte ich mehrfach, dass sich meine Kritik am Anfang auf generelle Wünsche nach Separation (auch abseits von Inklusion) und Vorurteile gegenüber inklusivem Unterricht bezog:

    a) Eltern müssten eine Art berechtigtes Anrecht darauf haben, ihre Kinder von Schulen mit schlechtem Sozialindex oder inklusiven Schulen fernzuhalten.

    b) Inklusiver Unterricht führe zu Chaos im Klassenraum.


    Daraufhin habe ich kritisch gefragt, ob diese Haltungen das professionelle Handeln nicht negativ beeinflussen.


    Es gab und gibt dann mehrere andere Lehrkräfte hier, wie sich in der Diskussion zeigte, die zwei weitere falsche Annahmen haben:

    c) Inklusion sei auch mit unserem Förderschulsystem menschenrechtskonform.

    d) Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf würden an Förderschulen besser gefördert.


    Beides stimmt nachweisbar nicht.


    Auch dein Beitrag bestätigt am Ende meinen Eindruck und meine These, dass

    e) manche Lehrkräfte insofern eine ungesunde Haltung haben, als dass sie bei Inklusion oft das halbleere Glas sehen, obwohl auch in diesem Thread einige Lehrkräfte von einigen Erfolgsfällen der Inklusion berichten.


    Dass es bereits vor der Einführung von Inklusion negative Haltungen und falsche Annahmen ihr gegenüber gab, ist mEn nicht zu bestreiten. Manche haben dann negative Erfahrungen gemacht, die zu einer negativen Haltung gegenüber Inklusion führen. Das habe ich schon verstanden und kann ich ebenso nachvollziehen wie den Frust über die Bedingungen, die dazu führten. Die Bedingungen können wir nicht ändern, aber das sollte nicht zu einer erlernten Hilflosigkeit führen.


    Man muss sich also reflektieren, damit diese negativen Haltungen nicht zu einer self-fulfilling prophecy werden, bei der man eigene Erfolge und auch Lösungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume nicht wahrnimmt.


    Selbstwirksamkeit ist wichtig für die eigene Gesundheit, insofern führen solche Haltungen eben auch zu einer höheren Belastungswahrnehmung und psychischer Belastung.

    Ja, ich bestreite nicht, dass die Bedingungen auch zwischen den Schulen unterschiedlich sind und ich sage die ganze Zeit, dass ich absolut und ebenfalls mehr Ressourcen fordere. Da wäre es interessant, welche Schulen mit welchen Bedingungen konkret dort untersucht wurden. Ich möchte aber nochmal widersprechen, dass Inklusion pauschal gescheitert sei, denn die Lernergebnisse der inklusiv beschulten Kinder sind sehr positiv und da ist die Stichprobe keine aus nur ausgezeichneten Schulen.


    Und was die Rahmenbedingungen an Schulen betrifft, habe ich auch schon geschrieben, dass ich sehr positive Erfahrungen mit Inklusion an meiner Schule machen konnte und diese Schule auch absolut keine Traumrahmenbedingungen hat: 250 Kinder, 20 Lehrkräfte (einige in Teilzeit), 2 Sonderpädagoginnen (eine aber auch für den Englischunterricht notwendig) und 1 Sozialpädagogische Fachkraft für die Schuleingangsphase, 1 / 2 Sozialarbeiterin. Sozialindex 7, 2 Standorte, 1 1/2 Hausmeister (wenn der andere als Springer nicht gerade an einer anderen Schule sein muss), 1 Sekretärin.


    Und die Haltung, sich kritisch zu reflektieren und Inklusion als Prozess zu sehen, hängt eben nicht von den Erfahrungen ab, die man wegen schlechter Rahmenbedingungen gemacht hat. Sich realistische Ziele setzen, kann man zum Beispiel auch, wenn die Bedingungen schlecht sind. Inklusion als Ausgangspunkt und Basis der Schulentwicklung zu machen, kann man ebenfalls unter den aktuellen Bedingungen. Denn die Ressourcen für Schulentwicklung gibt es an jeder Schule. Die Haltung, die eigenen Erfolge bei der Inklusion zu sehen, kann man auch und muss man besonders unter schwierigen Rahmenbedingungen.

    Irgendwie habe ich den Eindruck wir reden aneinander vorbei.

    Das glaube ich auch, ich weiß aber noch nicht an welcher Stelle und wie ich mich besser ausdrücken soll.

    Ein Problem der Haltung ist es nicht, sondern es sind die real existierenden Unterrichtsbedingungen die dazu führen, dass es Schulen gibt wo sowohl die Regelschüler als auch die Förderschüler im Nachteil sind.

    Das ist aber in der Breite gar nicht der Fall, was die Lernleistungen betrifft. Das beweisen verschiedene Untersuchungen aus verschiedenen Zeiträumen. Klar sind die Bedingungen auch zwischen den Schulen unterschiedlich und wir kennen diese Bedingungen an den Schulen in der Untersuchung von Rolf Werning nicht. Die Studien zur Lernleistung haben aber zum Beispiel eine höhere Stichprobe.

    Die Pappnasen der vermeintlichen Bildungsforschung wurden hier ja schon genannt. Spannend ist dann aber die Kritik von anerkannteren Expert*innen auf diesem Gebiet:


    "Wenn Sie in Deutschland herumfragen, wer die Protagonisten der empirischen Bildungsforschung sind, würde der Name Andreas Schleicher gar nicht fallen. Er ist als Leiter des OECD-Direktorats für Bildung primär dafür verantwortlich, dass PISA weltweit administrativ klappt. Sogar er selbst hat, glaube ich, nicht den Anspruch, Bildungsforscher im engeren Sinne zu sein. Wenn Sie nach Deutschland schauen, Tina Seidel von der TU München, die ist eine Bildungsforscherin, oder Nele McElvany von der TU Dortmund. Soll heißen: Die deutsche Bildungsforschung ist viel breiter aufgestellt als nur mit PISA, wobei ich ich persönlich auch die deutschen PISA-Koordinatorinnen dazu zählen würde. Herr Schleicher aber trägt zur Bildungsforschung in Deutschland nichts bei. Er schadet ihr aber auch nicht.

    [...]

    Die Kompetenzorientierung war vielen schon immer ein Dorn im Auge. Da liegt es natürlich nahe zu sagen: Die Ergebnisse sind deshalb schlecht, weil wir die Dinge nicht mehr so machen, wie wir sie früher gemacht haben. Aber wie ich schon erwähnte: Wenn wir uns den tatsächlichen Unterricht anschauen, wie er vielerorts an deutschen Schulen läuft, lautet die Diagnose eher, dass dort noch ziemlich viel so gemacht wird wie immer. Wir Bildungsforscher wären richtig glücklich, wenn wir im Matheunterricht beobachten könnten, dass dort eine stärkere Ausrichtung am Leben außerhalb der Schule erfolgen würde. In Englisch ist das der Fall, der Englischunterricht hat Antworten gegeben auf die sich verändernde Welt, und die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im IQB-Bildungstrend sind zwischen 2016 und 2022 gestiegen."

    https://www.jmwiarda.de/2024/0…chland-ein-auslaufmodell/

    Ach!

    Du hast halt keine Ahnung, was in meinem Beitrag stand, den ich gelöscht habe und auf welche Diskussion er sich bezog. Tipp: Auf Maylin85, mit der ich vor ein paar Seiten schon übereingekommen bin, nicht übereinzukommen.


    Kommt inhaltlich auch noch etwas von dir? Oder hat es dir die Sprache verschlagen, dass es Schulen gibt, die Inklusion umsetzen und - oh Wunder - genau diese Schulen eine ganz andere Haltung an den Tag legen, als jene Lehrkräfte hier, die behaupten, Inklusion funktioniere an ihrer Schule nicht. (Und nochmal: Das glaube ich ihnen gar nicht, denn ich sehe viele Grundschulen, an denen schon total viel gemacht wird. Ich glaube, diese Lehrkräfte sehen vielleicht gar nicht alles, was sie auf dem Weg Inklusion schon machen und sind deswegen frustriert, dass sie ihren lobenswerten aber für die eigene Zufriedenheit dann eher ungesunden hohen Anspruch an ihren Unterricht und Inklusion nicht gerecht werden.)

    Ja, wir machen das alles schon ganz richtig und können an unserer Situation nichts ändern. Durch die Belastung prallt jede Kritik an uns ab. Schulentwicklung ist da nicht mehr möglich, sei es Digitalisierung, moderner Unterricht mit besseren Ergebnissen bei PISA oder eben Inklusion. Die Lehrkräfte tragen für gar nichts Verantwortung. Bei Kritik an anderen ist man hier aber immer sehr schnell vorne dabei: Schüler*innen und deren Leistungen, Student*innen mit mangelhaften Umfragen, Bildungspolitiker*innen mit naiven Ansichten und natürlich auch Wissenschaftler*innen aus ihrem Elfenbeinturm. Das ist einfach Augenwischerei!


    Du hast dich offensichtlich hier verabschiedet mit dem Grund "Kein Interesse mehr an der Diskussion". Auf der einen Seite ist das schade, auf der anderen Seite hast du meines Erachtens hier garnicht diskutiert, da du auf die Einwände der Kolleg:innen hier kaum ernsthaft eingegangen bist, sondern irgendwelche Studien zitierend theoretische Konzepte verbreitet hast.

    Blöd nur, dass es existierende Schulen gibt, die Inklusion erfolgreich umsetzen. Die Ergebnisse der Untersuchung von Rolf Werning beruhen auf Interviews mit Lehrkräften, Schulleitungen und Eltern an sehr realen inklusiven Schulen und ergeben als Merkmale (guter) inklusiver Schulen: "(Kritische) Selbstreflexion – Inklusion als Prozess nicht als Zustand" (!) und "Engagement, Haltung, und Expertise der einzelnen Lehrkräfte" (!). Das ist keine Theorie sondern Praxis.

    Es ist auch keine Theorie und es sind keine ausgedachten Schulen, wenn Studien ergeben, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen besser oder mindestens genau so gut lernen. Die inklusiven Schulen und inklusiv beschulten Schüler*innen dort gibt es wirklich.

    Die Rahmenbedingungen müssen sich für die Qualität der Inklusion und die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte verbessern. Das habe ich von meiner Seite doch nie zur Debatte gestellt! Mir ging es um die Haltung, die hier konkret gezeigt wurde (eine inklusive Klasse sei prinzipiell chaotisch; Kinder mit verstörendem Verhalten müsse man loswerden; Inklusion führe zu schlechteren Lernerfolgen der Kinder mit und ohne Förderschwerpunkt; Eltern hätten eine Art Anspruch auf Separation) und die Reflexion darüber, dass diese für das professionelle Handeln einen Einfluss hat. Diese Haltung kritisierte ich und nicht die prinzipielle Arbeit unter widrigen Bedingungen.


    Die Frage nach dem Wohlbefinden ist noch einmal eine andere als die nach den Lernerfolgen. Ich finde die Quelle dazu gerade nicht, aber die variiert tatsächlich je nach Förderschwerpunkt, wenn ich das richtig im Kopf habe. Allerdings war das meine ich bezogen auf die Kinder mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt selbst und nicht auf die Mitschüler*innen bezogen. Bezogen auf die Lernerfolge wurden die Ergebnisse aber durchaus auch nach dem Förderschwerpunkt differenziert wie das zum Beispiel in der Untersuchung von Kocaj et al. (2017) der Fall war.


    Du bist dann vermutlich an einer weiterführenden Schule, an der genau die Separations-Effekte eintreten, gegen die ich mich hier ausspreche. Das wird aber auch nicht besser, indem man eine prinzipielle Separation der Kinder mit sozial-emotionalen Förderschwerpunkt an Förderschulen fordert oder glorifiziert. Denn die Lösung entspricht nicht den Menschenrechten und kann von den Förderschulen auch gar nicht mehr geleistet werden bei den steigenden Zahlen an Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Statistisch sind die Kinder, die sonst an der Förderschule waren, noch gar nicht großartig an den Regelschulen angekommen.

    https://www.bertelsmann-stiftu…-im-deutschen-schulsystem


    Also um das nochmal klar zu sagen: Die Bedingungen müssen sich verbessern. Sie müssen aber an den Regelschulen verbessert werden und nicht an dem Förderschulsystem. Das wäre nur eine "Vergoldung der Käfige", wie Theresia Degener sagt. Ein Faktor und ein Merkmal gelingender Inklusion auch unter widrigen Bedingungen ist die kritische Selbstreflexion und die Haltung. Diese kann auch zu einem resilienteren Umgang mit Belastung führen.

Werbung