Der Rechtsruck in Deutschland nimmt verheerende Maße an. Es geht nun immer mehr gegen die Schwächsten in der Gesellschaft. Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die offen homosexuell leben oder trans sind, werden auf der Straße angegriffen. Geflüchtete Menschen werden schikaniert durch erwiesenermaßen wirkungslose und nur symbolpolitische Bezahlkarten. Auch das demokratische Leben wird angegriffen, indem Lokalpolitiker*innen angegriffen werden. Die rechtsextremen Gewalttaten steigen. Gleichzeitig werden die Rechte der Gewerkschaften angezweifelt, der Druck auf Arbeitslose wird erhöht und so ihre Position auf dem Arbeitsmarkt gegenüber dem Arbeitgeber geschwächt und Karenztage bei Krankheit werden in Frage gestellt. Rechts und Reich gehen Hand in Hand.
Gestern gab es in Köln eine Demo mit über 40.000 Menschen, die dagegen auf die Straße gingen. Ganz deutlich wurde auch die Sorge vor einer von Merz geführten Union, die keine zuverlässige Brandmauer gegen die AfD ist. Geschichts- und Politikwissenschaftler*innen wissen, dass es die Konservativen sind, welche die wichtigste Brandmauer gegen rechts sind. Fallen die Konservativen, wie es in Österreicht passiert ist, oder versagen sie in ihrer inneren Moderationsfähigkeit, wie es der Republikanischen Partei passiert ist, die Trump nicht verhindern konnten, fällt die Demokratie. Ich möchte es auch nicht verschweigen, dass ich auch von der SPD und den Grünen, also den linken Parteien, enttäuscht bin, denn auch diese stimmten in den ausländerfeindlichen Tenor mitunter ein. Welche Partei tritt aktuell dagegen ein und repräsentiert jene, die das nicht wollen?*
Es wird Zeit: Demokrat*innen müssen sich klar positionieren für Menschenrechte und gegen rechtspopulistische Kräfte und für eine klare nachhaltige und soziale Zukunftsvision.
Ich wünsche mir eine Politik, die eine klare Zukunftsvision hat, in der es offene Grenzen gibt und Europa gestärkt wird. Das Asylrecht gehört überarbeitet und zwar nicht restiktiver, sondern mit realistischen Möglichkeiten, in Deutschland Asyl zu bekommen, ohne an den EU-Außengrenzen abgewiesen zu werden. "Witzig", sich ohne richtige Außengrenze hinzustellen und zu sagen, wir nehmen keine Menschen aus Drittländern auf. Eine Zukunftsvision, in der die Teilhabe für alle Menschen in der Gesellschaft stark ist, in der wir nachhaltige Energien nutzen und unabhängig von autokratischen Regierungen sind, ebenso dass wir als Europa unabhängig sind von den USA sind. Eine Zukunft in der sozialer Zusammenhalt und Solidarität gelebte Werte sind und nicht der Wohlstand Einzelner, sondern der Wohlstand der Gesellschaft im Mittelpunkt steht. Da ist Bildung ein großes Puzzlestück. Schulen müssen zu demokratischen Vorzeigeinstitutionen werden. Infrastruktur für alle wie auch der ÖPNV oder Bibliotheken müssen wichtiger sein und höher geschätzt werden als private Vermögen der Superreichen. Dazu gehört die Erkenntis, dass der Kapitalismus besser reguliert werden muss. Soziale Medien brauchen demokratische Leitplanken und dürfen sich nicht bei Superreichen konzentrieren. Es kann nicht sein, dass Meta Diversitäts- und Inklusionsthemen unterdrücken und X Demokratiefeinde pushen kann. Vernunft und Moral wurden in den letzten Jahrzehnten mit Füßen getreten, dabei sind das die wahren Werte der Aufklärung. Ich möchte, dass die die demokratische Gesellschaft sich weiterentwickelt und Lösungen findet für verantwortungsbewusste Entscheidungen, auch wenn diese unangenehm sind - wir müssen einsehen, dass wir so nicht weitermachen können und es Veränderung bedarf, die nicht ungezügelte individuelle Freiheit bedeutet. Das bedarf institutioneller Anpassungen wie zum Beispiel Bürger*innenräten, aber eben auch die Haltungen in der Gesellschaft. Demokratie sind nicht die Politiker*innen und Parteien, sondern Demokratie ist die Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Demokratie ist ein Weg und kein Ziel, aber ganz sicher sind wir noch nicht am Ende dieses Weges angelangt und die Demokratie hat noch viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Neben der Frage des Umgangs mit dem Klimawandel hat man es so zum Beispiel in unserer Demokratie bis jetzt verpasst, die körperlichen Selbstbestimmungsrechte der Frauen zu stärken und Abtreibungen zu einem unanfechtbaren Recht zu erheben. Ich vermisse diese Themen im aktuellen Wahlkampf sehr und bin nicht nur überzeugt, sondern kann es durch wissenschaftliche Untersuchungen nachweisen, dass dies effektiver ist, als die Themen der Rechtspopulist*innen zu kopieren.
*P.S.
Und wenn ich sehe, dass in Deutschland gestern wohl 100.000 Menschen auf die Straße gegangen sind - bei Pegida waren es damals, zugeggeben regelmäßiger, 10.000, einmal 20.000 Menschen - und es auf keiner Homepage der großen deutschen Medien das Thema des Tages ist, sondern dort überall von Trump, Merz oder der Aufarbeitung der Pandemie berichtet wird, werde ich wütend und wundere mich nicht, dass diese ganze rechte Scheiße die Diskursoberhand behält.