Beiträge von tibo

    Und bei den Demokraten in den USA ist das Hauptproblem das gleiche, wie bei der SPD in Deutschland: beides waren Parteien, deren Kernwählerschaft Arbeiter waren, gerade die fühlen sich durch beide Parteien aber nicht mehr vertreten, weil sie mit "modernen" linken Themen, auf die sich beide Parteien in den letzten Jahren konzentrierte haben, wenig anfangen können.


    Die SPD hatte durchaus starke Jahre in der großen Koalition mit der Union, in denen wichtige klassisch linke Themen wie der Mindestlohn durchgesetzt wurden. Sie waren bei der letzten Bundestagswahl auch am stärksten unter den Arbeiter*innen. "Moderne linke Themen" verbinde ich nicht mit der SPD. (Meiner Meinung nach ist die SPD auf einer policy-Ebene bei gesellschaftlichen Themen die konservativste Partei, die wir in unserem Parteiensystem brauchen.) Leider finden viele Menschen ja schon die Menschenrechte modern links und woke. Da kann ich dann auf einer inhaltlichen Ebene keiner Partei einen Vorwurf machen, die sich dafür einsetzt und so vermeintlich die rechtspopulistischen/ -extremen Parteien stärke. Das Erstarken den Rechtsextremen ist immerhin auch ein europa- bis weltweites Phänomen, deswegen finde ich es viel zu einfach, die Ursache darin zu sehen, dass linke demokratische Parteien die Arbeiter*innen hinter sich verlieren, weil "moderne linke Themen" hätten.


    Den Demokraten kann man den Vorwurf machen, dass sie viel zu lang an "When they go low, we go high" festgehalten haben. Einen Trump schlägt man nur mit denselben unmoralischen Mitteln, die er selbst nutzt.

    Da möchte ich mittlerweile zustimmen. Spätestens seit dem von Trump geduldeten Sturm des Kapitols und seiner Nicht-Anerkennung der letzten Wahl muss er bekämpft werden wie ein Feind der Demokratie - und die aktuelle Demokratie in Deutschland haben wir auch nicht durch friedliche Proteste oder demokratische Mittel erhalten. Die Verfassung in Deutschland bietet gegen Verfassungsfeinde gewisse Mittel, die es in der veralteten Verfassung der USA - soweit ich weiß - nicht gibt. Der Präsident hat aber doch einige Sonderrechte dort - nicht zuletzt mit der praktischen Immunität bei politischen Entscheidungen, die ja zugunsten Trumps vom Obersten Gericht geschaffen wurde. Die sollte man jetzt, wenn es nicht schon zu spät ist, nutzen, um die Demokratie als System zu stärken und sich im Notfall auch durch Tricks eine weitere Amtszeit zu sichern. Sind Faschisten erstmal an der Macht, kann es schwierig werden, sie loszuwerden. Auch wenn Polen immerhin Hoffnung gibt, dass dies nicht immer mit Gewalt nötig ist.

    Wenn man in einem republikanischem County wohnt, der zu einem republikanischem Wahlkreis gehört, dann ist die wichtige Wahl nicht die Hautpwahl im November, sondern die Vorwahl. Da kann man dann entscheiden, wer der republikanische Kandidat für das Repräsentantenhaus wird, für den Schulrat, etc. Die Demokraten verlieren eh, aber man kann schauen, dass man bei den Republikanern die moderateren Kandidaten stützt. So funktioniert die amerikanische Demokratie. Da das nicht jeder weiß, müssen Medien darauf aufmerksam machen. Aber nicht wenn es um Trump geht, denn dann geht es nur um moralischen Absolutismus.

    Und das nennen sie dann "Demokratie".

    Hier wurde mMn um einen wesentlichen Punkt herumgeredet: Donald Trump ist ein rechtsextremer Faschist oder nutzt diesen Rechtsextremismus zumindest aktiv für seine Zwecke. Das sehen auch Politikwissenschaftler wie Marcel Lewandowsky, kundige Beobachterinnen wie Annika Brockschmidt oder Philosophen wie Jan Skudlarek so, wenn man sich ausführlicher mit der Begründung für meine These beschäftigen möchte.


    Moral und Ethik ist die Grundlage für Recht und Politik. Ich kann nicht anders, als es bezeichnend zu finden, wenn diese Perspektive ausgeschlossen werden soll, um eine Wahl von Donald Trump in irgendeiner Form zu rechtfertigen.


    Klar wähle ich einen alten, senilen, konservativen Mann, wenn die einzige Alternative ein rechtsextremistischer Faschist ist. Da sähe ich Wählen als meine Pflicht als demokratischer Mensch.

    Ich würde an Material für ganz schwache Schülerinnen und Schüler zum Lesenlernen noch die Silbenlok, Klick und Intraact Plus in den Raum werden und da würd mich interessieren, ob jemand Erfahrungen dazu gemacht hat…?


    IntraAct Plus setzen wir auch ein. Das war bei mir persönlich ein Drama in drei Akten: Unsere geschätzte Sonderpädagogin schwört auf das immerhin auch von einem Doktor der Psychologie entwickelte Programm. Brügelmann, Röber und Bartnitzky kritisieren das Programm aus methodisch-didaktischer Sicht in einem Gutachten. Unterzeichner des Gutachtens ist u.a. auch Hokuspokus-Hirnforscher Gerald Hüther.


    Am Programm IntraAct Plus gibt es aus Selbstvertreter*innengruppen auch Kritik, weil das Konzept wohl der als 'unmenschlich-behaviouristisch' angesehenen ABA-Methodik beim Autismus-Spektrum ähnelt. Ich glaube aber, dass wir das Programm gar nicht so umsetzen, sondern eigentlich nur die aufbauenden, eindeutigen Buchstaben-Kombinationen als Material nutzen.


    Früher ging man hauptsächlich auf die reine optische Ebene. Man dachte, wenn man das Wort nur oft genug anguckt, dann kann man es. Deswegen wurde geraten, viele Bücher zu lesen. Oder - vielleicht erinnert sich jemand von euch daran - es wurden solche Wortkästchen gemacht, woran rein an der Länge der Rechtecke die Buchstaben und dann das Wort erraten werden sollten.

    So war es in meiner Grundschulzeit tatsächlich, im Referendariat haben wir dann gelernt, dass diese Theorie des Rechtschreiblernens, dass man sich Wortbilder merken würde, überholt sei. Ich denke, zurück nochmal zu den kognitiven Strategien, auch, dass Rechtschreibübungen selbstverständlich kognitive Aktivitäten voraussetzt. Ich muss meinen Kindern sowieso häufiger sagen, dass ich ihnen nichts eintrichtern kann und sie den Kopf schon einschalten und selbst mitdenken müssen. Das fällt vielen schwer. Entsprechend kann ich verstehen, dass z.B. die Fresch-Methode für manche schwierig ist. Nur kann man eben nicht alle Wörter des Deutschen auswendig lernen. Deswegen hatte ich auch schon meine Zweifel an Abschreibtexten und Rechtschreibboxen / Karteien, wenn dort nicht die Kognition durch Markierung von schwierigen Stellen und den Rechtschreibstrategien angeregt wird. Bei kognitiver Einschränkung würde ich sagen, arbeitet man eben immer soweit, wie es die Kognition des Kindes zulässt - im Zweifelsfall eben lange im Bereich des alphabetischen Prinzips.


    Die 100 häufigsten Wörter hingegen halte ich auch für möglich, mehr oder weniger auswendig zu lernen und ich finde es auch sinnvoll, mich auf häufige Wörter bei Rechtschreibübungen und Untersuchung der Rechtschreibphänomene zu konzentrieren. Das ist auch der Ansatz im Buch "Grund- und Orientierungswortschatz" von Katja Siekmann. Die Regelhaftigkeit der Rechtschreibung ist ja schon gegeben, bei den 100 häufigsten Wörtern kann ich mir vorstellen, dass dort aber auch einige kurze Merkwörter dabei sind (von, sehr, und).

    Spannendes Thema! Da gibt es ja die verschiedensten Blickinkel auf den Schriftspracherwerb durch Christa Röber mit der silbenanalytischen Methode, Günther Thomé u.a. mit dem Buch "ABC und andere Irrtümer über Orthographie, Rechtschreiben, LRS" (aktuell bei Instagram stark vertreten durch Katja Siekmann), Hans Brügelmann mit einer auch eher lautorientierten, offenen Herangehensweise oder Jürgen Reichen mit der 'Rechtschreibanarchie'.


    Silben sind eine erste Herangehensweise an Wörter, da die Anwendung meist intuitiv im Vorschulalter schon erlernt wird. Die Silbierung hilft vor allem, die Wörter in kleinere Einheiten zu zerlegen, um dann genauer die Laute und insbesondere die Silbenkönige aka Vokale hören zu können. Ansonsten würde ich behaupten, spielen sie eine kleinere Rolle bei der Rechtschreibung als allgemein im Schulunterricht zu vermuten wäre. Die Rolle wird sogar überhöht, indem angeblich unhörbare Laute wie ein langes e in Ente oder Doppelkonsonanten wie ss in essen durch eine Silbierung hörbar würden, was so laut Thomé nicht korrekt ist. Die konsequente Silbierung muss sich außerdem die Kritik gefallen lassen, dass sie Wortstrukturen zerfleddert, wie die Konjugation von Verben zeigt. Dort werden die Flektionen nämlich bei der Silbierung getrennt (ich le-se vs. ich les-e). Ich finde bei Christa Röber trotzdem noch den Aspekt der betonten und unbetonten Silben spannend, die man auch im Anfangsunterricht bereits sehr schön mit den Kindern erforschen kann.


    Während Röber postuliert, dass geschriebene Sprache nicht auf Einzellaute reduzierbar wäre, vertritt Thomé die Auffassung, dass dies durchaus der Fall ist und die meisten Laut-Buchstaben-Zuordnungen lautgetreu sind (Basisgrapheme vs. Orthographeme), wenn man die Laute richtig benennt. Nicht nur das Silbenschwingen sollten Kinder bestenfalls beim Schuleintritt können (Stichwort phonologische Bewusstheit), sondern auch die Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen beim Sprechen bringen viele Kinder mit in die Schule. Laut Thomé verlernen viele Kinder diese Fähigkeit in der Schule aber wieder, weil die Laut-Buchstaben-Zuordnung nicht richtig beigebracht würde. So wird der Igel noch immer oft als Beispiel für die den Buchstaben i genutzt, obwohl bei einem langen i wie am Anfang von Igel der Laut am häufigsten und in der Regel durch ein ie verschriftlicht wird (Basisgraphem). Auch das Beispiel Ente oben zeigt, dass die korrekte Lautgliederung von Wörtern in der Schule zum Zwecke der Verschriftlichung aufgegeben wird ("Hörst du denn nicht die zwei e in Eeenteee" "Ne, das lange e kommt da nämlich nicht einmal vor.") und dann kann man nachvollziehen, wie Röber dazu kommt zu sagen, dass eine isolierte Lautorientierung Sprachwissen voraussetze. Kurz: Die kurzen Vokale sowie Schwa-Laute werden ignoriert (kurze Vokale wie in den Anlauten bei Ordner, Affe, Insel, Unfall gehören z.B. im Lied "A, E, I, O, U, du gehörst du mit dazu" nicht dazu) und fälschlicherweise zieht man die Wörter so auseinander und biegt sie so um, dass man angeblich überall die langen Vokale höre. Das klappt bei Kindern dann natürlich nicht, denn sie müssten raten, ob in einem Wort ein kurzer, langer oder Schwa-Laut vorkommt.


    Beide Ansätze sind für meinen Anfangsunterricht sehr wertvoll gewesen. Sie eröffnen den Blick für die Untersuchung von Regelmäßigkeiten beim Schreiben, die wir den Kindern beibringen wollen - die Untersuchung und die Rechtschreibung selbst. Sie haben auch sehr viele Gemeinsamkeiten. Ich habe einige Prinzipien für meinen Anfangsunterricht von beiden Ansätzen übernommen und kann sowohl die Beschäftigung mit u.a. den offen zugänglichen Materialien von Christa Röber "Die Kinder vom Zirkus Palope" als auch das oben genannte Buch von Günther Thomé sowie die Instagram-Seite von Katha Siekmann empfehlen.


    Nun wollte ich noch in die Runde nach allgemeinen Erfahrungswerten fragen. Heute: die Silben. Nutzen eure SuS rot-blaue Stifte und das entsprechende Material? Oder markiert ihr Silbenbögen und Silbenkönige? Und macht man das dann bei allem was man schreibt?

    Ein großes wie spannendes Thema, tut mir leid, wenn das jetzt in der Kürze nicht an jeder Stelle auf den Punkt formuliert ist meinerseits. Abschließend dann aber noch wirklich kurz zur Bedeutung der Silben und damit zur Ausgangsfrage:

    Ich finde Silben wichtig, es gibt aber eben noch einige weitere wichtige Sprachstrukturen für den Rechtschreibunterricht, wie die vielen angerissenen Phänomene des Schriftspracherwerbs zeigen, und eine durchgehende Markierung halte ich für eine unnötige Überhöhung der Bedeutung von Silben - insbesondere wenn Anderes wie Basis- und Orthographeme dann noch hinten rüber fallen. Die Markierung der Vokale vor allem mit der jeweiligen Länge finde ich in der Hinsicht wiederum besonders wichtig. Silbenkönige habe ich deswegen von Anfang an in Klasse 1 möglichst blau (lang), rot (kurz), gelb (Schwa) markiert und z.B. in der Aufgabe zum Wort des Tages markieren lassen.


    Ich frage mich, ob diese ganzen kognitiven Strategien, auch Fresch etc., lernschwachen SuS eher helfen oder sie eher verwirren.


    Inwiefern sollte die FRESCH-Methode denn verwirrend sein und was ist die Alternative? Sie ist eben genau so anspruchsvoll wie unsere Rechtschreibung, diese können wir aber ja letztlich nicht reduzieren. Schritt für Schritt vom Allgemeinen zum Besonderen ist allerdings auf jeden Fall wichtig. Laute zu hören und Buchstaben wie gesprochen zuzuordnen ist dabei sicher der erste Schritt, auch wenn man meinen könnte, durch die unsachliche Diskussion über die Methode Lesen durch Schreiben mit einer angeblichen Reduzierung auf "Schreib, wie du sprichst" wären das alphabetische Prinzip und (An-)Lauttabellen in Verruf geraten. Die Strategien der FRESCH-Methode behandeln dann in der Mehrzahl Rechtschreibphänomene, die auf dem alphabetischen Prinzip aufbauen; kommen also bei mir in der Regel erst nach Klasse 1.

    Deine Antworten beziehen sich irgendwie gar nicht mehr auf meine Aussagen, CDL , ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll. Ich habe nie widersprochen, dass der Umgang mit den First Nations Diskriminierung ist und selbstverständlich zum Gesamtbild dazugehört und fand auch deine erste Antwort in der Hinsicht sinnvoll, als dass diese Diskriminierung natürlich bei der Betrachtung des kanadischen Bildungssystems benannt werden muss.


    Die spezifische Diskriminierung der First Nations in Kanada ändert aber ja nichts an den allgemeinen Vorteilen der benannten Systemmerkmale des kanadischen Bildungssystems. Es sind nicht die Ganztagsschulen, das längere gemeinsame Lernen oder die verankerten multiprofessionellen Teams, welche zur Diskriminierung der First Nations in Kanada führen.


    Das sind dann eben zufällig genau die Gruppen, die dir besonders am Herzen liegen

    Welche Gruppen liegen mir denn besonders am Herzen und welche weniger?

    Man kann berechtigterweise einwenden, dass der Umgang speziell mit den First Nations das Gesamtbild komplett relativiert und negiert. Was es allerdings nicht negiert, sind die Maßnahmen, die Kanada im Allgemeinen ergreift. Ganztagsschulen, längeres gemeinsames Lernen, verbindliche Einzugsgebiete. Stattdessen diskutieren wir hier über mehr Selektion und damit so ziemlich dem Gegenteil.

    Finde ich absolut auch einen wichtigen Aspekt für das Gesamtbild. (Post-)Kolonialismus der First Nations in Kanada ist gleichzeitig ein bedeutsames wie sehr spezifisches Problem. Es negiert für mich nicht komplett die positiven und wirksamen Ansätze des Bildungssystems, die eben von der vergleichenden Bildungsforschung auch als solche herausgestellt werden und Vorbild für Deutschland sein können.


    Die Vorstellung, den kanadischen Multikulturalismus auf Deutschland zu übertragen, ist also utopisch. Dennoch können die Deutschen von Kanada lernen. Gemäß dem Motto von Max Weber "Man muss das Utopische denken, um das Mögliche zu erkennen" kann der kanadische Multikulturalismus eine Orientierungsmarke sein - ein Leuchtturm, der vage und grob die Richtung angibt, in die Überlegungen zu Migration und Integration gehen können.


    Wenn du also schon Beispiele nennen möchtest, dann bitte schau dir die Länder realistisch an und zitier nicht nur die schöne, heile, weiße PR- Welt, die man von sich selbst erzählen möchte.


    Die PISA-Studie entspringt keiner kanadischen PR-Abteilung. Die Bundeszentrale für politische Bildung sicher auch nicht. Wie divers man dort jeweils aufgestellt ist, kann ich nicht beurteilen.

    Zu erkennen, dass man sich geirrt hatte- wie flächendeckend G8 einzuführen- und solch einen Fehler zu korrigieren ist meines Erachtens aber kein Rückschritt.

    Generell nicht, mit der quasi flächendeckenden Rückführung zu G9 hat man allerdings eine Chance verpasst, Gesamtschulen zu profilieren und finanzielle Mittel dort einzusetzen, wo sie noch einen Unterschied machen können. Das ist nicht das 3. Jahr in der Oberstufe.


    Aber die Industrie-Nationen liegen punktemässig so nah beisammen, lässt sich das daher überhaupt belegen?

    Meine Quelle: https://www.bpb.de/themen/bild…systemen-zusammenhaengen/


    Gern. Wo kommt der 2. Lehrer bei uns her?

    Eindeutig eine Verfehlung Bildungspolitik quasi seit der Bundesrepublik (Stichwort Schweinezyklus), ja.

    Kanada hat vergleichbar große Klassen. Kanada hat seit 30 Jahren Sonderschulen abgeschafft und gilt als Vorbild in Sachen Inklusion. Kanada hat ebenfalls eine hohe Zuwanderungsquote. Kanada hatte ähnliche Herausforderungen im Bildungssystem wie wir. Sie sind ein Beispiel für eine Land, das bei PISA die letzen Jahre gut abschnitt und die Entkopplung von Herkunft und Leistung vergleichsweise gut schaffte.


    Kanada sieht sich selbst als multikulturelles Land. Dort gibt es festgelegte, verbindliche Einzugsgebiete. Kanadas Schüler*innen lernen bis zur sechsten Klasse in der primary school zusammen. Kanadas Schulen sind Ganztagsschulen. Man setzt auf enge Diagnostik und Anschlussförderung. Daten werden digitale erhoben und in Schulen, zwischen Schulen und über Kreise hinaus verglichen. Teamteaching und Lehrer*innenkooperationen sind wesentliches Merkmal kanadischer Schulen.


    Alles Strukturen, welche die Bildungsforschung auch auf Grundlage der ländervergleichenden PISA-Ergebnisse empfiehlt.

    Was du hier beschreibst, ist die Realität. Ohne Unterstützung durch die Eltern ist eine erfolgreiche Schullaufbahn mindestens erschwert.


    Diese Realität macht IMHO aber den bildungspolitischen Anspruch an eine chancengleiche Schule zur Makulatur.


    Die bei PISA erfolgreichsten Länder sind mitunter auch die Länder, die bei der Entkopplung von Herkunft und Leistung vorne mit dabei sind. Das scheint also möglich zu sein, die Kinder ohne Unterstützung aufzufangen. Chancengleiche Schule halte ich generell keineswegs für Makulatur. Wir sind in Deutschland nur leider traditionell weit hinten, was das angeht und die Lösung gibt es natürlich auch nicht. Es besteht aber auch nicht die volle Bereitschaft, wesentlich etwas zu verändern im Schulsystem. Ganz im Gegenteil glaubt man nun, mit 'Rückschritten' (G9, verpflichtende Schulformempfehlung, weniger Inklusion, ...) reagieren zu müssen. Schnell kommt dann wie hier auch, dass die Leistungsstärkeren ja sonst leiden würden. Dann ist man wieder bei meinem ersten Satz.

    Die ganze Diskussion geht mMn mit der Forderung nach mehr Selektion vollkommen an den Herausforderungen unserer Zeit vorbei. Es ist ein konservativer Blick auf die Veränderungen der Gesellschaft, die sich in der Schule auswirken, mit der falschen Hoffnung, dass wenn man 'wie früher' wieder mehr selektieren würde, auch die Auswirkungen der Veränderungen in der Gesellschaft auf die Schule sinken würden oder gar gesellschaftliche Probleme gelöst würden. Das größte Problem ist aber gar nicht die Leistungsspitze, sondern die Anzahl der Kinder, welche die Basiskompetenzen nicht erreichen. Und das zweite große Problem daran ist, dass dies so sehr von der Herkunft abhängt.


    Insbesondere Länder mit den besten Leistungswerten in internationalen Vergleichstest schaffen gleichzeitig eine hohe Entkopplung von dem Zusammenhang zwischen Herkunft und Leistung. Das gelingt uns historisch nicht und wird nicht besser, wenn man nun versucht, einen Status von vor x Jahren wieder herzustellen.


    Wir sollten darüber diskutieren, wie das System Schule sich den Veränderungen der Gesellschaft anpassen und auch den Individuen, den Schüler*innen, besser anpassen kann. Damit würde man übrigens auch die Leistungsspitze besser fordern.

    Ich bin mittendrin e.V. sehr positiv gegenüber eingestellt. Die Kritik hier geht aber für mich am Problem vorbei bzw. sehe ich das Problem nicht in zu leichtfertig vergebenen Förderschwerpunkten. Es ist aber auch ein sehr spannendes Thema. Das Gutachten ist sowohl komplett als auch in einer Kurzfassung (die kann ich allen empfehlen zu lesen) online verfügbar und ich habe dort wenig gelesen, was für einen "Skandal" spricht. Das wesentliche Problem ist natürlich genau das, was du benennst, mittendrin e.V. kritisert und was ich als Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma kennengelernt habe. Nur mit Etikett bekommt man Ressourcen, das Etikett kann aber zu Stigmatisierung führen und widerspricht eigentlich der Kernidee von Inklusion. Das ist aber auch der Subtext dieses Gutachtens.


    Ich habe dieses Jahr zwei Verfahren für den Förderschwerpunkt Lernen mitbeantragt und -bearbeitet. Die Kinder haben die Lernziele der Schuleingangsphase nicht erreicht. Ein Kind hat bereits eine dreijährige Verweildauer in der Schuleingangsphase, bei einem Kind ist auch bei einer dreijährigen Schuleingangsphase nicht zu erwarten, dass es die Lernziele erreicht. Mein Ziel im Unterricht ist eine Individualisierung und Differenzierung, gleichzeitig bin ich aber natürlich an die Lehrpläne gebunden. An der Stelle ist es dann für die Kinder und für mich sehr sinnvoll, das Verfahren zu eröffnen, damit ich vom Lehrplan abweichen und so weiter auf das passende Niveau individualisieren und differenzieren kann.


    mittendrin e.V. sieht dabei "Folgen, die das gesamte Leben prägen" und das Folgeproblem, dass "dann [...] nach deutlich reduzierten Lehrplänen unterrichtet [wird]. Der Weg zurück zum Regel-Lehrstoff gelingt dann nur noch in Ausnahmefällen." Kann ich nachvollziehen, aber die eine bis zur Inklusion betriebene Alternative wäre ja, die Kinder auf einer Förderschule zu separieren. Die zweite Alternative wäre, die Kinder mit dem Lernstoff, den sie nicht schaffen können, weiter zu überlasten. Beides ist aus Sicht des Kindes und der Schule nicht wünschenswert und nicht im Sinne der Inklusion.


    Im nach meiner Meinung Optimalfall wäre ein AO-SF und damit eine Etikettierung nicht notwendig, damit ich die nötigen Ressourcen - hier vor allem die Möglichkeit vom Lehrplan zugunsten der realistischen Lernziele der einzelnen Kinder abweichen kann - bekomme. Der Normalzustand sollte sein, dass dies für alle Kinder gilt und ich wesentlich niedrigschwelliger diese Möglichkeiten nutzen kann. Momentan ist das AO-SF aber die einzige Möglichkeit, alle Kinder auf ihrem möglichen Niveau zu unterrichten und deswegen eindeutig etwas Positives für alle Seiten. Ganz sicher kann ich sagen, dass wir nicht mehr Anträge stellen, als notwendig wären. Im Gegenteil bekamen wir von den externen Sonderpädagog*innen mehr als einmal zurückgemeldet, dass ihnen bei der Hospitation weitere Kinder aufgefallen sind, die auch einen Förderbedarf haben könnten, für die wir keinen Antrag gestellt haben. Soweit ich informiert bin, erhalten wir aber auch keine festen weiteren Ressourcen (finanziell oder personell), wenn wir mehr Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung oder Lernen hätten.


    Was ich und was wir als Schule aus dem Gutachten mitnehmen wollen, ist, dass wir die Kinder mit Lernrückständen natürlich früher durch standardisierte Diagnostik erkennen und dann passende, wirksame Förderangebote schaffen wollen. Das Vorbild Kanada hatte ich ja bereits in einem anderen Thread erwähnt. Das Gutachten wirft natürlich einmal mehr den Fokus auf den Zwiespalt zwischen standardisierten Lehrplänen, etikettierenden rechtlichen Vorgaben und einem engen Inklusionsbegriff im System Schule und der Kernidee der Individualisierung und einem weiten Begriff der Inklusion. Da wird es auch keine perfekte Lösung geben, Inklusion ist auch insofern mehr ein Weg als ein abschließbares Ziel.

    Wenn man einen Fragebogen einsetzt und jemand nach einem Item fragt, weil das nicht richtig oder verwirrend erscheint, dann ist "Ja keine Ahnung, derjenige, der den Fragebogen gemacht hat wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Ich übernehme den blind, ohne darüber nachzudenken. Wird schon stimmen." unwissenschaftlich.

    Komisch, dein Zitat kann ich hier nirgendwo finden. Ist es etwa nur eine Interpretation der Antwort deinerseits? ;)


    Ich habe ja auch nicht umsonst, wie du auch zitierst, nachgefragt, inwiefern du meinst, dass es unwissenschaftlich sei.


    Zusammen mit Quittengelees Antwort und der Haltung in manch anderen Threads zu Umfragen von Studis habe ich meine Antwort auf Grundlage einer Interpretation getätigt (Mir ist bewusst, dass Quittengelees Antwort eine rein sachliche Nachfrage sein kann). Wenn die Interpretation bei dir persönlich falsch war, nehme ich dich gerne in diesem Fall von der Kritik aus. Ich habe ja extra nachgefragt, wie du es meinst.

    Habe teilgenommen und finde das ein sehr wichtiges Thema :top:


    Das ist eine ziemlich unwissenschaftlich Herangehensweise.

    Inwiefern?



    Der Fragebogen bzw. dessen Übertragung auf den deutschen Sprachraum wurde in einem ersten Schritt - so scheint es mir, wenn ich das verlinkte Abstract von MSBayern lese - lediglich validiert. Nun kann der Fragebogen eingesetzt werden. Das tut der Threadersteller. Es handelt sich hier um eine Bachelorarbeit und da ist dieses Vorgehen durchaus üblich und mitunter sehr hilfreich, weil die Rohdaten evtl. für weitere Studien auch noch weitergenutzt werden können. Insofern könnte der Threadersteller den Fragebogen auch nicht einfach ändern, da die Daten dann nicht mehr vergleichbar wären.


    Ob das hier so ist, weiß ich natürlich auch nicht, aber dein Urteil ist - und das kennt man aus diesem Bereich des Lehrerforums leider zu genüge - sehr vorschnell und anscheinend ohne wirkliche Kenntnis vom wissenschaftlichen Betrieb bzw. den konkreten Umständen dieser Umfrage gekennzeichnet. Die Bachelorarbeiten werden ja vom wissenschaftlichen Personal an den Unis betreut und bis man an dem Punkt ist, die Umfrage zu veröffentlichen, muss in der Regel schon viel Beratung geschehen sein und es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeit nicht "ziemlich unwissenschaftlich" ist - insbesondere bei einer so wesentlichen Frage wie der Methodik und in diesem Fall der Übernahme des an den deutschen Sprachraum angepassten Fragebogens, auch wenn ich verstehen kann, dass die Eigenleistungdeswegen erstmal fragwürdig scheint.

    Schmidt

    Deine Aussage war, dass Mathematik einen zu geringen Stellenwert an allgemeinbildenden Schulen hätte. Außerdem habe ich kodi zitiert, der dafür die notwendigen Vorkurse als Argument angeführt hat. Du sagst richtigerweise, dass Mathematik zur allgemeinen Hochschulreife gehört. Niemand argumentiert da dagegen. Mein Argument war, dass ich durch den Grundkurs Mathematik auch auf zumindest zwei der von dir genannten Studienfächer / -bereiche gut vorbereitet war. Entsprechend finde ich nicht, dass der Stellenwert in Mathematik zu gering war, sondern gut gepasst hat. Ich sehe damit auch keine Notwendigkeit, den Stellenwert zu erhöhen. Stattdessen würde ich wenn eine Notwendigkeit sehen, die Schüler*innen besser und frühzeitiger in der Berufswahl zu unterstützen, damit Interessierte Mathe-LK wählen, bzw. wenn trotz des Mathe-LKs die Vorkurse notwendig sind, die Ansprüche im Mathe-LK zu erhöhen. Nicht aber den Stellenwert von Mathematik an allgemeinbildenden Schulen generell.

    Mathe sollte nicht aus dem Abitur fliegen, sondern einen deutlich höheren Stellenwert bekommen. Sprachliche Fächer sind in der allgemeinbildenden Schule überbetont und die Einstellung, dass es ja nicht so schlimm sei, "kein Mathe zu können" viel zu weit verbreitet.


    Schon seit Jahren müssen alle MINT-Fächer an den Unis Vorkurse anbieten. Ich hätte da eher erwartet, dass eine Oberstufenreform zum Ziel hat, dass die Studierfähigkeit herstellt wird, wie es früher mal Aufgabe der Oberstufe war und eigentlich auch die Legitimation dieser Schulstufe ist.


    Es besteht wohl ein bedeutender Unterschied zwischen "kein Mathe können" und den Anforderungen der gymnasialen Oberstufe in Mathematik nicht gerecht zu werden. Die allgemeine Hochschulreife heißt außerdem nicht umsonst allgemeine Hochschulreife und nicht MINT-spezifische Hochschulreife. Insofern finde ich die Kritik - angesichts der Tatsache, dass man Mathe eben durchaus im Abitur haben muss, nur eben nicht bis zum Ende als Prüfungsfach - an der Notwendigkeit der Vorkurse an der Uni auch am Thema vorbei. Wer ein MINT-Fach studieren möchte, sollte dann eben die entsprechenden Leistungskurse wählen und diese sollten selbstverständlich fachlich dann auch spezifisch auf die 'MINT-Studierfähigkeit' hinarbeiten. Entsprechend dann natürlich mit hohem fachlichem Anspruch. Damit muss man dann aber bitte diejenigen verschonen, die dieses Ziel nicht haben. Mir reichte mein Mathe-Grundkurs vollkommen für mein Studium und eine allgemeine Hochschulreife.

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