Spannendes Thema! Da gibt es ja die verschiedensten Blickinkel auf den Schriftspracherwerb durch Christa Röber mit der silbenanalytischen Methode, Günther Thomé u.a. mit dem Buch "ABC und andere Irrtümer über Orthographie, Rechtschreiben, LRS" (aktuell bei Instagram stark vertreten durch Katja Siekmann), Hans Brügelmann mit einer auch eher lautorientierten, offenen Herangehensweise oder Jürgen Reichen mit der 'Rechtschreibanarchie'.
Silben sind eine erste Herangehensweise an Wörter, da die Anwendung meist intuitiv im Vorschulalter schon erlernt wird. Die Silbierung hilft vor allem, die Wörter in kleinere Einheiten zu zerlegen, um dann genauer die Laute und insbesondere die Silbenkönige aka Vokale hören zu können. Ansonsten würde ich behaupten, spielen sie eine kleinere Rolle bei der Rechtschreibung als allgemein im Schulunterricht zu vermuten wäre. Die Rolle wird sogar überhöht, indem angeblich unhörbare Laute wie ein langes e in Ente oder Doppelkonsonanten wie ss in essen durch eine Silbierung hörbar würden, was so laut Thomé nicht korrekt ist. Die konsequente Silbierung muss sich außerdem die Kritik gefallen lassen, dass sie Wortstrukturen zerfleddert, wie die Konjugation von Verben zeigt. Dort werden die Flektionen nämlich bei der Silbierung getrennt (ich le-se vs. ich les-e). Ich finde bei Christa Röber trotzdem noch den Aspekt der betonten und unbetonten Silben spannend, die man auch im Anfangsunterricht bereits sehr schön mit den Kindern erforschen kann.
Während Röber postuliert, dass geschriebene Sprache nicht auf Einzellaute reduzierbar wäre, vertritt Thomé die Auffassung, dass dies durchaus der Fall ist und die meisten Laut-Buchstaben-Zuordnungen lautgetreu sind (Basisgrapheme vs. Orthographeme), wenn man die Laute richtig benennt. Nicht nur das Silbenschwingen sollten Kinder bestenfalls beim Schuleintritt können (Stichwort phonologische Bewusstheit), sondern auch die Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen beim Sprechen bringen viele Kinder mit in die Schule. Laut Thomé verlernen viele Kinder diese Fähigkeit in der Schule aber wieder, weil die Laut-Buchstaben-Zuordnung nicht richtig beigebracht würde. So wird der Igel noch immer oft als Beispiel für die den Buchstaben i genutzt, obwohl bei einem langen i wie am Anfang von Igel der Laut am häufigsten und in der Regel durch ein ie verschriftlicht wird (Basisgraphem). Auch das Beispiel Ente oben zeigt, dass die korrekte Lautgliederung von Wörtern in der Schule zum Zwecke der Verschriftlichung aufgegeben wird ("Hörst du denn nicht die zwei e in Eeenteee" "Ne, das lange e kommt da nämlich nicht einmal vor.") und dann kann man nachvollziehen, wie Röber dazu kommt zu sagen, dass eine isolierte Lautorientierung Sprachwissen voraussetze. Kurz: Die kurzen Vokale sowie Schwa-Laute werden ignoriert (kurze Vokale wie in den Anlauten bei Ordner, Affe, Insel, Unfall gehören z.B. im Lied "A, E, I, O, U, du gehörst du mit dazu" nicht dazu) und fälschlicherweise zieht man die Wörter so auseinander und biegt sie so um, dass man angeblich überall die langen Vokale höre. Das klappt bei Kindern dann natürlich nicht, denn sie müssten raten, ob in einem Wort ein kurzer, langer oder Schwa-Laut vorkommt.
Beide Ansätze sind für meinen Anfangsunterricht sehr wertvoll gewesen. Sie eröffnen den Blick für die Untersuchung von Regelmäßigkeiten beim Schreiben, die wir den Kindern beibringen wollen - die Untersuchung und die Rechtschreibung selbst. Sie haben auch sehr viele Gemeinsamkeiten. Ich habe einige Prinzipien für meinen Anfangsunterricht von beiden Ansätzen übernommen und kann sowohl die Beschäftigung mit u.a. den offen zugänglichen Materialien von Christa Röber "Die Kinder vom Zirkus Palope" als auch das oben genannte Buch von Günther Thomé sowie die Instagram-Seite von Katha Siekmann empfehlen.
Nun wollte ich noch in die Runde nach allgemeinen Erfahrungswerten fragen. Heute: die Silben. Nutzen eure SuS rot-blaue Stifte und das entsprechende Material? Oder markiert ihr Silbenbögen und Silbenkönige? Und macht man das dann bei allem was man schreibt?
Ein großes wie spannendes Thema, tut mir leid, wenn das jetzt in der Kürze nicht an jeder Stelle auf den Punkt formuliert ist meinerseits. Abschließend dann aber noch wirklich kurz zur Bedeutung der Silben und damit zur Ausgangsfrage:
Ich finde Silben wichtig, es gibt aber eben noch einige weitere wichtige Sprachstrukturen für den Rechtschreibunterricht, wie die vielen angerissenen Phänomene des Schriftspracherwerbs zeigen, und eine durchgehende Markierung halte ich für eine unnötige Überhöhung der Bedeutung von Silben - insbesondere wenn Anderes wie Basis- und Orthographeme dann noch hinten rüber fallen. Die Markierung der Vokale vor allem mit der jeweiligen Länge finde ich in der Hinsicht wiederum besonders wichtig. Silbenkönige habe ich deswegen von Anfang an in Klasse 1 möglichst blau (lang), rot (kurz), gelb (Schwa) markiert und z.B. in der Aufgabe zum Wort des Tages markieren lassen.
Ich frage mich, ob diese ganzen kognitiven Strategien, auch Fresch etc., lernschwachen SuS eher helfen oder sie eher verwirren.
Inwiefern sollte die FRESCH-Methode denn verwirrend sein und was ist die Alternative? Sie ist eben genau so anspruchsvoll wie unsere Rechtschreibung, diese können wir aber ja letztlich nicht reduzieren. Schritt für Schritt vom Allgemeinen zum Besonderen ist allerdings auf jeden Fall wichtig. Laute zu hören und Buchstaben wie gesprochen zuzuordnen ist dabei sicher der erste Schritt, auch wenn man meinen könnte, durch die unsachliche Diskussion über die Methode Lesen durch Schreiben mit einer angeblichen Reduzierung auf "Schreib, wie du sprichst" wären das alphabetische Prinzip und (An-)Lauttabellen in Verruf geraten. Die Strategien der FRESCH-Methode behandeln dann in der Mehrzahl Rechtschreibphänomene, die auf dem alphabetischen Prinzip aufbauen; kommen also bei mir in der Regel erst nach Klasse 1.