Das ist auch nur deine Meinung.
Die FDP hat in der Koalition von 12% auf 3% abgebaut, weil 3 von 4 ehemaligen FDP Wählern offensichtlich mit der Arbeit der FDP in der Koalition nicht zufrieden waren (und das ganz sicher nicht, weil die FDP bei Rot-Grünen Projekten auf die Schuldenbremse geschaut hat). Dass diese den Ausstieg positiv bewerten werden, muss man doch auch erkennen können, auch wenn man nicht zu dieser Gruppe gehört. Und dass die es auch nicht negativ sehen werden, wenn der Ausstieg geplant und mit einer Strategie erfolgt ist, sollte doch auch offensichtlich sein. Stattdessen wird so getan, als ob eine große Verschwörung aufgedeckt worden wäre, über die man sich nur empören könne.
Keine Meinung ist: Die Zeit arbeitet anders als die Springer-Presse nach Grundsätzen des journalistischen Ethos und pusht nicht auf Zuruf des Chefs eine Partei.
Deine Argumentation nach dem Motto "Das ist halt, was die Menschen wollen" schwächelt wie im US-Wahl-Thread halt an der Stelle, an der man erkennt, dass der Zeitgeist und manche Mehrheiten aktuell eben zunehmend autokratisch, gruppenbezogen menschenfeindlich und / oder schlicht verantwortungslos sind. Aber gut, vielleicht muss ich mir dann einfach denken "Hey klasse, ich kann jetzt höchstens noch darauf hoffen, dass es nach der Wahl eine Regierung aus SPD, Grünen und BSW gibt, weil ein nennenswerter Teil der Linken eben einfach Putin geil findet und Die Linke nicht schon Putin-beeinflusst genug war. Und die Esos bei den Grünen sind sicher ein toller Anschlusspunkt, um die ganzen Corona-Leugner*innen für sich zu überzeugen". Mache ich aber aus Gründen auch nicht.
Diese Tendenzen kann man übrigens weltweit beobachten, weshalb ich es für sehr falsch halte, dies am vermeintlichen Scheitern der linken oder demokratischen Parteien, die Menschen anzusprechen, festzumachen. An der aktuellen Koalition waren 2/3 der demokratischen Parteien des Bundestags beteiligt und man stärkt die Rechten und schwächt die Demokratie, wenn man ständig so tut, als wären diese alle gleich (unfähig).* Dieses Negieren von Unterschieden passt auch dazu, die Zeit nun ernsthaft mit der Springer-Presse in einen Topf zu schmeißen. Oder zu meinen, es wäre ja das Gleiche, sich auf den Bruch der Koalition vorzubereiten wie den Bruch der Koalition unter Zitaten wie "Die Fressen kann ich nicht mehr sehen" oder Namen wie "Operation D-Day" vorzubereiten. Das sind schräge Verrenkungen, um dieses verantwortungslose und unkollegiale Verhalten zu rechtfertigen - ähnliche Verrenkungen wie im US-Wahl-Thread übrigens.
Selbst die nun wirklich bürgerlichen Zeitungen wie die FAZ bringen Meinungsstücke dazu heraus, die das Verhalten der FDP scharf kritisieren. Aber gleich erklärt mir jemand bestimmt, warum es vollkommen okay ist, die eigenen Koalitionsmitglieder als "Fressen" zu bezeichnen.
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Festmachen kann man das eher daran - und das ist keine Meinung, sondern das kann ich durch politikwissenschaftliche Untersuchungen belegen - dass demokratische Parteien den falschen Umgang mit den rechtspopulistischen Tendenzen wählen und versuchen, durch Übernehmen dieser Inhalte Wähler*innen zurückzugewinnen. Das ist aber in Deutschland nachweislich nicht erfolgreich.