Beiträge von Bunterrichter

    Von meinem Mentor habe ich dazu ein meiner Ansicht nach ziemlich sinnvolles Vorgehen gelernt:


    - Überlegen, unter welchen Bedingungen Schüler mit auf die Klassenfahrt dürfen, und diese allgemein ausformulieren. Diese Bedingungen müssen so formuliert sein, dass sie nicht auf einzelne Schüler "zugeschnitten" sind sondern beschreiben, welche "Rolle" die mitfahrenden Schüler erfüllen müssen, damit du nicht selbst "aus der Rolle fällst" und deine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen kannst. Ein gewisses Maß an Fehlverhalten kann man ja im Regelfall auch ausgleichen, irgendwann wird es in Summe aber so viel dass man seine innere Ruhe verliert. Es geht nicht darum, wer am meisten zu dem Druck, aus deiner Rolle zu fallen, beiträgt, sondern darum, wie dieser Druck in Summe auf einem realistisch tragbaren Level gehalten werden kann. Da du die Aufsichtspflicht trägst, geht es bei diesem Schritt überhaupt nicht um die Bedürfnisse der Kinder sondern um die Grenzen deiner eigenen Belastbarkeit.


    - Überlege dir, wie einzelne "Gefahren" durch Maßnahmen aufgefangen werden könnten - wie etwa durch die Helferin, oder durch die Schulleitung, ... spiele mehrere Szenarien durch und male dir die wahrscheinlichen Konsequenzen aus.


    - In Gesprächen mit der Mutter, Schulleitung usw. mache die Grenzen deiner Belastbarkeit und die wahrscheinlichen Gefahrensituationen sichtbar, und verteidige diese Grenzen mit Hilfe deiner persönlichen Grenzen. Es geht hier nicht darum, was "ein Lehrer" aushalten sollte sondern was du mit gutem Gewissen verantworten kannst.


    - Ergeben sich keine Lösungen, mit denen du dich gut fühlst, kündige die Konsequenz an, mit der du dich gut genug fühlst: fahre ohne den Schüler (und ziehe sie wenn nötig durch). Damit gibst du die Verantwortung für das Ermöglichen der Mitfahrt des Schülers an diejenigen zurück, die dafür verantwortlich sein sollten: den Schüler, seine Eltern, andere Unterstützungs-Instanzen.


    Was hier zu passieren scheint ist das Aufdrängen von Verantwortung die nicht die deine ist und dein teilweises Akzeptieren dieser Verantwortung. Das ist gefährlich, wenn du in dir bereits weißt, dass du im Ernstfall möglicherweise machtlos bist, dieser Verantwortung auch nachzukommen.


    Ein Bunterrichter

    Stimme dem Punkt mit den Kriterien vollinhaltlich zu.


    Bezüglich Selbstbewusstsein bei Präsentationen: ich habe mit einer 4. Grundschulklasse in Deutsch beispielsweise sehr viel Theater gespielt und ihnen "absurde" Präsentationsaufträge gestellt, um ihnen die Angst zu nehmen, hat echt super und durchgängig für alle Schüler geklappt soweit ich das beurteilen konnte. Der Idealfall dieser Aufträge war:


    - Beurteilungskriterien sind klar
    - Die Konsequenzen der Präsentation existieren und sind jedem klar (z.B. zum Klassensprecher gewählt werden, imaginär "bei einer Firma angestellt werden", ...)
    - Die Konsequenzen sind direkt und überschaubar (keine Noten die dann am Ende die Gesamtnote ruinieren)
    - möglichst absurde Vorgaben, um von der übermäßigen Selbstbezogenheit zu befreien
    - rituelle Reaktionen der Zuschauer unabhängig von der tatsächlichen Leistung (z.B. es wird geklatscht für den Mut zu sprechen egal was dabei rauskam).


    Als Beispiel: ein Auftrag an meine Schüler war es, in Gruppen ein kleines Rollenspiel vorzuführen, dessen Inhalt völlig frei wählbar war, aber die Vorgabe war, dass es einen Erzähler gibt, der die Geschichte erklärt, einen Soundeffekt-Manager, der für alle Hintergrundmusik/-sounds sowie das Sprechen von Dialogen zuständig ist und eben Schauspieler die aber nicht sprechen dürfen. Vorbereitungszeit ist etwa 20 min, (max.) Aufführungszeit/Gruppe ca. 5 Minuten. Die Ergebnisse waren ziemlich genial.


    Weiteres Beispiel: der Auftrag, sich ein absurdes Produkt auszudenken und eine "Verkaufspräsentation" dazu zu machen. Ziel ist, dass die Zuhörer (der Rest der Klasse) das Produkt kaufen will. Da gabs dann 5m große Eichhörnchen, die die Schultasche für einen tragen, unsichtbare Bälle mit Wiederauffindungs-App zum Aufpreis usw. zum kaufen.


    Oder der Auftrag, die anderen zu überzeugen, die eigene "Partei" zum Klassensprecher zu wählen. Erlaubt sind alle Hilfsmittel die einfallen, außer natürlich Gewalt. Da wurden dann Werbegeschenke gebastelt, Parteiprogramme geschrieben, Plakate, Hände gebastelt (wie beim Baseball in den USA diese aufblasbaren Riesenhände) usw., eben jeder nach seiner Fähigkeit.


    Ein Bunterrichter

    Das jeder einen unterschiedlichen Lebensweg hat, ist mir schon klar. Ich störe mich nur an deine Empfehlung, dass du dem TE empfiehlst, er solle möglichst viele Tätigkeiten und Umfelder ausprobieren. Das halte ich persönlich für eine höchst fragwürdige Einstellung. Man muss dann aufpassen, nicht Getriebener seiner eigenen "Unsesshaftigkeit" zu sein.


    Solange man nur für sich selbst verantwortlich ist, mag dies gehen. Im Allgemeinen dagegen weniger, da man dann auch Verantwortung für andere Menschen in seiner Familie trägt.

    Wie gesagt, Menschen sind sehr unterschiedlich. Meine Ex-Freundin war eine solche "Getriebene" und - auch wenn sie eine Weile brauchte, sich das selbst zuzugeben - im Grunde sehr unglücklich damit. Eine andere Freundin von mir ist alleinerziehende Mutter und in massiven Geldnöten, die hat das Gefühl sie kann nichts an ihrer Situation ändern weil sie für ihren Jungen verantwortlich ist und sie keine Möglichkeit sieht, das alles zu vereinbaren.


    Ich hatte früher mal eine Phase in der ich mich sehr ungebunden (im positiven wie negativen) empfunden habe. Nach meinen längeren Auslandsaufenthalten habe ich aber festgestellt, dass ich so etwas wie eine "Heimat" brauche und es in dieser Heimat auch Menschen gibt, die mich brauchen. Ich habe selbst noch keine Kinder, aber Familie und Freunde, die sich auf mich verlassen, nur leider eben geographisch relativ breit gestreut bis nach Deutschland raus (u.A. wohnt meine aktuelle Freundin derzeit knapp 400km entfernt von mir), und um da eine für alle Betroffenen gute Lösung zu finden braucht es dann eben beizeiten kreativere Experimente.


    Ich glaube dass eine der größten Verantwortungen, die man (auch gegenüber seinen Kindern) hat, ist sein eigenes Leben so zu gestalten, dass man selbst zufrieden damit sein kann. Meine eigenen Eltern haben jahrzehntelang "für die Kinder" zusammengelebt obwohl sie miteinander sehr unglücklich waren, das kann auch dramatische Auswirkungen auf die Kinder haben, für die man verantwortlich ist, wenn sie den Eindruck bekommen sie wären Schuld am Unglück der Eltern (ist uns nie vorgeworfen worden, aber der Eindruck war subtil trotzdem da). Wenn das mit der Zufriedenheit jemand auf Anhieb wunderbar hinbekommt muss er das natürlich nicht in Frage stellen. Ist man aber längerfristig unzufrieden, halte ich es schon für sinnvoll, nach alternativen Lösungen zu suchen, die auch die Bedürfnisse aller eventuell Betroffenen einbeziehen.


    Ein Bunterrichter

    Als ob man in anderen Jobs alle Jahre überprüft, ob man diesen nicht besser wechseln sollte.

    Das ist weniger eine Frage des spezifischen Jobs sondern eher eine Frage des Charakters. Es gibt Menschen, die denken sich in jungen Jahren "Diesen Job will ich machen", machen die entsprechende Ausbildung und dann den Job und sind für den Rest ihres Lebens glücklich damit.


    Und dann gibt es Menschen, für die ist der wirklich richtige Weg um einiges komplizierter. Die können zwar auch die obige Option wählen, werden aber langfristig nicht so wirklich glücklich damit. Die mäandern dann oft jahrelang oder sogar ein ganzes Leben lang zwischen verschiedenen Jobs und Aktivitäten herum, bis sie endlich etwas wirklich Passendes gefunden haben, sich mit ihren Fähigkeiten selbstständig gemacht oder die Suche einfach aufgegeben haben. Oft gibt es die entsprechenden Jobs ja sogar, nur sind diese gesamtgesellschaftlich so unbekannt, dass man sie erst einmal finden muss.


    Hätte ich meinen ursprünglich eingeschlagenen Weg ohne allzuviel Nachzudenken weitergeführt, wäre ich heute Software-Entwickler, würde - da ich echt gut darin bin - ziemlich gut damit verdienen. Und ziemlich unglücklich damit sein.
    So war ich zwischendurch ein Jahr in Brasilien/Bolivien, habe ein Jahr in Deutschland an einer freien Schule gearbeitet, an verschiedenen Regelschulen als Grundschullehrer, mir einige Zeit meinen Lebensunterhalt als Straßenmusiker finanziert, meine Liebe zum Schreiben entdeckt und bin als letzte Entwicklung - wenn alles klappt, ich warte noch auf die letzte Bestätigung aber im Grunde steht die Zusage - ab nächste Woche Leiter eines Lerncafés (Mischung aus Hort, Nachhilfe und freier Schule für sozial benachteiligte Familien). Ich wollte schon vor Jahren mal der Idee nachgehen, eine Freie Schule für Kinder aus sozial schwächeren Familien zu gründen das aber von der Stadt oder vom Land finanziert wird (quasi als Integrationsprojekt, auch für Erwachsene), nur wusste ich nicht, wie ich die Stadt von der Idee (und von mir) überzeugen hätte können. Nun werde ich wohl genau in dem Bereich arbeiten. Ob es langfristig dabei bleiben wird oder wiederum nur eine Zwischenstation sein wird, weiß ich natürlich noch nicht, aber bisher waren alle "Stationen" wertvoll und haben sich in der Folge als hilfreich für die nächste Aufgabe erwiesen (z.B. haben wir an der Freien Schule die Open-Source-Philosophie aus der Informatik auf die Schulkonzept-Entwicklung angewandt was ziemlich genial funktioniert hat). Wahrscheinlich werde ich auch langfristig viel schreiben, vielleicht auch irgendwann damit Geld verdienen. Reizen würde mich auch eine Art "Wandertheater" mit Puppen und selbst entworfenen Geschichten, die - in der warmen Jahreszeit - auf der Straße bzw. - wenn es dafür zu kalt ist - an Schulen aufgeführt werden.


    Wenn man mich mit 14 gefragt hätte, was ich mal werden will, wär ich gar nicht auf die Idee gekommen, mir so einen Lebenslauf auszudenken, und doch waren die bisherigen Stationen - bei allen Frusterlebnissen immer wieder mal - im Grunde ziemlich genial. Wie gesagt - jedem sein Lebenslauf, den er für richtig hält und schreiben möchte.


    Ein Bunterrichter

    Eine Bekannte von mir hat sehr sichtbare Narben an den Unterarmen, da sie sich vor Jahren selbst geritzt hatte. Ich lernte sie an der pädagogischen Hochschule als Mit-Studentin kennen (in Österreich lief die Ausbildung für das Grundschullehramt über die pädagogische Hochschule), und sie machte während der Ausbildung eine erstaunliche Entwicklung durch, verlor ca. 30-40kg an Gewicht (vorher war sie seeehr massig) und baute sich ein enormes Selbstbewusstsein auf. Sie schaffte auch problemlos die Zulassung zum Grundschullehramt.


    Als ich sie nach längerem Auslandsaufenthalt meinerseits wieder einmal traf, erzählte sie mir, dass sie massive Schwierigkeiten mit ihrer Direktorin und der Inspektorin bekommen hatte, die ihr vorwarf, "nicht genug zu lächeln". Viele Bezirksinspektoren hier in meinem Umfeld halte ich für völlig ungeeignet und habe da auch schon Eigenerfahrungen mit einer bestimmten Dame gemacht die sich nicht zu schade war, zu illegalen Mitteln zu greifen, um mich zum Schweigen zu bringen (habe mich damals allerdings recht erfolgreich gewehrt). Ich weiß nicht, wie die Situation in Deutschland ist, aber hier in (Ober-)Österreich sind für viele meiner Bekannten im Lehrberuf nicht die Schüler das Problem, sondern Eltern (manchmal) und vor allem KollegInnen und Vorgesetzte. Sichtbare Narben bieten da einerseits eine willkommene Angriffsfläche, andererseits lassen sich Versuche diesbezüglich relativ leicht vereiteln wenn man dazu steht was man getan hat. "Gefährlicher" sind wohl - wie hier schon geschrieben wurde - Trigger-Situationen im Lehreralltag, die die ursprüngliche Situation neu aufleben lassen können, da muss man schon auf sich aufpassen und auch gut reflektieren, um nicht in alte Muster zu verfallen. In gewisser Weise betrifft das aber ohnehin jeden Menschen und in jedem Beruf.


    Ich war selbst mit 15 oder so suizidgefährdet, habe die Phase jedoch irgendwann echt gut durcharbeiten können. Obwohl ich mich nie geritzt habe oder sonst sichtbare Narben davongetragen habe, scheinen das Schüler die selbst von ähnlichen Gedanken betroffen sind meist irgendwie zu "wissen", dass sie mit mir sprechen können. Die Kunst dabei - soweit ich das erfahren habe - sich nicht nur in die Situation des anderen hineinversetzen zu können, sondern gleichzeitig auch bei sich zu bleiben und nicht "hineinzurutschen". Wenn du das bezogen auf deine alten Themen kannst (oder zumindest eine Achtsamkeit für dich hast zu merken, wann das passiert), solltest du diesbezogen kaum Schwierigkeiten bekommen.


    Noch etwas: es ist eine wunderbare Aufgabe, andere Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen beim Wachsen zusehen zu dürfen, aber der Lehrer-Beruf ist nicht die einzige Form, in der dies möglich ist. Je nachdem, welche Vorstellungen du auch finanziell für dein Berufsleben hast, gibt es auch noch zahlreiche mehr oder weniger versteckte Alternativen. Zu viele meiner Lehrerkolleginnen halte ich für den Beruf des Lehrers im Grunde für ungeeignet, obwohl sie an sich gute Menschen sind. Nach langer Ausbildung und in einem relativ gesichertem Job mit ganz guter Bezahlung sowie relativ viel Freizeit bleiben sie jedoch oft bei ihrem einmal eingeschlagenen Weg, was ich ziemlich schade finde, sowohl für die ihnen anvertrauten Kinder als auch für sie selbst. Probier möglichst viele Tätigkeiten und Umfelder aus, und sei dir nicht zu schade, auch nach einigen Jahren auf dein Gefühl zu hören, ob du nun schon "angekommen" bist oder noch nicht.


    Ein Bunterrichter

    Meine entsetzte Reaktion bezog sich auf die generelle Haltung "fühlt sich zu alt oder unfähig email zu nutzen..." - ich gehe davon aus, dass diese Menschen auch privat keine email nutzen. Und sich in Postkutschen fortbewegen und Dinge per Brieftaube schicken würden, wenn es diese Angebote noch gäbe. Unglaublich. Vor allem, weil wir bei den Kids Mediennutzung bewerten können müsen.

    Es handelt sich meist um Einzelfälle, aber in drei unterschiedlichen Schulen hat die Schulleitung bisher jeweils aus Rücksicht auf diese Einzelfälle wirklich wichtige Kommunikation nicht über Email laufen lassen. In einem Fall gabs zwar nen "manuellen" Verteiler (=einfach alle Adressen als Empfänger reinkopiert) über den allerhand Schmarrn (österreichisch für Sinnloses) verschickt wurde aber relevante Infos gingen über ein Heftchen im Konferenzzimmer.


    An einer Schule weigerte sich die Schulleiterin völlig, irgendwelche Emails zu lesen. Ging dann soweit, dass ich an einem Donnerstag-Abend obwohl ich eigentlich krank war in die Schule radeln durfte um ihr rechtzeitig am morgen darauf ein Konzept zukommen zu lassen dass ich ihr eigentlich per Mail schicken wollte. Hab ihr dann den Ausdruck in ihr Fach gelegt, damit war sie zufrieden (und ich nochmal ein Stück kränker). Hätte per Mail ca. 1 Minute gedauert, so warns eher 45min für mich. Begründung: Für sie dauert es länger, Mails zu lesen als in Papierform - dass es umgekehrt für ihre Mitarbeiter nochmal massiv Mehraufwand bedeuten kann ihr diese Papierform zur Verfügung zu stellen, war ihr dann wiederum egal. Bin froh, dass ich nicht mehr dort bin ;)


    Die Beispiele sind jeweils aus einer Volksschule (Grundschule in D), da ist Mediennutzung nur sehr rudimentär im Lehrplan verankert, und ab einem gewissen Alter sind gerade Volksschullehrer wohl doch noch seeehr veraltet bei uns was technische/soziale Errungenschaften betrifft. Der typische Ablauf einer Lehrerkarriere bei uns läuft wohl so ab, dass man die ersten 5-10 Jahre extrem viel arbeitet um sich eine Basis aufzubauen von der man dann die restlichen 30+ Jahre bis zur Pension zehrt, was auch einer der Gründe ist warum sich (laut Lehrervertretern, mit denen ich darüber gesprochen habe) so wenige Lehrer wirklich für Neues begeistern - es würde erstmal Mehraufwand bedeuten. Wenn nun eine Lehrerin vor 30 Jahren - auch im Kollegium - ohne Mails ausgekommen ist und sich ihre Basis erarbeitet hat, warum nun Energie aufwenden um Neues zu lernen? Ist zwar überhaupt nicht meine Art zu denken (mir würde es selber irgendwann zu langweilig werden immer das selbe zu machen) aber offensichtlich sehr verbreitet unter VolksschullehrerInnen bei uns in Ö.


    Ein Bunterrichter

    Danke für die Ergänzungen!


    Mir ist noch eine Problematik eingefallen, die bisher schwierig zu lösen war da die Schulleiterin sich jeweis quergestellt hat:


    Einige Kollegen fühlen sich zu alt/unfähig, um noch den Umgang mit Emails zu lernen.


    Vielleicht ist das ein österreichisches Problem, aber an drei Schulen war es jetzt ein Problem, dass kein Mailverteiler eingerichtet werden durfte (laut SL) weil nicht alle Kollegen eine Email-Adresse haben oder wollen, was bedeutete dass der Schriftverkehr schon einmal großteils analog verlief (Büchlein im Konferenzzimmer). Da wusste man aber nie, wer jetzt was wirklich gelesen hatte (könnte man über Unterschriften lösen aber ist auch irgendwie nervig). Habt ihr da Erfahrungen dazu bzw. Lösungen?


    Danke,
    Ein Bunterrichter

    Danke für die vielen hilfreichen Beiträge!


    Ich habe jetzt eine erste Rohversion für meinen zu schreibenden Text angefertigt, der nächste Schritt wäre dann eine Strukturierung nach den tatsächlichen Schwierigkeiten in der Praxis. Im Grunde geht es bei diesem Schritt darum, rauszufinden, was in der Praxis die häufigsten/größten Energiefresser sind. Ich möchte ja nach Möglichkeit weniger einen globalen Das-alles-gäbs-über-Teamsitzungen-zu-wissen-Text schreiben sondern einen, der bei Anwendung des Gelesenen möglichst fokussiert konstruktive Ergebnisse bringt. Ich versuche mal den bisherigen Thread diesbezüglich zusammenzufassen:


    - unfähige Moderation/ausschweifendes Gelaber/kein Fokus
    - Geistiges Abschalten, in der Zeit Anderes, subjektiv Produktiveres machen (Grund: siehe oben, bzw. gar kein Interesse an den Themen)
    - kein Zeitplan/kein offizielles Ende/viel zu lange (>1h)/niemand hält sich dran/maximale Arbeitszeit überschritten
    - Unpassende Kommunikationsmittel (z.B. Infos vorlesen statt schriftlich zum Lesen geben)
    - Beschlüsse werden nicht eingehalten/keine Handhabe bei Nichteinhaltung (Abhängigkeit von SL, die als einzige Handhabe hat)
    - Beschlüsse/Diskussionen vergangener Sitzungen werden vergessen
    - Kein Gefühl von Abschluss, "ewige" Themen


    Habe ich etwas vergessen?


    Ein Bunterrichter

    Ich hatte an der Oberstufe einen Mathematik-Lehrer, bei dem in allen 5 Jahren in denen wir ihn gehabt hatten die beste Note bei einer Schularbeit die jemals zustandekam eine 3 war (in Österreich geht's von 1-5, 5 ist nicht genügend). Wir haben so ziemlich jede Schularbeit wiederholt weil mehr als die Hälfte Nicht Genügend war. Er hat immer gemeint vor 20-30 Jahren hat die Hälfte einer Klasse den Stoff so geschafft und er könne auch nichts dafür wenn die Jugend von heute unfähiger wird, er wird sicher nicht sein Niveau senken wie alle anderen das tun. Vor ihm hatte ich geglaubt ich sei ganz gut in Mathe, bei ihm hatte ich ab der 3. Klasse jedes Jahr Jahresprüfungen.


    An der Uni ist mir dann klargeworden dass wir wohl ziemlich extreme Uni-Mathematik bei ihm machen mussten. Und ich hatte mich schon gewundert, warum mein Bruder der bereits Matura (Abitur in Ö) hatte mir ab der 3. Klasse auch nicht mehr helfen konnte...


    Nur: wir Schüler haben alle akzeptiert dass Mathematik bei ihm eben sauschwer war und uns halt mega-angestrengt, weil es gar keinen Zweifel gab dass er es im Grunde gut mit uns meinte. Der war menschlich (auch heute noch) von allen Lehrern meiner Schullaufbahn mein Lieblingslehrer, weil er an uns glaubte, immer wieder einen (tatsächlich lustigen) Witz einbaute, bei Bedarf auch mal nicht-schulische Themen ansprach und vom Charakter her ein wahnsinnig guter Mensch und hemmungslos ehrlich war.



    Als Grundschullehrer habe ich es geliebt, meinen Schülern Sachen beizubringen oder zumindest aufzuzeigen, die sie noch lange nicht verstehen müssten. Ich habe etwa in einer 4. Klasse Deutsch meinen Schülern die Kritierien für eine Buchpräsentation (die 1x/Semester verpflichtend war) anhand einer (stark vereinfachten) Buchpräsentation über Dostojewski's "Der Idiot" erklärt. Es haben sicher nicht alle Schüler den Inhalt verstanden, aber die Kriterien für die Buchpräsentation (um die es mir ging) durchaus. Vor allem aber haben sie meine Begeisterung für etwas spüren können, was sie irgendwann in Büchern erwarten wird, wenn sie sich entschließen, viel zu lesen. Bücher für die Grundschulstufe sind zwar teilweise ganz nett gestaltet, aber wie oft stolpert so ein durchschnittlicher Grundschüler wirklich über ein Buch, dass sein Denken völlig verändert, bzw. wie fähig ist er in dem Alter, so ein Buch zu lesen? Viele verlieren jedoch dann irgendwann die Motivation, bevor sie überhaupt jemals diese Begeisterung selbst erleben durften, und ihnen eine Ahnung dieser Begeisterung zu vermitteln halte ich für durchaus sinnvoll, auch oder vor allem weil im "Vollzug" des Lehrplans so etwas rasch untergehen kann. Es ist meiner bisherigen Erfahrung nach um einiges effektiver, Schülern Begeisterung für etwas zu vermitteln bzw. sie in ihnen zu wecken als kleinschrittig ihre Schritte zur Erkenntnis zu führen, und als Quereinsteiger hat man möglicherweise da einen klareren Blick auf die Themen, die begeistern können, der noch nicht zu stark vom Fokus auf einen Lehrplan verstellt ist. Trotzdem sind - als Lehrer - natürlich auch die Anforderungen des Lehrplans zu berücksichtigen. Wenn du wirklich auch stofflich begeistert bist, wäre möglicherweise wirklich auch eine freie Schule für dich interessanter. Ich habe u.A. ein Jahr an der FSLL in Preetz nahe Kiel gearbeitet, war ne richtig feine Zeit und du kannst an einer freien Schule - wenn du entsprechend interessant wirkst - auch als Quereinsteiger sofort anfangen und dich einfach mal ausprobieren. Es weicht in vielen Bereichen vom Regelschuldienst ab und du verdienst im Regelfall um einiges weniger Geld, aber wenn dich die Tätigkeit an sich als Lehrer reizt ist es trotzdem zu empfehlen. Im Gegensatz zu Österreich zahlen Freie Schulen in Deutschland üblicherweise zumindest ein Gehalt, von dem man auch leben kann.


    Ein Bunterrichter

    wow wunderbar, nach so kurzer Zeit schon so viele Rückmeldungen :)


    Mir sind noch konkret ein paar Fragen eingefallen die interessant wären:


    - Wie lange dauern (wöchentlich betrachtet) eure regelmäßigen Team-Sitzungen/Konferenzen/wieimmer ihr die nennt


    - Wie oft kommt es (in %) vor, dass ihr überzieht, und im Durchschnitt wie lange?


    - Wie oft kommt es vor, dass Beschlüsse nicht eingehalten werden? Welche Strategien habt ihr dagegen entwickelt?


    - Haben die Teilnehmer realistischerweise Gestaltungsspielraum oder nur der Leiter der Sitzung (SL, ..). Eine Frage, die für mein Projekt auch möglicherweise wichtig sein wird, ist wie man als einfacher Teilnehmer dazu beitragen kann, eine Sitzung effektiver zu gestalten, da fehlen mir wohl noch am meisten Praxiserfahrungen dazu.



    Eine Lehrerin aus einer freien Schule hat mir geschrieben, an ihrer Schule hätte es sich bewährt, dass die Mitarbeiter vor der Sitzung gemeinsam essen, eine Mitarbeiterin ist immer mit Kochen dran, das hätte die Sitzungen massiv aufgewertet, an einer freien Schule an der ich gearbeitet habe haben wir das auch gemacht und war auch immer gut (nur haben die "Köche" manchmal die Kochzeit unterschätzt was zu Verschiebungen beim Start geführt hat). Gibt es auch dazu weitere Erfahrungen?


    Ein Bunterrichter

    Handelt es sich bei einer Situation um akute Eigen- oder Fremdgefährdung? Dann greife ich im Notfall auch physisch ein, trenne Streithähne, halte fest um Verletzungen zu vermeiden (ohne allzu fest zuzupacken, zu zerren oder anderweitig selbst zu verletzen), sorge auch physisch für Abstand wenn notwendig.


    Mit ein bisschen Abstand betrachtet befinden sich Schüler in einer Klasse ja oft in einer sehr anstrengenden Situation: zu wenig Raum, um sich gegenseitig bei Konflikten aus dem Weg zu gehen oder Emotionen auszuagieren, je nach Klassenlehrer wird ihnen mehr oder weniger vorgegeben, was zu tun ist, obwohl subjektiv betrachtet für das Kind gerade ganz andere Themen relevant sind. So viele Bedürfnisse von so vielen Menschen, und da stellt sich jemand hin (ein Lehrer oder eine Lehrerin) und nimmt in Anspruch, die Klasse gut zu führen.


    Es gibt mindestens zwei Extremformen, jemand anderen dazu zu bringen zu tun, was ich von ihm will: ich kann ihn mit Druck dazu bringen oder er ordnet sich mir vertrauensvoll unter. Wenn Kinder neu in die Schule kommen hat ihr Lehrer üblicherweise eine Art Vertrauensvorschuss weil Eltern dem Kind erzählen dass der Lehrer ein guter sei und sie sich bei Schwierigkeiten an ihn wenden können. Mit der Zeit wird dieser Vorschuss dann eben von der erlebten Realität entweder bestätigt oder verblasst. Die Voraussetzung, dass ich jemand vertrauensvoll und freiwillig unter den Willen eines anderen unterordnen wird, ist die Gewissheit, dass der Führende die eigenen Bedürfnisse im Idealfall erfüllt oder zumindest achtet. Niemand (auch ein Erwachsener nicht) folgt auf Dauer freiwillig jemandem, dem die eigenen Bedürfnisse egal sind.


    Nun ist es natürlich als Lehrer extrem schwierig, die Bedürfnisse aller Schüler unter einen Hut zu bringen oder teilweise auch zu erraten, aber das akzeptieren Schüler in meiner bisherigen Erfahrung auch, solange sie das Gefühl haben dass ihre Bedürfnisse an sich respektiert werden (selbst wenn sie aus Unwissen oder den Notwendigkeiten der Situation gerade nicht erfüllt werden). Es macht für einen Schüler einen riesigen Unterschied ob ich ihm sage er solle jetzt gefälligst seine Aufgabe erledigen oder ob ich ihm das Gefüh gebe, ich verstehe seine Situation (Bedürfnisse), nur sei hier und jetzt leider (!) nicht der passende Ort dafür, und man versucht gemeinsam eine Perspektive für ihn zu finden, seinen Bedürfnissen zu einem geeigneten Zeitpunkt und Ort nachzukommen. Auch von den eigenen Bedürfnissen zu erzählen hilft, weil dadurch (nach meiner Erfahrung auch bei Grundschulkindern und noch Jüngeren) eine Art "größerer Zusammenhang" für sie verständlich wird und sie die Konsequenzen des eigenen Verhaltens erkennen können.


    Wenn ein oder mehrere Schüler für sich unbewusst fühlt, dass seine Bedürfnisse von der Führung des Lehrers nicht anerkannt werden, wird er als ersten Schritt üblicherweise versuchen, sich die Bedürfnisse ohne andere zu stören selbst zu erfüllen (etwa das Bedürfnis nach Bewegung über Wippen mit den Füßen). Gelingt dies nicht, wird er - wenn er ein Rest-Grundvertrauen in den Lehrer hat - versuchen, den Gruppen-Führer auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Gelingt dies ebensowenig, stellt er die Autorität der Gruppenführung (in dem Fall des Lehrers) auch offen in Frage, es passieren Machtkämpfe usw. Wenn die Situation einmal soweit gediehen ist, wird es langfristig neben der Wiederherstellung der eigenen Autorität wichtig sein, die unerfüllten Bedürfnisse der "Agitoren" unter den Schülern herauszufinden. Oft geht es überhaupt nicht um den Lehrer an sich sondern um Konfliktsituationen in Familie usw., die zwar offiziell vielleicht "nicht Aufgabe des Lehrers sind" - nur Kinder haben oft (gefühlt) niemanden, an den sie sich wenden können, und wenn Bedürfnisse drücken dann drücken sie eben, vor allem wenn man noch zu klein und unerfahren ist, das Ausagieren ein wenig kontrollierter zu machen.


    Es macht auch einen großen Unterschied, ob man einen Schüler in eine frustrierende Situation bringt und ihn damit alleine lässt oder mit ihm seine Frustration aushält ohne an der Situation selbst etwas zu ändern. Letzteres ist natürlich nicht immer leicht umzusetzen, kann aber enormes Vertrauen aufbauen wenn es gelingt. Frusterfahrungen sind für die Entwicklung enorm wichtig, brauchen aber auch Vertrauenspersonen, die über die Frusterfahrungen begleiten, sonst wiederholt der Mensch sie oder versucht ihnen auszuweichen.


    Eine weitere wichtige Erkenntnis für mich war, dass Schüler oft räumlichen Abstand brauchen, um sich beruhigen zu können. Manche Schüler bringen sich in Situationen, in denen sie "nicht zurück können", ohne vor der Gruppe dumm dazustehen, da brauchen sie dann die Hilfe eines Erwachsenen der die Situation durchschaut und ihnen hilft, sie aufzulösen ohne das Gesicht zu verlieren.


    Ich hoffe, die Antwort hilft ein Stück beim Finden passender Handlungsalternativen :)


    Ein Bunterrichter

    Schönen Sonntag!


    Ich habe mittlerweile an einigen Volksschulen (Grundschulen in Österreich) und auch freien Schulen in Ö und D gearbeitet und mir ist aufgefallen, dass bis auf eine Ausnahme an einer deutschen freien Schule die Team-Sitzungen und Konferenzen immer
    - ewig gedauert haben
    - ziemlich ineffizient waren (ewig lange Diskussionen ohne Ergebnisse, Beschlüsse werden nicht umgesetzt, ...)
    was dazu führt, dass Kollegen beim Herannahen der nächsten Sitzung meist schon zunehmend genervt wurden.


    Weil das nach einer Blitzumfrage unter befreundeten Pädagogen (und laut Aussagen von anderen Freunden auch in Unternehmen) offensichtlich ein ziemlich weit verbreitetes Problem zu sein scheint, habe ich mir nun als kleines Neben-Projekt vorgenommen eine Art "Best Practice"-Ratgeber für Team-Sitzungen zu schreiben. Weil ich mittlerweile relativ viele Pädagogen auch persönlich kenne, habe ich dazu auch schon einiges an hilfreichem Feedback und Erfahrungsberichten bekommen, habe mir aber gedacht, ich frage mal im - wie es aussieht - größten Lehrerforum im deutschsprachigen Raum nach, was es noch für hilfreiche Erfahrungen gibt, auf die ich zurückgreifen könnte. Mir würden sowohl nachahmenswerte Praktiken im Positiven wie auch noch ungelöste Schwierigkeiten helfen (bei letzteren kann ich nach mittlerweile wochenlanger Recherche und einiges an eigener Erfahrung vielleicht auch konkret helfen).


    Danke für jede Rückmeldung :)
    Niklas

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