Alles anzeigenDem schließe ich mich an: Konstruktive Kritik am Fragebogen war hier nicht unsere Aufgabe, sondern das Ausfüllen desselben, bei dem offenbar mehreren unverständlich war, was die zugrundeliegenden Hypothesen sind.Wenn der Fragebogen nicht nur geschlossene Fragen, sondern auch eine offene Antwortmöglichkeit ("Haben Sie Anmerkungen...?" mit Kästchen zum Hineinschreiben) enthalten hätte, wäre ein Teil des Unverständnisses dort aufgeschrieben worden und nicht hier. Ein Teil der hier geäußerten Kritik ist somit ein "selbst gelegtes Ei".
Nun kommt meine konstruktive Kritik:
Der erste Teil des Fragebogens ist ein typischer Persönlichkeitsfragebogen. Ich habe mir als Studi ein paar Mark dazuverdient, indem ich in der psychologischen Fakultät an Versuchen teilgenommen habe. Da gab es bereits ähnliche Fragebögen. So weit schön und gut.
Nun kommt aber anschließend ein Fragebogen, bei dem bestimmte Verhaltensweisen von Schülern pauschal als Unterrichtsstörungen angesehen werden (trinken, umherlaufen). Tequila Sunrise äußerte hier bereits sachlich und konstruktiv (2. Teil ihres Beitrags), dass dies in bestimmten Schulen und Unterrichtskonstellationen normale Verhaltensweisen sind und keineswegs Unterrichtsstörungen. Auch Kippeln wird in Grundschulen oft gar nicht mehr als Störung angesehen, da es Kinder mit nicht vollständig ausgereiftem Gleichgewichtssinn gibt, die beim Kippeln (oder Wackeln auf einem Wackelbrett oder Sitzball) besser lernen.
Es wäre also gut gewesen, vorher abzufragen, welche der genannten Aktivitäten der Umfragenteilnehmer als Unterrichtsstörungen ansieht und dies in der Auswertung zu berücksichtigen. Stell dir vor, Frau Y hat im Fragebogen einige Merkmale für "depressive Züge" angekreuzt und gleichzeitig kippeln ihre Schüler und laufen (um sich z.B. ein Taschentuch zu holen) durch den Klassenraum, kauen Kaugummi oder trinken etwas. Damit gibt es gleich viel mehr vermeintliche Unterrichtsstörungen und es könnte ein Zusammenhang zwischen "depressive Züge" und "Unterrichtsstörungen" gefunden werden. Dem ist aber nicht so, weil die Schüler sich im Unterricht von Frau Y mit ihrem Verhalten an alle gängigen Regeln ihrer Schule halten. Allein deshalb wäre es gut gewesen, hier diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
Der letzte Teil, in welchem man einschätzen soll, ob man weiß, was in den Schülern vorgeht, bleibt für mich unverständlich. Dies ist eine reine Selbsteinschätzung, die auch projektiv oder selbstüberschätzend sein kann. Allerdings hatte ich auch Professoren/Lehrbeauftragte, die dachten, als Lehrer müsse man sich in alle Schüler gleichzeitig hineinversetzen können und intuitiv erspüren, was sie fühlen/wollen/denken. Ich habe dann etwas Zeit gebraucht, um mich davon zu lösen. Nicht einmal in moderneren psychologischen Ausbildungen wird das noch vom Psychologen bei einem Einzelklienten erwartet.
Ich finde es befremdlich, dass diese Art von Umfragen zunehmen. Meine Motivation, so etwas auszufüllen, nimmt durch Umfragen dieser Qualität ab.
Vielen lieben Dank für den ausführlichen Beitrag.
Natürlich hätte man den Fragebogen anders gestalten können und ich verstehe euch Ihre geäußerte Kritik.
Sie haben recht, im ersten Teil geht es um die Persönlichkeit der Lehrperson. Im zweiten Teil sollten Sie die Häufigkeit von Unterrichtsstörungen einschätzen. Dabei habe ich nicht willkürlich Schülertätigkeiten aufgezählt oder darauf geachtet, dass manche davon evtl. erlaubt sind. Die genannten Störungen im Fragebogen sind Erscheinungsformen von Unterrichtsstörungen, wie man sie in der Literatur vorfindet. Unterrichtsstörungen werden unterschieden zwischen akustischen Störungen, motorischen Störungen, Aggressionen, geistiger Abwesenheit, Verweigerung und Verstößen gegen die Hausordnung. Diese Bereiche werden dann in Aktivitäten unterteilt wie zB. mit dem Stuhl kippeln, Wutausbruch, Tagträumen, Zupätkommen, Essen...
Wenn Sie sich mit entsprechender Literatur auseinandersetzen, werden Sie diese Unterteilungen zum Bereich - Formen von Unterrichtsstörungen immer wieder vorfinden.
Der letzte Teil des Fragebogens ist von Godfrey T. Barrett-Lennard. Er ist Professor in der Psychologie und forscht im Bereich Beziehungen in der Therapie und in "Lebens-Systemen". Dieser Fragebogen stammt aus seinem Buch "Relationship Inventory".
Es bedarf einem großen Aufwand passend zum Thema auch Fragebögen zu finden oder selbst zu erstellen. Für mich ist es natürlich ärgerlich, wenn man dann gesagt bekommt "das ist der schlechteste Fragebogen" oder "geh erstmal hospitieren und unterrichte selbst".
Die Teilnahme war freiwillig und keineswegs beleidigend gedacht.
Vielen lieben Dank trotzdem für ihr Feedback.