Beiträge von Ratatouille

    Hallo!


    Ich kann gut verstehen, dass du dich sehr unwohl fühlst. Dass du mit dem Thema alleingelassen wurdest, ist auch nicht richtig. Ob jetzt die Mutter eifersüchtig, zu wenig offen, panisch, intrigant oder verzweifelt ist und der I-Helfer wichtigtuerisch oder engagiert, wissen wir nicht. Sicher ist, dass du ein Profi bist, dem die Mutter ihr Kind anvertrauen muss, der aber andererseits über das für die Familie existentielle Problem zu wenig weiß. Das wirst du nun sicherlich schnellstens ändern. Deine Sichtweise darfst du natürlich auch haben und bei der SL auflaufen und Unterstützung einfordern. Dass die Kommunikation mit der Mutter läuft, ist das A und O. Dazu muss man eben auch vernünftig mit dir reden.

    Was jetzt an Unterrichtsmethoden "Realschule" oder eben "Gymnasium" sein soll, weiß ich auch nicht. In der Gesamtschule meiner Tochter findet kaum Frontalunterricht statt. Es wird sehr viel selbst erarbeitet und in Referaten etc. präsentiert. Ihre Freundin vom Gymnasium berichtet fast nur von Frontalunterricht. Ist das dann gymnasial?

    Ja, tendenziell schon. Die große Bandbreite an Schülerbegabungen an der Gesamtschule legt offene Unterrichtsformen nahe. Den nötigen Zug am Gymnasium erreicht man mit mehr direkter Instruktion und selbstständiger Arbeit daheim. Allerdings ist deine Tochter erst in der 6. Klasse. Da sind die Unterschiede noch nicht so groß.

    Für Autisten ist häufige und erzwungene soziale Interaktion neben der ohnehin schnell eintretenden Reizüberflutung ein großer Stressfaktor. Ständiges Lob erhöht auch das Mobbingrisiko.


    Was sie brauchen, sind möglichst gut angepasste Rahmenbedingungen. Es gibt Autismusberater, die an Schulen kommen und mit Lehrern Einzelfälle und praktische Detailfragen durchgehen. Habt ihr da jemanden?


    https://www.landesschulbehoerd…oerdermassnahmen-1.-hilfe

    Die Realschüler kommen bei uns im beruflichen Gymnasium mit einem eher mittelprächtigen Allgemeinwissen an.
    Die Realschulen sind aufs Auswendiglernen ausgelegt, damit und mit "Neatness" scheint man gute Noten erreichen zu können.

    Das ist so, und das gehört so. Realschulen haben einen anderen Job als Gymnasien. Auch Gymnasiasten finden sich oft nicht sofort in der Oberstufe zurecht, weil sie erstmal ihre Mittelstufenstrategien weiternutzen. Bei uns sind die hineinwechselnden Realschüler auf lange Sicht fast immer erfolgreich, eben weil sie fleißig sind und Biss haben. Von der Gesamtschule haben wir nur selten Schüler, wenn, dann sind sie öfter nicht sehr strukturiert, kann aber auch Zufall sein.


    Im Übrigen ist der Oberstufenunterricht meiner Beobachtung nach in den letzten 20 Jahren deutlich realschulartiger geworden (Arbeitsblätter zum Ausfüllen, bunte Tafelanschriebe, mehrfach den Stoff Durchkauen, mehr Übungsangebote, weniger Selbstständigkeit, weniger Methodenkritik, weniger philosophische Fragestellungen usw.), weil die Schülerschaft jünger ist, weil sie anders zusammengesetzt ist, weil insgesamt weniger Unterricht stattgefunden hat (der den Namen verdient). Natürlich zieht man die Kurse nach Kräften hoch. Aber mit der Bildungslandschaft verändert sich eben auch unser Job. Über die Studierfähigkeit der Einwechsler mache ich mir keine Sorgen. Wenn sie wirklich (noch) nicht gegeben ist, beraten wir eben in Richtung Berufsausbildung.


    Eine Sekundarschule oder eine Gesamtschule kann eine sehr gute Wahl sein. Es gibt Kinder, die erstmal das Klassenlehrerprinzip brauchen, die die Sprachförderstunden brauchen, denen Identifikationsangebote wie Sportklassen gut tun, die erstmal das differenzierte Kurssystem und die verstärkte Binnendifferenzierung brauchen, die die gezielte Berufsvorbereitung brauchen, um mit mehr Zeit und Sicherheit über die Berufsschulen aufzusteigen und in vielen Fällen schließlich ebenfalls zu studieren.


    In den Gymnasien herrscht bei uns je nach Einzugsgebiet ein ausgesprochen unterschiedlicher Geist. An den Gesamtschulen auch, da liegt es mehr an der jeweiligen Entstehungsgeschichte und der entsprechenden Lehrerschaft. Letztens hat sich eine Mutter aus meinem Bekanntenkreis gewundert, wieviel zügiger die Gesamtschule ihres Sohnes in der Orientierungsstufe vorangekommen ist als das zimperliche Helikopter-Gymnasium ihrer Tochter im Jahr davor. Man muss halt einfach genau hinschauen, auf das Kind, auf die Schule. Der Rest, also das Wichtigste, ist Glückssache (konkrete Lehrerbesetzung, tatsächliche Klassenkameraden) und kann auf jeder Schulform so oder so sein.

    Vor dem Abi kommen ja erstmal neun lange Schuljahre, in denen sich ständig tiefgreifend etwas ändert.

    ich möchte es ihr gönnen, auch mal nicht so ehrgeizige Kinder in ihrer Klasse zu haben, das ist an der Grundschule wirklich abartig, da geht es nur um Leistung und gute Noten.

    Die vierte Klasse scheint mancherorts die abartigste der ganzen Schulzeit zu sein. Im Gymnasium relativiert sich das schnell, da logischerweise die Mehrzahl der vormals Guten bald im Mittelfeld sind. Da kühlt sich der Elternehrgeiz schon langsam ab. Und dann schlägt die Pubertät zu...


    Sie hat Gymnasialempfehlung und gute Noten. Also wo ist das Problem? Vermutlich wird sie auch am Gymnasium viele Klassenkameraden haben, die beides nicht haben. So ist das jedenfalls bei uns.


    Ich würde schauen, wo ihre Freunde hingehen, wo der Schulweg kurz ist, wo die Lehrer gut geerdet sind, wo sie sich wohl fühlt. Komische Kinder gibt's echt überall.

    Teilzeit bezieht sich nur auf die Unterrichtsstunden

    Stimmt nicht.

    Beim Wort "Mehrarbeit" lacht die Schulleitung nur und verweist auf "Dienstpflicht".

    Mensch Leute!


    Rechte kennen, schauen, was es schon so gibt, zusammenhalten, Teilzeitkonzept ausarbeiten, Dienstvereinbarung mit der SL, dann jahrelang verteidigen.


    "Traumhafte Zustände" kommen nicht einfach so. Da muss man schon bereit sein, sich auch mal etwas unbeliebt zu machen.

    Der Ausgleichtag gilt für die SchülerInnen. Deswegen machen wir am Samstag Tag der offenen Tür Unterricht nach Plan des Ausgleichstags.

    Gute Idee, falls man Unterricht vorführen möchte. Oder Lehrer und Schüler sind nur die entsprechende Zeit zur Anwesenheit verpflichtet. Das Mindeste wäre, auszuhandeln, dass Teilzeitkräfte nur entsprechend ihres Deputats anwesend sein müssen, auch am Elternsprechtag usw. (Dienstvereinbarung, sonst wird es immer wieder "vergessen", ohne dass man auf etwas zurückgreifen kann.)


    Bei uns kommen Kollegen gar nicht, deren freier Tag am Ausgleichstag ist, die anderen nach Deputat. Das ist uns gerecht genug, denn wenn die Teilzeitkräfte möglichst wenig systematisch benachteiligt werden, gleicht sich der Rest über das Schuljahr einigermaßen aus.

    Na ja, wenn es so viele TZ-Kollegen gibt, dann muss man eben mal ein TZ-Konzept erarbeiten, das möglichst allen gerecht wird.
    ...
    Ansonsten: Gegenseitige Rücksichtsnahme ist immer wünschenswert, aber nicht auf Kosten hoher persönlicher Werte. Die soziale Anbindung des Kindes durch Besuch des Kindergartens Z möchte ich jetzt nicht unbedingt gegen mein Anrecht auf längeres Schlafen aufrechnen wollen. Meine Korrekturbelastung im Abitur, weil ein Kollege Elternzeit nimmt, ist ein Problem - aber nicht das des Kollegen. Dann müssen andere Lösungen her, andere Verteilung der Abikurse, Korrekturtage etc.
    Und wenn es viele TZ-Kollegen gibt und dadurch Sonderaufgaben nicht mehr gestemmt werden können, dann müssen halt manche Sonderaufgaben gestrichen werden. Man muss nicht jede Klassenfahrt durchziehen, jedes Schulfest abhalten und jede fachschaftsinterne Schulentwicklungsaufgabe stemmen, wenn das Personal einfach nicht da ist.

    Volle Zustimmung.


    Als meine Kinder klein waren, ist nicht wirklich Rücksicht genommen worden, ganz im Gegenteil, leider. Da ist einem aber auch grade nicht mehr vorgeworfen worden, "Doppelverdienerin" zu sein und egoistisch auf Kosten von Mann und Kindern der Selbstverwirklichung zu frönen. Stattdessen hat man als Führungskraft dann eben andere Mittel gewählt. Eine meiner Kolleginnen, das älteste Kind wurde eingeschult und sie hat ausdrücklich um Vormittagsunterricht gebeten, musste zum Beispiel just in dem Jahr an vier (!) Nachmittagen kommen, während mehrere ledige und kinderlose Fachkollegen gar keinen Nachmittagsunterricht hatten. Kein Durchkommen, weiter oben saßen die Kumpels und fanden das auch lustig.


    Gerade darum unterstütze ich Eltern kleiner Kinder und Schwangere, auch wenn ich selbst, mit größeren Kindern, Teilzeit arbeite. Aber ich sage auch für mich selbst immer mal wieder nein. Und wenn ich finde, dass jemand mit seinen Ansprüchen übertreibt, was durchaus an der Tagesordnung ist, fress ich das auch nicht in mich rein. Dass man mit kleinen Kindern Unterstützung und Rücksicht nötig hat, sollte aber jedem klar sein. Da tut mir ein "Volli" mit Randstunden echt nicht leid. Eltern legen nachmittags ganz sicher auch nicht die Füße hoch. Kapi85 muss sich hier nicht rechtfertigen. Und es geht nicht um ein privates Problem oder ein Hobby, sondern um eine soziale Aufgabe.


    Teilzeitlehrer haben übrigens ausgeurteilte Rechte und es gibt gute Beispiele für Teilzeizkonzepte im Netz.

    Buntflieger schrieb:Wahrscheinlich muss man selbst in solch eine Situation geraten sein, um das fassen zu können.
    [/quote]Das ist so. Ich glaube dir, dass du grade unglaubliche Dinge erlebst und damit alleingelassen wirst, weil andere nicht glauben können, dass einem so etwas einfach so passieren kann und man nichts tun kann, um das in den Griff zu kriegen.


    Dabei sind Mobbing und Bossing im Bildungsbereich nicht gerade selten. Da ich schon eine ganze Weile dabei bin, war ich leider schon öfter Zeuge systematischer Bösartigkeiten. Manchmal stimmt halt die Chemie nicht. Aber noch öfter hat es mit der Persönlichkeit des Gemobbten überhaupt gar nichts zu tun, sondern allein mit seiner Rolle im System. Gemobbt werden Leute, die (noch) keine Hausmacht haben, also Referendare, Neue, Teilzeitkräfte, Vertretungslehrer oder die anderweitig belastet sind (Mütter, Kranke, Behinderte), so traurig das ist. Ich habe auch schon erlebt, dass eine mobbende Seilschaft eine Schule quasi geentert hat, indem systematisch die besten Leute dort weggebissen und durch eigene ersetzt wurden. Man liest oft, dass Mobbing von einem Konflikt ausginge, den der Gemobbte leichtsinnigerweise nicht rechtzeitig aus der Welt geschafft hätte. Das ist aber Quatsch. Sowas schwelt nur dann weiter, wenn es eigentlich um ganz andere Konfliktlinien geht, mit denen man persönlich meist überhaupt nichts zu tun hat. In meinem Studienseminar wurden beispielsweise die Reffis an der Gesamtschule übelst behandelt, weil die Ausbilder der Meinung waren, man könne an der Gesamtschule keine Gymnasialreferendare ausbilden. Ein Fachleiter hat eine Referendarin auf sehr unfaire Weise spüren lassen, dass er es nicht richtig fand, dass Mütter arbeiten. Eine Referendarin, sehr hübsch, hat die Frechheit besessen, im Ref ihren Freund, einen Arzt, zu heiraten und hatte danach bei einer ihrer Fachleiterinnen nichts mehr zu lachen. Man kann an einer Schule landen, an der es ein gespaltenes Kollegium gibt und unweigerlich zwischen die Fronten geraten, gerade dann, wenn man sich heraushält, statt sofort bei einer der beiden Seiten unterzuschlüpfen. In Wahrheit ist Mobbing eben deswegen so verstörend, weil man nichts falsch gemacht haben muss, um in eine existentiell bedrohliche Situation zu geraten und, noch schlimmer, diese Situation in der Regel nicht beenden kann, ganz egal, was man tut.


    Dieses Ausgeliefertsein ist sehr schwer zu ertragen und macht schnell sehr krank. Trotzdem kann es sinnvoll sein, eine begrenzte Zeit durchzuhalten. Das kann man aber nur selbst einschätzen. Und man sollte natürlich so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten und sich Unterstützung organisieren. Hierzu hast du viele Tipps bekommen. Akzeptiere die Situation. Mobbing ist wie ein Autounfall einfach Pech. Der Schaden ist nicht zu ändern. Versuche es irgendwie zu händeln, wenn du spürst, dass du krank wirst, zieh die Reißleine. Kämpfe nicht um Verständnis oder um Gerechtigkeit, das verletzt nur noch mehr. Bleib bei dir. Du hast nichts falsch gemacht. Jeder hat Eigenarten und darf die auch haben. Überlege dir doch mal, wer alles n i c h t gemobbt wird, echt die krassesten Leute. Daran liegt es also nicht.

    Oder bin ich eine überambitionierte Anfängerin und sollte einfach den Lehrplan der IGS "runterrattern"?

    Nö, ist schon richtig so. Rechtschreibung läuft immer mit, nur Wunder solltest du nicht erwarten. Kleine Schritte, nur kurz, aber oft.
    Was sagt denn das Schulcurriculum? Habt ihr Materialien in der Schule? Vielleicht so etwas:


    https://www.auer-verlag.de/067…eden-tag-klasse-9-10.html


    Für LRS muss es eine abgesprochene Vorgehensweise geben. Schau dir mal die Fachkonferenzbeschlüsse daraufhin an. Außerdem musst du vielleicht Förderpläne schreiben, Genaueres steht in den Verordnungen zu eurer Schulordnung. Eure Fachkonferenzleitung soll dich bitte schön mal ins Bild setzen.


    und die mit einem parallelen G-Kurs hat laut eigenen Angaben noch kein adäquates Mittel gefunden

    Soso. Ist ja eine tolle Kollegin. Such dir eine nettere!

    Mein Geständnis:Neulich musste ich googeln, wie man nochmal den Prozentsatz rechnet. Habe ich ewig nicht mehr gemacht. Wahrscheinlich seit 15 Jahren nicht mehr. Also vergessen, da kein Interesse. So geht es mir als Erwachsene, als Lehrerin heute.

    Schluck! :grimmig:

    Aber unter dem Deckmantel "jeder kann alles schaffen und muss unter allen Umständen alle Möglichkeiten haben", werden so viele Schüler in eine Situation gebracht, der sie nicht gewachsen sind.

    Das ist leider wahr, auf allen Ebenen.

    Aber nur weil jemand in der Schule irgendetwas mit 3,7 geschafft hat als jemand anderes den gleichen Abschluss mit 1,9, das heißt für die Praxis noch sehr wenig.

    Für die Praxis - mag sein. Zwischen einem Abitur von 1.9 und einem von 3.7 liegen allerdings solche Welten, zumindest in den Bundesländern, in denen überhaupt noch sowas wie Abi drin ist, wenns draufsteht, dass man in Wahrheit nicht mehr vom gleichen Abschluss reden kann. Aber das genau soll man ja nicht merken.


    Die Digitalisierung macht die einfacheren Arbeitsplätze einfacher, die anderen werden immer komplexer. Die Kluft wird größer und daher wird es immer schwieriger werden, sie mit Nachqualifizierungen zu überbrücken. Gleichzeitig schmelzen die einfachen Tätigkeiten weg, es wird also immer schwieriger, seinen Platz zu finden und sich da zu halten oder sich von da aus weiterzuentwickeln. Was mich so ärgert, ist, dass viele viel mehr lernen könnten, wenn man angemessen Geld in die Hand nehmen würde, um für ausreichende Sprachkenntnisse zu sorgen, Kinder früh und den ganzen Tag zu fördern, die Leute das Richtige (das zu ihnen passt) intensiv lernen zu lassen und wenn man deutliche Forderungen stellen würde. Stattdessen wird getrickst, gefummelt, gegeizt, gepennt. Und die Lehrer müssen sich zu Handlangern dieser Verschleierungstaktik machen lassen und zusehen, wie die Lebenschancen derjenigen fahrlässig gemindert werden, die eigentlich eine ganz gute Chance hätten.

    Der Großteil der Fallmanager scheint sich als Burnoutprävention aber das Ziel gesetzt zu haben, möglichst wenig Forderungen zu stellen und als Lebensaufgabe stattdessen sehen, die verblendeten Mittelschichtsansprüche der Lehrerschaft zu beschwichtigen.

    Hier genauso. Lässt man sich als Lehrer in gefährlichen Fällen nicht abschütteln, finden sich andere Auswege. Zum Beispiel wurde nach dem Suizid des Vaters eine schon zuvor hochdepressive Mutter mit mehreren Kindern im frühen Schulalter überredet, das älteste, unsere Schule besuchende Kind an eine völlig unpassende Schule umzuschulen, wo es keinen einzigen Lehrer oder Schüler kannte. Die Idee fanden beide gut. Die Mutter war uns los und die Sachbearbeiterin hatte den Fall vom Tisch. Praktischerweise war nämlich die neue Schule in einem anderen Bezirk. Sicher haben die Lehrer dort auch gedacht, die Gymmilehrer hätten halt mal wieder ein anstrengendes Kind loswerden wollen.

    Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie man nicht merken kann, dass ein Schüler bei einer Prüfung fehlt. ... Nein, mir fehlt da komplett das Verständnis.

    Och Leute, echt jetzt. Hetzt ihr nie in der Fünfminutenpause durch ein überfülltes lautes Schulhaus von der einen wuseligen überfüllten Klasse in die andere hippelige überfüllte Klasse, werdet unterwegs von zwei Kollegen oder auch mal der Schulleitung angesprochen und/oder trennt eine Gruppe von Streithähnen und/oder habt noch was Aufwühlendes aus der letzten Stunde in Kopf und Bauch und/oder müsst noch die Sichtblenden aus dem Lehrerzimmer holen und seht dann zu, dass der Zeitverlust möglichst klein bleibt, beruhigt aufgeregte Kinder usw. An manchen Tagen, besonders wenn man viele jüngere Klassen hat, kommt man sich fast vor wie in einem Tornado. Immer ist das nicht so, aber ganz und gar nicht selten. Und trotzdem kriegen wir es fast immer gebacken. Fast halt, meine Güte.

    Und was soll dann speziell an diesen SuS sein?

    Wenn in der Schweiz alle Hochbegabten Matura machen würden (was sicherlich nicht der Fall ist), wären in euren Jahrgangsstufen immerhin etwa 127 Schüler nicht hochbegabt, in Deutschland wären das dann schon 133. In Wahrheit sind es natürlich mehr. Hochbegabte sind nichts Ungewöhnliches, aber eine Minderheit.

    In einer so auf Leistung gebürsteten Gesellschaft "lernen" Kinder schon früh, mehr zu zählen, wenn sie "besser" sind, und sich nicht von "minderbemittelten" aufhalten zu lassen. Also empfinden die Hochbegabten die weniger talentierten als "Klotz am Bein", der das Tempo aus dem Unterricht nimmt, zu (langweiligen, weil für sie als überflüssig empfundenen) weiteren Wiederholungen führt, kurzum "im Weg ist" und doch besser nicht in der Klasse wäre.

    Ich arbeite seit vielen Jahren mit Hochbegabten und erlebe das so nicht, im Gegenteil. Hochbegabte sind in aller Regel ausgesprochen empathische und geduldige Menschen, was leider dazu führt, dass für sie zu wenig getan wird. Trotzdem ist ihr Risiko, gemobbt zu werden, recht hoch, insbesondere das der mathematisch-naturwissenschaftlich begabten Mädchen. Und nein, das ist kein Klischee, sondern der Alltag. Gemobbt werden sie auch nicht von den wirklich Schwachen, die haben andere Sorgen.


    Um heute am Gymnasium falsch zu sein, muss man auch nicht unbedingt hochbegabt sein. Bei uns (Innenstadtlage, Migrantenhotspot) flüchten Kinder, die früher am Gymnasium schwacher Durchschnitt gewesen wären, in die Begabtenklasse (natürlich mit lauter Einsen im Zeugnis), weil sie sich in ihren eigentlichen Klassen fühlen wie Aliens. Selbst wenn sie Lust hätten, sich die ganze Zeit als Tandempartner oder Erklärbär zur Verfügung zu stellen, ihre (wegen Rückstellungen oft zwei Jahre älteren) Klassenkameraden interessiert das kein Stück.


    Dass es für gymnasiale Kinder mancherorts kein adäquates Schulangebot mehr gibt, von Hochbegabten ganz zu schweigen, kann nicht richtig sein. Gut möglich, dass sie mit gescheiten A-Kursen an einer Gesamtschule besser dran wären. Wege, ein passgenaues Profil anzubieten, gäbe es verschiedene. Nur ist das offensichtlich eben nicht gewollt.

    Mir ist das auch noch nie passiert und mir fehlt auch jegliches Verständnis dafür, wie man einzelne Arbeiten verschlampen kann.

    Also ich habe dafür Verständnis. Und es ist mir auch schon passiert, dass ich nicht mitgekriegt hatte, dass ein Schüler gefehlt hat und ich erleichtert war, dass seine Mutter ihn krankgemeldet hat. In der Oberstufe passiert mir das nicht, da will ich schon wissen, ob ich eine Nachklausur stellen muss. Seit mal ein Schüler behauptet hat, er hätte einen Test abgegeben, ich mir aber sicher war, ihn nicht selbst verschlampt zu haben, zähle ich die Arbeiten nach dem Einsammeln demonstrativ durch und keiner hat es mehr versucht. Ich bin übrigens nicht schlampig, sondern im Gegenteil schon immer gut organisiert. Aber wir müssen jeden Tag stundenlang am Stück bei permanenten Störungen an zig Dinge gleichzeitig denken. Jeder, der schon eine Weile Lehrer ist und nicht grad Minimalteilzeit arbeitet, könnte sicherlich stories erzählen, was ihm alles schon für ein unglaublicher Scheiß passiert ist.


    Toi, toi, toi, Ummon, es wird dir auch diesmal der Himmel nicht auf den Kopf fallen.

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