Ich hoffe, du verstehst mich richtig, aber wäre es nicht möglich, dass deine Perspektive an der Stelle zu stark eingefärbt ist von deinen Erfahrungen an der Werkrealschule, wo nun einmal deutlich mehr SuS aus bildungsfernen Elternhäusern sind oder auch aus Elternhäusern mit Eltern, die selbst starke kognitive Einschränkungen haben, sowie unter Umständen kulturellen Hintergründen, die zumindest nicht direkt zu einer Offenheit gegenüber therapeutischen Settings führen?
Meine Erfahrungen sind "eingefärbt" von 10 Jahren Tätigkeit in der Hauptschulstufe einer Schule für Erziehungshilfe - heute "SBBZ-ESE" und 21 Jahren an regulärer Haupt- und Werkrealschule. Deine Meinung, dass dort "bildungsferne Elternhäuser" vorherrschen, trifft nicht zu. Vielleicht liegt das auch an der eher ländlichen Lage der Haupt- und Werkrealschulen, an denen ich tätig war. Viele Eltern sind Handwerker - zum Teil mit eigenem Betrieb - und haben diese Schulart gewählt, weil wir sehr berufspraktisch ausbilden und die Eltern ihre Kinder als Nachfolger für die Firmenleitung handwerklich ausbilden lassen. Daneben natürlich viele Kinder von Alleinerziehenden und mit Migrationshintergrund - wobei letztere in der Regel problemlos "funktioniert" haben und ihre traumatischen Erlebnisse durch Zielorientierung bearbeitet haben.
Während meiner Zeit in der Erziehungshilfe wurden Schüler an diese Schulart verwiesen, weil sie verhaltensauffällig ("verhaltenskreativ") und sog. "Systemsprenger" waren. Gründe dafür waren in der Regel Scheidung, Überforderung der Eltern, Alkoholismus und Drogenmissbrauch, sowie Vernachlässigung und Misshandlung.
Einen ähnlichen "Background" hatten auch die "Ritalinis", die ich in der Werkrealschule unterrichtet habe. Diese kamen teilweise auch aus (nach außen) sehr gesittetem, wohlhabenden Elternhaus. Da wurde Ritalin als Leistungsturbo verwendet - die Familie explodierte denoch - und die "Verhaltenskreativität" blieb ebenfalls - der "Ritalineffekt" blieb im Verhaltensbereich aus. So hat jede/r seine Erfahrungen mit diesem Themenbereich, wobei sich meine "breite empirische Datenbasis" über 35 Jahre erstreckt.