Also, vielen Dank für die zahlreichen Beiträge, auch wenn nur zwei davon sich mit der Ursprungsfrage beschäftigen.
Mir ist nicht klar, wieso Schuluniformen einige hier so persönlich treffen und die dann meinen, das Thema kapern zu müssen, um ganz laut und gleich mehrmals zu rufen, dass Schuluniformen ganz ganz doof sind und bei ihnen die Schüler ja alles dürfen, weil sie selbst so cool sind.
Dann wird gelabert, dass man bei Kleidungsregeln am besten die Schule wechseln soll und dass die Schüler das ganz bestimmt auch tun, wenn man ihnen die Jogginghosen verbietet. Zeitweise taucht dann in jedem dritten Beitrag einer der folgenden Sätze auf „MIR ist wichtiger, dass meine Schüler lernen, als dass sie ordentlich angezogen sind“ oder „Schüler in Uniform lernen auch nicht besser als ohne Uniform“.
Was ich noch erwartet hätte, wären Hinweise auf den Nationalsozialismus oder zumindest Vergleiche mit dem bösen Militär.
Wie auch immer, vielleicht darf ich mal behilflich sein, mit den verbreiteten Vorurteilen aufzuräumen:
1. Vorurteil
Ordentliche/gehobene Kleidung ist nicht bequem.
Das ist schlicht falsch. Es ist nur so, dass Kleidung, die nicht zu weit (Schlabberpullis) und nicht besonders dehnbar (Jogginghose) ist, passen muss, damit sie bequem ist. Der Großteil der Leute ist aber schlicht nicht dazu in der Lage, sich passende Kleidung zu kaufen. Ein Extrembeispiel sind Schuhe. Klassische (gute) Lederschuhe, die in Länge, Breite, Spann, usw. passen, sind sehr bequem, auch nach 12 Stunden. Da die Industrie aber keine Lust hat, jedem einen Schuh anzupassen, werden diese dick mit Schaumstoff gepolstert und mit Plastik ummantelt, damit die Leute sich in Einheitsgrößen zwängen können. Plastikschuhe vom Discounter sind dann super, Lederschuhe ja sooo unbequem. Wer behauptet, gehobene Kleidung ist nicht bequem, ist herzlich eingeladen, mir bezüglich einer Beratung eine PN zu schreiben.
2. Vorurteil
Schüler in Gammelklamotten lernen genau so gut.
Auch das ist schlicht falsch und das ist nicht meine Meinung oder Sichtweise, sondern das Ergebnis von Studien (ihr wisst doch noch, Unis und so). Es gibt unzählige Belege dafür, dass die eigene Verhaltensweise unbewusst interpretiert wird und Auswirkungen auf das eigene Leistungs- und Lernvermögen hat. Das umfasst die gesamte Art, wie wir uns bewegen, wie wir uns kleiden, selbst ein Unterschied in der Körperhaltung oder auch nur in der Mimik hat Auswirkungen darauf, wie wir uns fühlen und wie gut und wie lange wir uns konzentrieren können. Bei Interesse an diesem Thema bietet sich Rizzolatti an, oder für die, die es populärwissenschaftlicher mögen, auch Bauer/Bauer. Ihr könnt noch tausendmal sagen „aber schlecht angezogene Schüler lernen genau so gut“, es ist trotzdem nichts als eine unfundierte, bedeutungslose Meinung, die wissenschaftlich widerlegt ist.
3. Vorurteil
Schulbekleidung ist aber so teuer
Das ist so richtig wie die Feststellung, dass Winterreifen teuer sind. Reifen müssen am Auto sein, ob ich jetzt jeweils 10 halbe Jahre mit Sommer- und Winterreifen fahre oder 5 ganze Jahre mit Allwetterreifen, es kostet keinen Pfennig mehr. Schüler müssen etwas anziehen. Wenn sie Schulbekleidung anziehen, tragen sie dafür weniger andere Kleidung. Schulbekleidung kostet die Schüler effektiv praktisch nichts. Tatsächlich wäre es sogar so, dass man mit entsprechend großem Durchsatz (als Schule) einen für den Einzelnen sogar besseren Preis erzielen könnte. Auch einen Fair-Trade-Gedanken mit einzubringen, wäre so möglich.
4. Vorurteil
Die Schüler sind selbst schuld, wenn sie von Tangas und großen Ausschnitten abgelenkt sind
Wieder in Bio nicht aufgepasst. Ich will das ganz einfach sagen: Der Teil des Hirns, der auf sexuelle Reize (Attraktivität, nackte Haut, usw.) anspricht, ist ein anderer Teil als der, der für klares Denken zuständig ist. Für uns ungünstig ist, dass er diesen aber in seiner Funktion unterdrückt. Das ist evolutionsbiologisch auch gar nicht so blöd. Wenn ein Schüler zwischen 13 und 25 jetzt also den ganzen Schultag mit diversen Reizen konfrontiert ist, dann kann er sich nicht so gut auf den Unterricht konzentrieren. Das hat absolut nichts mit Schuld oder Disziplin zu tun, sondern ist schlicht eine Tatsache, auf die man entsprechend (z.B. mit entsprechender Kleidung) reagieren könnte. Ob jetzt jemand hier ganz doll anderer Meinung ist, ändert nichts daran.
Wisst ihr, ich verstehe den ständigen Ruf nach Freiheit und Individualität. Es ist aber so, dass wir in der Schule eine Gesellschaft propagieren, wie sie sein sollte und nicht, wie sie bei den Schülern zu Hause oder hinterm nächsten Bahnhof stattfindet. Das nennt sich auch Erziehung. Zum Erziehungsauftrag gehört auch, den Schülern beizubringen, sich zu benehmen, sich ordentlich anzuziehen und sich einigermaßen gepflegt auszudrücken. Lehrkräfte, denen das nicht klar ist und die noch versuchen, sich hier feiern zu lassen, weil sie auch so cool mal „fuck“ und „yeah what the fuck“ im Unterricht sagen, sollten mal über ihre Berufsauffassung nachdenken. Schüler lernen durch Vorbilder und so ein Vorbild ist Mist. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob die Schüler zu Hause auch so reden oder nicht. Ihnen ist sehr bewusst, dass es einen öffentlichen und einen privaten Raum gibt, in denen man sich nicht gleich verhält. Was das richtige Verhalten ist, wird durch den gesellschaftlichen Konsens bestimmt und nicht durch eine einzelne Lehrkraft, die anderer Meinung und ach so lässig ist.
Ein Wort zum hier häufig wiederholten Satz „gute Kleidung macht Schüler auch nicht besser“. Ein schlauer Mann hat mal gesagt, man kann nicht nicht kommunizieren. Kleidung ist eine Form von Kommunikation. Man kann durch Kleidung seine Einstellung gegenüber Menschen, Institutionen oder Tätigkeiten ausdrücken. Wenn man sich für eine Sache, sei es eine Hochzeit, die Arbeit oder die Schule, ordentlich anzieht, dann zeigt man dadurch seine Wertschätzung. Wenn man das nicht tut, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es ist Absicht, man zieht sich also schlecht an, um seine Abneigung oder sein Desinteresse auszudrücken oder es ist keine Absicht, man ist also nicht in der Lage, sein eigenes Aussehen zu reflektieren. An beidem sollte man arbeiten, oder?
Ich ahne, was einige jetzt denken: „Natürlich darf der Schüler sein Desinteresse ausdrücken wie er will“. Nein, das darf er nicht, oder zeigt der euch auch den Mittelfinger im Unterricht?
Wer bis hierher gelesen hat, hält auch das Ende noch aus. Es ist nur meine persönliche Meinung, aber wer als Lehrer meint, sich über in Konferenzen beschlossene Regeln in seinem Unterricht hinwegsetzen zu müssen, weil er schlauer und cooler ist, als all die anderen, der handelt unkollegial und ist vermutlich ein Arschloch. Dabei ist es ganz unerheblich, welche Regeln das sind. Ihr macht die Arbeit der anderen schwieriger.
Nach genauerem Nachdenken fällt mir eigentlich kein ernsthafter Grund ein, der gegen eine einheitliche Schulkleidung spricht. Ich meine, .... ernsthaft. Hat jemand einen?
Positives finde ich jedoch vieles, z.B. das Zusammengehörigkeitsgefühl: Wir sind eher stolz auf unsere Schule, ich weiß, das ist nicht überall so. Oder die Erinnerungshilfe: Ein Seminarleiter hat mal zu mir gesagt, ein Sakko macht es den Schülern einfacher, mich zu erkennen. Jeder, der auch mal Anzug trägt, weiß, dass das stimmt. Man wird anders behandelt und es wird anderes von einem erwartet. Durch Schulkleidung ist den Schülern bewusster, wo sie sind und welches Verhalten dort angemessen ist. Sie werden schon visuell immer daran erinnert, dass sie sich nicht in der Disco befinden. Ich bin absolut sicher, dass das positive Auswirkungen hätte. Sicher gibt es auch positive Auswirkungen bzgl. Markenmobbings usw.
Wie auch immer, hat noch jemand eine Anmeldung zum rechtlichen Rahmen oder Erfahrungen zu teilen?
Vielen Dank für die bisherigen ernsthaften Beiträge.