Ich glaube nicht unbedingt, dass der Junge nur eine Schutzmauer um sich her aufbaut. Das ist das Bild eines lieben, netten, armen Kindes, dass aus lauter Verzweiflung das Gegenteil von dem sagt, das es meint. Aber nachdem, was über die Eltern gesagt wurde scheint es mir eher, dass sie ihn zu einem kleinen arroganten "Scheusal" erziehen. Sie vermitteln ihm ja, dass nur gute Noten schreiben wichtig ist, Sozialkontakte höchstens zweitrangig. Ich nehme viel eher an, dass er ihr Verhalten spiegelt, so wie Kinder eben durch Nachahmunglernen. Dass es ihm dabei nicht wirklich gut geht, das sicher. Aber er lernt ja zu Hause, dass das eine Haltung ist, die man haben kann. Und es macht ja schon Spaß andere Leute auf ihre Fehler hinzuweisen, hämisch, auch das haben viele schonmal gemacht. Es ist ein Verhalten, das ich z.B. auch an dem Verhalten der beiden Söhne meines Freundes beobachte. Der 13-jährige macht den 8-jährigen nieder, wo er nur kann. Ich denke, er fühlt sich dabei vorübergehend gut, aber darunter muss eine unheimliche Spannung sein. Es ist bloß schwer, aus so einem Teufelskreis herauszukommen. Wenn ich immer über andere gelacht habe, kann ich ganz schlecht jetzt auf einmal auf nett umschlaten, ohne mein Gesicht zu verlieren.
Ich habe als Kind und Jugendliche meinen kleinen Bruder ähnlich malträtiert und es änderte sich erst, als mir Freundinnen ganz massiv direkt sagten, dass sie mein Verhalten unmöglich fänden. Das hilft ja bei dem Kleinen offenbar nicht. Aber wenn er noch so klein ist, dann würde es ihm vielleicht helfen, ihn einmal spüren zu lassen, was er anderen antut. Das klingt vielleicht brutal, aber ich würde ihn auch auf seine Fehler hinweisen, als Lehrer geht das natürlich nicht hämisch. Aber oft hat ein Kind einfach nie gespürt, wie sich das anfühlt und weiß deshalb gar nicht, was es anderen antut.
Ich glaube, Samthandschuh und ich verzeih dir auch noch beim hundertsten Mal und bekommst noch die tausendste Chance nützt nicht immer, weil manch ein Kind vielleicht einfach eine Grenze braucht, die es von zu Hause nicht bekommt.