Beiträge von Helen

    Du schriebst:


    "Die Schüler schauen mich an und erwarten eine Reaktion, aber sobald ich reagiere lasse ich mich ja "auf den Machtkampf" ein."


    Ich glaube, dass dieser Machtkampf schon stattfindet. Die beiden Schüler üben Dir gegenüber Macht aus, wenn sie Deinen Anweisungen etc. nicht folgen. Ich habe das Gefühl, dass die übrige Klasse eher der Entwicklung des Machtkampfes folgt, als Deinem Unterricht. Ich empfehle, das Problem des Machtkampfes dadurch zu lösen, indem Du diesen Machtkampf annimmst, ihn aus dem Klassenraum verlagerst und dann getrennt von der Klasse, vorzugsweise in Koalition mit Kollegen/ Schulleitung/Eltern löst. Wie die Sache im Einzelnen zu handhaben ist, kann hier wegen fehlender Einzelheiten nicht ausdiskutiert werden. Ich verweise hier auf den Frey, der sich mit der Ausübung von Macht im pädagogischen Kontext auseinandergesetzt hat.


    Helene

    Hallo, Ihr Lieben,


    die FAZ berichtete am 19./20. Juli unter der Überschrift „Schule macht krank“ von einer bisher unveröffentlichten Studie der Uniklinik Freiburg. „Offene Feindseligkeiten, schwere Beleidigungen und Aggressivität seitens der Schüler - das sind die Faktoren, die Lehrer krank machen. [...] ‚Wer fachlich gut ist, aber nicht gelernt hat, wirksam gegenüber Schülern aufzutreten, verschleißt sich selbst und wird schneller krank’ resümieren die Mediziner ihre Untersuchung.“


    Wie sind Eure Erfahrungen?


    Wo und wie habt Ihr gelernt, mit solchen Schülern umzugehen? Wer kann Tipps geben?


    Gruß, Helen

    @Nicht_wissen_....


    Zitat

    Original von Nicht_wissen_macht_auch_nic


    Das ist ein induktiver Fehlschluss. Nur weil - da gebe ich Ihnen in gar nicht wenigen Teilen Recht - Reformen gescheitert sind, sind sie noch lange nicht logisch falsch. Immerhin hat die Reform des Bildungssystemes in der sozialliberalen Zeit den Output an Schulabgängern erhöht und die Zahl der Studienplätze stark vergrößert! Ihr überkommenes Schulsystem bietet keine Antwort, wie man in der Breite mehr Menschen zu höheren Bildungsabschlüssen führt.


    Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, sei der Hinweis erlaubt, dass ich es als sehr mutig empfinde, das Scheitern wesentlicher Teilreformen unseres Bildungssystems nach 1960, welche alle dem Ziel der Einheitsbildung geschuldet waren, nicht zum Ausgangpunkt von Überlegungen zu nehmen, wie das bestehende Desaster beendet werden könne. Der Mut besteht einerseits darin, dass der (höchstwahrscheinlich) bestehende kausale Zusammenhang schlichtweg bestritten wird, obwohl hier m. E. ein zielführender induktiver Teilschluss zulässig wäre. Der Mut besteht aber auch darin, dass die gescheiterten Reformen an sich nicht dieser logischen Betrachtung unterzogen wurden noch werden. Es wäre dann zu beweisen (und nicht nur zu behaupten), dass das deutsche System der Einheitsbildung (mit neo-reformistischem Pädagogikansatz nach Klafki & Co.) qualitativ besser war und ist als das (ehemals) gegliederte System (im PISA-Sinne) und dass ein Einheitsbildungssystem deutscher Art soziostrukturelle Ungleichheiten einebnet. Eine Beweisführung mittels Beispielen (Pseudo-Schulversuche wie Bielefeld, Leuchtturmschulen wie Helene-Lange-Schule, Vergleiche mit den Schulsystemen von PISA-Siegern, etc.) wären allein deshalb schon unzulässig, da auch hier der induktive Fehlschluss vorläge.


    Wie auch immer, es wird keinen geschlossenen deduktiven Beweis für das richtige Bildungssystem geben. Wir sind immer auf den heuristischen Ansatz angewiesen. Wobei letzterer allerdings die Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigen sollte, um nicht nach der „Logik des Misslingens“ zu scheitern. Allein deshalb plädierte ich in meinen obigen Ausführungen an die politische Vernunft und den gesunden Menschenverstand.


    Helen

    @Nicht_wissen_....


    Zitat

    Original von Nicht_wissen_macht_auch_nic


    Wer anderen vorwirft, das Bildungssystem zuförderst ideologisch zu betrachten, sollte einmal die eigene Argumentation überdenken. Die Idee, dass überkommene Strukturen erhalten bzw. zumindest ihre Grundidee für gut geheißen und gepflegt wird, ist eine konservative.


    Die Bildungsreformen der 60er und 70er sind ohne Ausnahme gescheitert. Die Idee, sich an den Status zu erinnern, als unser Bildungssystem nachweislich noch hervorragend funktionierte, ist weder konservativ noch progressiv, es ist eine Frage der politischen Vernunft und des gesunden Menschenverstandes.


    Woran ist erkennbar, dass die Bildungsreformen der 60er und 70er allesamt gescheitert sind? Hier schlagwortartig eine Zusammenstellung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:


    PISA bescheinigt dem deutschen Bildungssystem heute höchstens eine mittelmäßige Qualität.
    Ca. 20 % der 15-jährigen Jugendlichen gehören zur Risikogruppe. Es sind faktisch funktionale Analphabeten.


    80.000 Schulabgänger sind ausbildungsunfähig.


    Das Ziel der „Chancengleichheit“ durch die Einführung der Einheitsbildung (stufenorientiertes Bildungswesen auf Basis der Einheitsschule in allen Varianten samt sozialistisch-hedonistischer Klafki-Pädagogik) ist bis heute nicht erreicht worden und es spricht auch nichts dafür, dass dieses Ziel mit dem gewählten Ansatz erreicht werden kann; vgl. Helmut Fend in DIE ZEIT http://www.zeit.de/2008/02/C-Enttäuschung


    Die Oberstufenreform - Kollegsystem, Saarbrücker Rahmenvereinbarung 1960 - ist gescheitert und musste in wesentlichen Teilen revidiert werden (Einführung des Kerncurriculums Oberstufe).


    Die Stufenorientierung - Aufspaltung der Volksschule in Grund- und Hauptschule, Hamburger Abkommen 1964 - ist gescheitert: Die Hauptschule wird wieder abgeschafft. Die pädagogisch-didaktische Differenz - „Sekundarstufenschock“ - belastet die Eingangsklassen von Realschulen und Gymnasien.


    Das hedonistische Leistungsprinzip ist gescheitert. Seit 2004 sollen Bildungsstandards wieder Leistungsmäßstäbe setzen. Das Zentralabitur kommt.


    Das Prinzip der Binnendifferenzierung in heterogenen Klassen führt zur Chancenungleichheit der Leistungsstarken (Berliner Grundschulstudie http://www.zeit.de/2008/17/Interview-Lehmann).


    Das Prinzip des autoritätslosen Lehrers -„Lehrer als Moderator“ - ist gescheitert. Das soziale Klima an den Schulen ist geprägt durch die Angst der Lehrer vor den Schülern und deren Eltern (Prinzip Rütli-Schule, Potsdamer Belastungsstudie - Burnout-Syndrom).


    Die Hochschulreformen sind insgesamt gescheitert. Die Gesamthochschulen wurden allesamt wieder rückgebaut. Allerdings blieb das (destruktive) Managementprinzip der Gruppenuniversität weitgehend erhalten.


    Das Ziel der „Produktion“ von mehr gut ausgebildeten Hochschulabsolventen wurde nicht erreicht. Die Studienabbrecherquote beträgt ca. 30%.



    Zitat


    Es kann ja nicht sein, dass die gesellschaftlichen Parameter an didaktische Modelle angepasst werden müssen.


    Dieser Feststellung kann ich nur zustimmen. Doch: Die Anpassung der gesellschaftlichen Parameter an - bzw. durch - die egalitäre Einheitsschule samt ihrer didaktischen Konzeption ist genau das erklärte Ziel: Vermeintlich oder wahrhaftig Leistungsschwache kommen, ohne Rücksicht auf Verluste, in den fragwürdigen Genuss immateriellen Sozialtransfers zu Lasten der Leistungsstarken.


    Das egalitäre Bildungswesen dient der soziostrukturellen Transformation der Gesellschaft hin zu einer egalitären nach schulischem Vorbild: Der schulische Raum ist der soziale Raum, in dem die (geplante) Gesellschaft von morgen herangezogen und praktiziert wird. Diese antiquierte, linkskonservative bildungsplanwirtschaftliche Idee ist offensichtlich kläglich gescheitert, sowie die Utopie des realen planwirtschaftlichen Sozialismus' wohl insgesamt als gescheitert angesehen werden muss.


    Helen

    ambrador


    PISA hat in der Tat ergeben, dass die betrachteten Nationen Bildungssysteme betreiben, welche unterschiedliche Ergebnisse zeitigen. Das System der PISA-Sieger damit zum Standard für die PISA-Verlierer zu machen, ist nicht zielführend. Eine Begründung (Achtung: Fachaufsatz) liefert der Bildungsökonom Ludger Wößmann, welcher jetzt eine Professur an der LMU München innehat. Hier der Link zu „Die Bildungs-Debatte läuft schief : Nicht immer auf die anderen schauen.“
    http://www.die-tagespost.de/archiv/titel_anzeige.asp?ID=1289


    Ich möchte einen Gesichtspunkt hinzufügen: Das Kultursystem ist konstituierend für eine Gesellschaft. Das Bildungssystem ist (im Sinne Parsons’/Luhmanns) integraler Teil des Kultursystems einer Gesellschaft. Letzteres entwickelt sich (meist) evolutionär und mit ihm das Bildungssystem. Mithin kann m. E. das Bildungssystem keine aktive Rolle hin zur Destabilisierung einer Gesellschaft zum Zwecke ihrer Veränderung einnehmen. Im Gegenteil, das Bildungswesen konstituiert gemeinhin ein gesellschaftsstabilisierendes Subsystem. Letzteres offenbart sich z. B. in einem bildungspolitischen Konsens in der Bevölkerung - In dieser Hinsicht ist Finnland, wie viele andere Länder auch, Vorbild für Deutschland. Die Dissenslage und deren Gründe habe ich in meinem obigen Beitrag kurz skizziert.


    Der Konsens war für Deutschland bis 1960 gegeben. Bis dahin konzidierten auch ausgemachte Gesamtschulbefürworter wie z. B. H. Becker und L. von Friedeberg, dass das deutsche Bildungswesen Weltgeltung hätte. Für mich ergibt sich eingedenk des systemtheoretischen Zusammmenhangs zunächst die prinzipielle Notwendigkeit, das Bildungssystem von einem Punkt aus weiter zu entwickeln, an dem noch Konsens geherrscht hat. Um in der WINDOWS-Sprache zu sprechen: Das Düsseldorfer Abkommen von 1955 ist prinzipiell ein geeigneter „Wiederherstellungspunkt“, um den Reformdiskurs zu starten.


    Ich wage abschließend die Behauptung, dass ein optimal gestaltetes, gegliedertes Bildungssystem mit einer wissens- und leistungsorientierten Pädagogik, welche der Institution Schule und dem Lehrer die Autorität, bzw. den Respektsanspruch, gewährt, welcher für ein erfolgreiches Bildungs-und Erziehungshandeln im schulischen Kontext m. E. notwendig ist, "leistungsfähiger" ist als das finnische Modell!


    Nun ist der Beitrag doch wieder länger geraten, als vorgesehen. Ich bitte um Nachsicht.


    Helen

    Animagus,


    Sie unterrichteten im Kontext Ihres Interpretationsversuches meines Beitrages das Forum wie folgt:



    Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang den Rat, sich nochmals mit dem Begriff und der Technik der Hermeneutik (Interpretation von Texten) dezidiert zu beschäftigen. Die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise ist spätetstens seit Schleiermacher überholt: Eine Aussage* ist ohne Wissen des textuellen Zusammenhanges sowie der individuellen, soziokulturellen und sozioökonomischen Kontextbedingungen zum Zeitpunkt ihres Enstehens nicht zuverlässig interpretierbar. Schauen Sie mal nach bei Dilthey, Heidegger, Gadamer etc..


    Anschließend haben Sie dann Gelegenheit, Ihren Beitrag zu korrigieren.


    Helen


    *Ausgenommen sind Aussagen im Kontext formaler Systeme (Logikkalküle). Aber die waren von Ihnen wohl auch nicht gemeint.


    Auf die vertiefende Diskussion des schillernden Begriffes "Wahrheit" möchte ich an dieser Stelle verzichten.

    @ ambrador


    Der 1:1-Vergleich von Bildungssystemen ist beliebig schwierig, da die Zahl der Variablen derart groß ist, dass man letztlich doch zu keinem Ergebnis kommt. Daher ist der diachrone/synchrone Vergleich der Bildungssysteme in Deutschland, welche sich auf eine gemeinsame kulturelle Basis beziehen, m. E. am sinnvollsten. Wichtig ist allerdings der internationale Vergleich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit (Output), z. B. gemessen an der Leistungsfähigkeit der Schüler. Insofern zeigt Finnland, was man erreichen kann. Wie Finnland es erreicht, kann nicht Maßstab für Deutschland sein.


    Allerdings ist in diesem Kontext auf eine Einflussgröße hinzuweisen, welche im politischen System der Finnen begründet ist (national policy style): Die bildungspolitische Umorientierung erfolgte unter dem konservativen Harri Holkeri (1987-1991) in einem parteiübergreifenden Konsens. Letzterer hält bis heute. [1] Hinzu kommt die Homogenität der Gesellschaft in Bildungsfragen. Beide Faktoren bilden sich dann ab in einer wissens- und leistungsorientierten Pädagogik. Der Konsens setzt sich in der Schule/Klasse fort.


    In Deutschland wurde der Bildungskonsens spätestens 1970 aufgegeben. Die Durchsetzung der Gesamtschulen führte 1973 zu Minderheitsvoten der B-Länder im Bildungsgesamtplan. Die Klafki-Pädagogik, als integraler Bestandteil des Gesamtschulkonzeptes, sieht sich als politische Pädagogik, welche die Schule als Ort der permanenten Systemveränderung apostrophiert. Diese (gewollte) Dissenslage wurde vergrößert (stabilisiert) durch das überbordende Mitbestimmungsrecht von Schülern und Eltern. Beide Gruppe wurden als Hilfstruppen zur Destabilisierung bestehender gegliederter Bildungsstrukturen missbraucht.


    Die prinzipielle bildungspolitische Dissenslage hat sich in Deutschland seither nicht verändert.



    Helen


    [1] Overesch, A.: Wie die Schulpolitik ihre Probleme (nicht) löst - Deutschland und Finnland im Vergleich; Waxmann, 2007

    Zitat

    Original von CKR
    Ich empfehle die Durchsicht folgender Seiten: http://www.nachdenkseiten.de


    Ich möchte mich eines Kommentars zu den NachDenkSeiten enthalten. Nur soviel: Sie wird von zwei ehemaligen, offensichtlich enttäuschten SPD-Spitzenfunktionären der Ära Brandt - Albrecht Müller, Wolfgang Lieb - als Werbeplattform für ihre Publikationen betrieben. Und dies, obwohl sie in der Selbstdarstellung „Wer steckt dahinter“ beteuern, dass die Website keinen kommerziellen Hintergrund habe. Eine - wie auch immer zu wertende - Einschätzung findet sich unter http://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_M%C3%Bcller.


    Helen

    Zitat

    Original von Bolzbold


    Sag mal zitierst Du das alles aus einem Buch? Es würde mich wundern, wenn Du derartige Beiträge vorher intensiv recherchieren würdest.


    Meine Beiträge sind keine Zitate, letztere kennzeichne ich immer.


    Helen

    „Leistungsfeindliche Klafki-Pädagogik“:
    Kafki hat in seinem Werk zur kritisch-konstruktiven Didaktik von 1985 (5. Auflage 1996) unter der Überschrift „Sinn und Unsinn des Leistungsprinzips in der Erziehung“ über mehr als 40 Seiten ausführlich zu seinem Leistungsverständnis Stellung genommen. Ich möchte das hier nicht alles wiederholen. Allein die Überschrift verrät den Tenor. Exemplarisch folgendes Zitat: „Im unreflektierten Leistungsbegriff schlagen sich weniger ökonomisch nützliche als vielmehr veraltete Vorstellungen von Lernen nieder, [...] darüber hinaus didaktisch unreflektierte Auffassungen über sogenannte ‚Allgemeinbildung’ und angeblich ‚unverzichtbares Wissen’, Fertigkeiten, die längst funktionslos geworden sind, und anderes Strandgut einer unkritisch weitergeschleppten Schultradition. Noch einmal also: Im vorverwalteten Leistungsprinzip in der Schule des 19. und 20. Jahrhundert reproduzierte sich sehr wohl eine undemokratische Gesellschaft, eine sozusagen verspätete Ständegesellschaft im Obrigkeitsstaat.“ (Klafki, 1996, S. 220)


    Fazit: Klafki fordert eine prozessorientierte Leistung - das Mitmachen ist der Leistungsnachweis ohne Rücksicht auf den Inhalt. M. a. W. wenn der „alte“ Leistungsbegriff das Vorwissen (Prozessbeginn), den Wissenszuwachs (Prozess) sowie das Ergebnis (Prozessende) eines Bildungsprozesses bewertet, so reicht für Klafki der Prozess, wobei letzterer noch nicht einmal an Wissenszuwachs gekoppelt ist. Leistung nach traditionellem Verständnis steht konträr zum Leistungsverständnis von Klafki. Das Leistungsverständnis nach Klafki ist Leistung ohne Anstregung, mithin Nicht-Leistung. q.e.d.


    „Einheitsbildung führt zu einer Einheitlichkeit in der Schwäche“:
    Einheitsbildung in idealer Ausführung geht von einer beliebig heterogenen Gruppe aus. Dabei besteht die Heterogenität in den Dimensionen des Arbeits- und Sozialverhaltens sowie in der kognitiven Leistungsfähigkeit. Allein die Heterogenität im Arbeits- und Sozialverhalten reduziert die Unterrichtseffektivität im „Idealfall“ auf Null (Rütli-Schule). Betrachtet man den eher seltenen Fall der Homogenität im Arbeits- und Sozialverhalten und ausschließlicher Heterogenität in der kognitiven Leistungsfähigkeit, so kommt es zum sogenannten Konvoi-Effekt: Der Leistungsfortschritt des einzelnen Schülers orientiert sich am Leistungsfortschritt des schwächsten Schülers. Letzteres wird bei den Bildungsforschern durch das „negativ-adaptive“ Verhalten des Lehrers erklärt: Der Lehrer pendelt sein Unterrichtsniveau auf den Mittelwert des unteren Leistungsdrittels einer Klasse ein. Diese Verhalten kann mittels des Konzepts des „somatischen Markers“ nach Antonio R. Damasio erklärt werden: Der Lehrer verhält sich in seinen Alltagsentscheidungen so, dass die Zahl der positiven Ereignisse (im Unterricht) die Zahl der negativen Ereignisse überwiegt.


    Fazit: Im Normalfall einer zweidimensionalen Heterogenität kann das Niveau einer Klasse nur auf der Ebene der Schwächsten angesiedelt sein. Schaut man in die PISA-Ergebnisse, dann findet man in diesen Effekten, welche zudem noch im Kontext der leistungsfeindlichen Klafki-Pädagogik auftreten, eine (von mehreren) Erklärungen für das schlechte Abschneiden dieser Schulform. Leistungsfreie Klafki-Schulen führen zur Einheitsbildung auf unterstem Niveau, Leistungsstarke werden behindert und passen sich den Schwächsten an. q.e.d.


    Helen

    @CRK


    Das leistungsfähige und leistungsgerechte dreigliedrige Bildungssystem war in Deutschland bis 1960 Realität:


    Der Koordinator und Mentor der Einheitsschule in Deutschland, Hellmut Becker, Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Berlin, gestand ein: Einst „beruhte die Weltgeltung der deutschen Bildung in erster Linie auf dem Humanistischen Gymnasium und der Universität. [...] Aber auch die Volksschule und die Lehrlingsausbildung verfügten über ein beträchtliches Ansehen in der Welt.“ (Becker, H., Hager, F. Dez. 1992)


    Hellmut Beckers kongenialer Freund im Geiste, der ehemalige Kultusminister Hessens und zusammen mit Wolfgang Klafki Erfinder der Hessischen Rahmenrichtlinie 1972 sowie Direktor des IfS, komplettierte an anderer Stelle: „Das Bildungswesen der deutschen Länder [...] hatte jahrhundertelang in hohem Ansehen gestanden.“ Die allgemeine Elementarerziehung fand „internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung“. „Die auf das ausgebaute humanistische Gymnasium gründende deutsche Forschungsuniversität entwickelte sich zur modernsten und leistungsfähigsten der Welt.“ (Friedeburg v., L. 1989)


    Trotz dieser Erkenntnis waren es insbesondere Becker und v. Friedeburg, welche sich für die Einheitsbildung - komplettiert durch die neo-reformistische Klafki-Pädagogik - seit 1970 einsetzten. Der vollständige Rückbau aller Einheitsstrukturen samt Abkehr von der leistungsfeindlichen Klafki-Pädagogik ist die einzige Möglichkeit, das deutsche Bildungswesen wieder auf das Qualitätsniveau zu heben, wo es mal stand.


    Letzteres wäre für alle gut, auch für die Schwachen. Diesen kann nur durch viele Leistungsstarke geholfen werden, da jene die Mittel erwirtschaften, die notwendig sind, um Hilfe zu gewähren. Jedem Schwachen steht der Weg zur Leistungsstärke offen - Wer will das leugnen?


    Der Weg der Einheitsbildung führt zu einer Einheitlichkeit in der Schwäche. Der folgliche Schrumpfungsprozess des leistenden Mittelstandes (Bildungsbürger) führt dann zum Rückbau der Hilfesysteme für die Schwachen und schadet ihnen damit - Einheitsbildung fördert Chancenungleichheit.


    Helen

    Hallo Bolzbold,


    Ihre Kurzanalyse hinsichtlich der zu schaffenden Voraussetzungen ist richtig. Wobei ich meine, dass die Einsicht in die Notwendigkeit der Rekonstruktion der Dreigliedrigkeit relativ schnell in der Bevölkerung wachsen wird. Dies setzt allerdings eine ungeschönte Analyse des Einheitsschul-Unsinns, welcher seit 45 Jahren - mittlerweile auch von bildungsnahen wertkonservativen Seiten - verzapft wird, voraus. Dazu sind dann auch Fehler seitens der Bildungspolitik zuzugeben:
    - Demontage der gymnasialen Oberstufe (Saarbrücker Rahmenvereinbarung 1960),
    - Splittung von Grund- und Hauptschule (Hamburger Abkommen 1964),
    - Gesamtschulprogramm (Bildungsstrukturplan 1970, Bildungsgesamtplan 1973),
    - Fusion von Real- und Hauptschule (verstärkt seit 2006 in SH, HH, HB etc.).


    Mit der Einräumung von Fehlern tun sich unsere Politgrößen allerdings immer schwer. Erschwerend kommt hinzu, dass die Industrieverbände den Unsinn der Zweigliedrigkeit ebenfalls lauthals proklamieren (Aktionsrat Bildung 2007).


    Übrigens reagierte die KMK auf die leistungsfreie Klafki-Pädagogik, welche unsere Bildungssysteme mehr oder weniger durchdrungen hat, mit der Einführung von Bildungsstandards. Letztere bedeuten nichts anderes als die Forderung nach einer basalen Leistungshomogenität, welche am Ende der Bildungsbiographie erreicht werden müsse. Dass gleichzeitig zu Beginn der Bildungsbiographie die Leistungsheterogenität gewollt wird (s. HH, SH), wird nicht (!) als Widerspruch empfunden.


    Zum Thema Leistung im Kontext mit der soziopsychologischen Komponente der permanenten Vergangenheitsbewältigung (Adorno & Co) hat sich der neue PISA-Koordinator Klieme erfrischend offen geäußert.
    http://www.welt.de/welt_print/…keine_Einheitsschule.html


    Was fehlt, ist die Entlarvung der Tendenzforschung linksdrehender Bildungsforscher wie Klemmt, Brumlik etc., welche es in enger Kooperation mit unseren linksorientierten Medien (bis z. B. auf FAZ und Welt) immer wieder schaffen, die Heilslehre der Einheitsbildung - anstrengungsfreie Chancengleichheit - unters Volk zu bringen. Dabei wird die Dialektik von Chancengleichheit und Leistung nicht thematisiert: Chancengleichheit ist nur auf dem Leistungsniveau der Schwächsten zu haben, wobei die Chancenungleichheit bei den Leistungsstarken bewusst nicht gesehen wird.


    Helen

    CKR hat m. E. einen wichtigen Sachverhalt angesprochen:


    Die Einheitsschule ist nur politisch zu begründen und nicht pädagogisch: Die Sozialisten forderten erstmals 1881 - Erfurter Programm - die Einheitsschule mit der Begründung, dass das dreigliedrige Bildungssystem die „ungerechte“ Sozialstruktur der Gesellschaft reproduziere; das Bildungsbürgertum müsse somit seiner Grundlage beraubt werden. Diese abenteuerliche Denkfigur hat bis heute - Hamburger Programm der SPD von 2007 fordert die „Demokratische Schule“ - überlebt. Dass das dreigliedrige Bildungssystem in seiner reinen Form (bis 1960) das weltweit beste Bildungssystem war, interessiert nicht - auch heutzutage nicht.


    Dass sich die Einheitsbildung in Deutschland nach 1945 sukzessive durchgesetzt hat, ist nicht zuletzt der Umerziehungspolitik der Amerikaner (und der übrigen Alliierten) zu verdanken. Letztere wurde von unseren Linken, verstärkt nach 1959, aufgenommen und mit der Leitidee der permanenten Vergangenheitsbewältigung durch Horkheimer, Adorno, Mitscherlich etc. volkspädagogisch vermischt. Die (Um-)erziehung der Deutschen zu „Demokraten“ ohne den Hang zur Autoritätsgläubigkeit und zur Vorurteilsbildung ist heute noch die ideologische Grundlage der Einheitsschulbewegung. Letztere basiert nicht nur auf dem organisatorischem Modell der Einheitsschule, sondern auf der maßgeschneiderten kritisch-konstruktiven Didaktik Wolfgang Klafkis (welcher sich offensichtlich auch vom ehemaligen US-Bildungspapst John Dewey, der zusammen mit Lewin, Parsons, Horkheimer, Adorno etc. die re-edukative Bildungsplanung der Amis für das Nachkriegsdeutschland entwickelt hatte, hat inspirieren lassen).


    Fazit: Die Einheitsschule hat nie das Ziel eines leistungsfähigen Bildungswesens gehabt. Dies kann sie vom Ansatz her auch gar nicht leisten. Einheitsbildung ist auf die Zerstörung des gesellschaftlichen Mittelbaus - das Bildungsbürgertum - gerichtet und zielt letztlich auf die Verdummung der Massen: Im Sinne Adornos geht es um die Errichtung einer Massenkultur für kritikunfähige Massen.


    Mithin ist unsere Bildungsmisere nur durch die Rekonstruktion des dreigliedrigen Bildungssystems (s. u. a. Düsseldorfer Abkommen 1955) zu beheben.


    Helen

    Schlauby,
    zur Info:
    Meine Aussage basiert auf einem Mehrebenen-Modell, das die Kontextvariablen, in welche die Bildungssysteme der Länder eingebettet sind, berücksichtigt; (vgl. Baumert et al 2002, S. 42, 44, 46).


    - Anteil der 15-Jährigen mit Migrationsgeschichte (Migrationsgeschichte),
    - Mittleres Niveau der Sozialschicht (ISEI, soziale Kontextbedingungen),
    - Verfügbares Einkommen je Einwohner (Haushaltseinkommen),
    - Ausgaben pro Schüler an allgemeinbildenden Schulen (Bildungsausgaben).


    Gruß, Helen

    Hallo Meike,


    wenn ich mich nicht irre, bin ich seit ca. 18 Monaten hier im Forum registriert. Während dieser Zeit habe ich 18 Beiträge verfasst - ca. einen Beitrag pro Monat. Ich hebe diese Beiträge nicht auf. Somit kann ich nicht sagen, wie oft ich den Frey erwähnt habe. Allein aus der Frequenz kannst Du ablesen, dass es sich bei der Erwähnung vom Frey wohl sicher nicht um Werbung handeln kann, schon gar nicht um bezahlte.


    Allerdings bin ich der Meinung, dass fundierte Fragen von Forumsteilnehmern durchaus fundiert beantwortet werden sollten. Allein darum bemühe ich mich. Ich habe den Frey ausführlich studiert und viel daraus gelernt. Ich kenne ihn also sehr gut. Allerdings wäre es für die user m. E. nicht zumutbar, die Erkenntnisse aus dem Frey nun seitenweise zu zitieren. Manche Probleme sind aber leider nicht mit einem Zweizeiler abzuhandeln. Deshalb erwähne ich den Frey, wo es angebracht ist, um die Sache abzukürzen. Ich kenne diesbezüglich z. Zt. keine Alternative, die die Sache so auf den Punkt bringt.


    Im Übrigen finde ich es schade, wenn mit solchen Nebensächlichkeiten, m. E. wichtige Themen "zerstört" werden.


    Herzliche Grüße und gute Nacht,


    Helen

    Zur Einordnung der Klafki-Pädagogik:


    Klafkis Idealschule ist die "demokratische Schule" (Klafki 1996, S. 225f).


    Die Idealschule der SPD, welche heuer wieder den "demokratischen Sozialismus" für sich entdeckt hat, ist ebenfalls die "demokratische Schule" (Hamburger Programm 2007).


    Diese politische Nähe ist nicht zufällig!


    Helen

    Um einen dieser Pseudo-Experten zu nennen: Wolfgang Klafki.


    Klafki war von 1948 bis 1952 Volksschullehrer. Später gehörte er mit Mollenhauer und Blankertz zur Gruppe um Erich Weniger (Göttingen).


    Übrigens war Blankertz der Doktorvater von H. Meyer.


    Und Klafki - Dessen kritisch-konstruktive Pädagogik ist heute d e r Maßstab.


    Helen

    neleabels realistischem Ansatz kann ich nur zustimmen.


    ********WERBUNG GELÖSCHT******* erweitert und systematisiert diesen Ansatz in ihrem Buch********WERBUNG GELÖSCHT*******. Wer sich an ihre Ratschläge hält - sie fordern allerdings eine ideologiefreie Sicht der Dinge -, kann sich vor dem Bournout schützen. Eine wichtige Erkenntnis: Erziehung ist ohne Ausübung von Erziehungsmacht nicht möglich. Machtausübung im pädagogischen Kontext ist den Lehrern aber faktisch untersagt. Das Thema ist tabu. Allerdings: Das Gefühl der Machtlosigkeit ist eine der Hauptursachen des Versagensgefühls, das sich bis zum Bournout steigern kann.


    Helen

    Hallo Yula,


    ich kann Dich absolut verstehen, so ging es mir früher auch. Ich fühlte mich oftmals angegriffen, insbesondere in solchen Fällen, bei denen mein Aufwand nicht gewürdigt wurde, mir aber ständig neue Forderungen vor die Füße gelegt wurden.


    Zu den „sich sorgenden“ Eltern möchte ich Folgendes bemerken: Ich habe, grob gesagt, bisher zwei Sorten von Eltern kennen gelernt:
    1) Eltern, die sich um die „Schularbeit“ ihrer Kinder kontinuierlich sorgen - diese Eltern sind pflegeleicht, mitdenkend und nachsichtig;
    2) Eltern, denen die „Schularbeit“ ihrer Kinder am A..... vorbeigeht - diese Eltern sind bei Schulextras diejenigen, die ständig nörgeln, die einen Elternabend nach dem nächsten fordern, die ständig unzufrieden sind und alle Unzulänglichkeiten auf die Schule und die Lehrer schieben.


    Ich habe zwischenzeitlich gelernt, dass man als Lehrerin auch die Eltern „erziehen“ muss (dies ist meist notwendiger, als deren Kinder zu erziehen). Schau mal in ********WERBUNG GELÖSCHT*******. Hier wird genau das Problem im Umgang mit den Eltern analysiert. Außerdem gibt es Hinweise, wie wir uns aufstellen müssen, damit die Eltern nicht das Heft in die Hand nehmen und die „Macht“ über unsere Gefühlswelt erlangen. ********WERBUNG GELÖSCHT******* würde in Deinem Fall empfehlen, der Elternsprecherin zu sagen: „Wir hatten einen Elternabend. Das reicht!“.


    Gruß, Helen

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