... dann bleibt zu Fragen, was macht ihr im konkreten Fall, wenn eine Schülerin einen Schüler z.B. mit "Du schwules Opfer" tituliert?
Dann ist das Hauptproblem doch wohl nicht die Art der Beleidigung, sondern die Tatsache, dass die Schülerin ihren Mitschüler überhaupt beleidigen will. Ich würde dabei nicht anders reagieren, als bei "Du Arschloch".
Ich glaube übrigens, das Problem um das die Diskussion hier kreist, ist primär ein Missverständnis, das seine Ursache in der Tatsache findet, dass Frauen inzwischen in vielen Schulen 100% des Kollegiums ausmachen. "Verständnis schaffen", "Homosexualität möglichst beiläufig als normale Lebenswirklichkeit darstellen", "bewusst machen, wie sich das Gegenüber dabei fühlt", das sind alles typisch weibliche Konfliktlösungsstrategien. Diejenigen, die durch die kritisierten Äußerungen auffallen, dürften aber vornehmich pubertierende Jungs sein. Und dabei liegt ein ganz großes Missverständnis vor: nämlich die Annahme, dass Sprüche wie "Das ist doch voll schwul" von einem pubertierenden Jungen ihre Ursache entweder in einer ablehnenden Grundhaltung Homosexuellen gegenüber oder mindestens in mangelder Sensibilität haben. Das ist aber falsch.
Ein Junge kann freundlich, aufgeklärt und tollerant sein und trotzdem mal solche Sprüche loslassen, weil Jugendsprache nun mal oft "rüpelhaft" und auch politisch unkorrekt ist und der Spruch in dem Moment überhaupt nichts mit Homosexualität zu tun hat, sondern höchstens auf die damit verbundenen Klischees anspielt. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass viele Jungs solche Sprüche nicht mehr machen würden, wenn sie wüssten, dass ihr gegenüber wirklich homosexuell ist, weil es eben nur "lustig" ist, so lange es auf der Ebene oberlächlicher Plänkeleien bleibt.
Ich habe vor einigen Jahren mal eine Szene miterlebt, bei der ein Jugenlicher in einem Schulhofgespräch gedankenlos das Wort "Neger" benutzt hat und erst anschließend bemerkt hat, dass eine dunkelhäutige Mitschülerin direkt neben ihm stand. Als ihm die Situation bewusst geworden war, hat er zu dem Mädel eine Entschuldigung gestammelt und wäre er wohl am liebsten im Erdboden versunken. Der Junge war weder fremdenfeindlich, noch sonst irgendwie auffällig und hatte auch sonst ein gutes Verhältnis zu dem betreffenden Mädchen. Und durch die für ihn sehr peinliche Situation hat er vermutlich mehr gelernt, als jede lehrerinitiierte Konfliktbarbeitungsveranstaltung bewirkt hätte.
Eine andere Hausnummer ist es natürlich, wenn es tatsächlich zu bewussten Feindsehligkeiten gegenüber Homosexuellen/Dunkelhäutigen/Behinderten/... kommt. Das ist meiner Erfahrung nach aber sehr viel seltener der Fall.
Also lange Rede kurzer Sinn: pubertierende Jugendliche brauchen klare Regeln. Wenn ich nicht will, dass in meinem Klassenraum rumgepöbelt und beleidigt wird, dass sage ich das und setze es durch - notfalls auch mit Erziehungs- oder Ordnungsmaßnahmen. Darüber hinaus lege ich nicht jeden gedankenlosen Spruch auf die Goldwaage und interpretiere nicht in jedes Schulhofgespräch von Halbstarken eine Grundhaltung hinein, die möglicherweise gar nicht da ist.